Wie handysüchtig ist Ihr Kind? Lesen Sie das etwa gerade auf dem Handy?

Neulich saßen zwei meiner drei Söhne auf der Couch und wischten abwechselnd mit ihren Fingern über den Bildschirm des Familien-iPads. Sie trugen Fußballergebnisse aus der Kicker App vor, hörten über YouTube Musik und ließen Siri Witze erzählen. So weit, so normal.

Auch, dass ich irgendwann genervt war, ist inzwischen Normalität. Genervt, weil die Jungs das Tablet gar nicht mehr weglegen wollten. Oder soll ich sagen: nicht mehr weglegen konnten? Denn mir ist natürlich klar, was für eine Anziehungskraft Bildschirme haben. Wie entspannend sich das Wischen und Browsen und Scrollen anfühlen kann. Und wie schwer es dank der Algorithmen ist, ein Tablet oder Smartphone wieder beiseitezulegen. Apps wie Instagram und TikTok beispielsweise, aber auch Games und vieles mehr, sind dafür programmiert, dass wir praktisch gar nicht anders wollen als weiterwischen, weiterschauen, weiterspielen.

Obwohl ich mir all dessen bewusst bin, halte ich regelmäßig Wohnzimmervorträge. Schluss jetzt! Ihr werdet ganz dösig davon! Macht mal was Vernünftiges!

An besagtem Tag forderte ich die Jungs auch dazu auf, lieber was zusammen zu spielen oder rauszugehen und zu kicken. Als sie mit einem Quartett ankamen und mit mir Trumpf spielen wollten, hatte ich gerade mein Smartphone in der Hand. Ich tat Dinge, die, sagen wir mal: nicht superwichtig waren. »Sekunde, bin gleich so weit«, sagte ich, und die Jungs rollten nur mit den Augen. »Du daddelst selber ständig mit dem Smartphone rum«, sagte einer. Er hatte recht.

In der Tat schaue ich viele Stunden am Tag auf größere und kleinere Bildschirme – für die Arbeit als Redakteurin beim SPIEGEL, aber auch privat. Ich chatte mit Freundinnen. Ich sauge News auf wie ein Schwamm. Ich melde die Kinder über Apps für Bastelnachmittage, Schwimmkurse und das Fußballturnier am Wochenende an. Ich kaufe Theatertickets, Turnschuhe und Thermobecher mit dem Smartphone. Ich schaue Serien. Ich suche auf Instagram Urlaubstipps. Und finde die ganze Welt auf einem winzigen Screen.

Ist das, was ich mache, eigentlich noch irgendwie okay?

»Es ist gar nicht so einfach einzuschätzen, ob der persönliche Umgang mit Computerspielen, sozialen Medien oder Streamingdiensten problematisch oder gar pathologisch, also krankhaft, ist«, heißt es auf der Website des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) in Hamburg.

Sehr nützlich: Um allen, die sich mit der Frage beschäftigen, eine Hilfestellung zu geben, haben die am DZSKJ arbeitenden Fachleute entsprechende Fragebögen entwickelt , jeweils einen zu den Themen

  • Social-Media-Sucht 

  • Gaming-Sucht 

  • Streaming-Sucht .

Was die Konzeption der Fragebögen erschwert hatte: Aktuell ist laut den Expertinnen und Experten nur die sogenannte Computerspielstörung eine offiziell anerkannte Diagnose. Um aber »auch eine problematische Nutzung von sozialen Medien und Streamingdiensten mithilfe von Fragebögen erfassen zu können«, seien die Kriterien der Computerspielstörung auf die anderen Themen übertragen worden.

Es interessiert sicher niemanden, welches Ergebnis bei mir herauskam, als ich den Test zum Thema Social Media machte. Aber schon beim Beantworten der Fragen hatte ich ein paar Aha-Erlebnisse. Drei Aspekte aus dem Test:

  • Man soll beantworten, ob man Interessen außerhalb der digitalen Welt vernachlässigt, weil man »lieber in sozialen Medien unterwegs sein möchte«. Dazu zählen zum Beispiel Lesen, im Verein Sport oder Musik machen und »in der wirklichen Welt« Freunde oder Freundinnen treffen.

  • Thema ist auch, ob ich mich weiter mit sozialen Medien beschäftige, »selbst wenn ich dadurch Stress mit anderen bekomme« – etwa mit Eltern, Geschwistern, Freunden oder Lehrkräften.

  • Ein weiterer Punkt: Kommen wegen Social Media alltägliche Aufgaben zu kurz, so etwas wie »Einkaufen, Saubermachen, hinter mir aufräumen, Zimmer ordentlich halten sowie Pflichten für Schule/Ausbildung/Job«?

Ich habe den Test für mich ehrlich beantwortet. Dabei wurde mir klar: Es kommt auf Nuancen an, die darüber entscheiden, wie es um die eigene Social-Media-Nutzung steht. Ist sie noch »okay«, gelte ich als »gefährdet« – oder schlägt der Test sogar »Alarm«?

Ich habe die genannten Kriterien nun mehr auf dem Zettel, wenn ich über unser aller Handygedaddel urteile. Nicht jede Viertelstunde in der Kicker App oder bei Instagram ist ein Drama – und verteufeln sollte man das alles erst recht nicht ! Aber das Handy öfter mal wegzulegen – selbst wenn es schwerfällt – das nehme ich mir schon vor.

Einen weiteren Selbsttest  zum Thema stellt übrigens die Präventionskampagne »Ins Netz gehen« des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) zur Verfügung. Er richtet sich den Angaben zufolge an Jugendliche und soll ihnen helfen, das eigene Medienverhalten zu überprüfen. Denn je früher Betroffene ihr Nutzungsverhalten realistisch einschätzen könnten und verändern wollten, schreibt das BIÖG, desto eher können aufklärende, beratende und gegebenenfalls therapeutische Maßnahmen helfen.

Denn eines ist wohl klar – so sehen es auch die Fachleute: »Videospiele sind ein schöner Zeitvertreib, und ein Alltag ohne Internet ist für viele Menschen kaum noch vorstellbar. Aber die Beschäftigung damit kann auch überhandnehmen.«

Wie nehmen Sie den Medienkonsum Ihrer Kinder wahr – und wie reflektieren Sie Ihren eigenen? Erzählen Sie uns gern von Ihren Erfahrungen: familiennewsletter@.de .

Meine Lesetipps

Dass meine elfjährigen Söhne noch keine Smartphones besitzen, liegt – natürlich – an uns Eltern. Zu viel sprach dagegen , fanden wir, als vor etwas mehr als einem Jahr die Hoffnung der Kinder auf ein eigenes Smartphone wuchs. Sie waren immerhin gerade in die weiterführende Schule gekommen! Und schließlich hätten auch viele Freunde nun eins. Ach was! ALLE hätten eins!

Das stimmte natürlich nicht, wie sich in Gesprächen mit anderen Eltern zeigte. Und trotz des Tastentelefons, das wir ihnen zum Trost besorgten, haben sie Freunde gefunden.

Smartphone oder nicht? Diese Frage stellte sich auch meine Kollegin Anna Clauß, als ihr Sohn diesen Sommer in die fünfte Klasse kam. Annas jüngste Elternkolumne beginnt mit folgendem selbstkritischen Absatz: »Das erste Handy ist wie ein frisch gezapftes Bier. Ein Rauschmittel, das man dem eigenen Kind so lange wie möglich vorenthalten möchte – während man selbst genüsslich daran nippt. Man predigt Abstinenz und checkt gleichzeitig die Push-Nachrichten von Instagram, dem Lieferdienst oder dem Redaktionschat.«

Lesen Sie hier , welche Schlüsse Anna daraus gezogen hat – ich lege Ihnen den Text sehr ans Herz.

Auch die folgenden Artikel beschäftigen sich damit, wie Kinder und Jugendliche Medien nutzen und im Internet unterwegs sind – und wie Eltern sie dabei begleiten können.

  • Hunderttausende Kinder und Jugendliche sind süchtig nach TikTok und Insta. Trotzdem geben Eltern ihren Kindern schon in der Grundschule digitale Endgeräte. Meine Kollegin Kristin Haug schreibt in einem Kommentar: Kauft Grundschulkindern keine Smartwatches mehr.

  • Welche Erfahrungen Jugendliche machen, die mediensüchtig sind, lesen Sie in einem Bericht meiner Kollegin Silke Fokken. Sie sprach mit jungen Menschen, die Hilfe in einer klinischen Einrichtung bekamen .

  • Jugendliche wollen soziale Medien weniger nutzen – schaffen es aber nicht. Dies hat eine aktuelle Studie zu Bildschirmzeiten ergeben.

  • Das Kind hängt nur am Handy? Wie viel Gedaddel und Gezocke ist normal, wann rutschen Jugendliche in eine Sucht? Die Psychotherapeutin Isabel Brandhorst hilft betroffenen Familien. Sie hat ein paar sehr praktische Tipps .

  • TikTok, Instagram und Co. verschaffen Glücksmomente – und können tieftraurig stimmen. Lesen Sie hier, wie soziale Medien die Psyche von Jugendlichen beeinflussen können .

  • Keine Handys mehr, auch nicht in den Pausen. So läuft es jetzt an manchen Schulen in Deutschland. Welche Argumente sprechen dafür, und was halten Kinder davon? DEIN SPIEGEL war zu Besuch in einer Schule in Kiel .

Gemeinsam kochen – Rezepte für Familien

In weniger als einer Woche ist Halloween. Wenn in der Nacht vor Allerheiligen die Toten wiederauferstehen, Zombies und Skelette durch dunkle Gassen wanken, hat man besser ein paar Snacks vorbereitet. Wie diese knuffig-leckeren Jalapeño-Mumien mit Kulleraugen  – ein Rezept unserer Kochkolumnistin Verena Lugert.

Mein Spieletipp

Eine Partie Karten einlegen oder ein Brettspiel auf dem Esstisch ausbreiten – für mich ist das der Inbegriff eines gemütlichen Wochenendes mit der Familie. Heute gibt es von mir daher einen Spieletipp.

Heiß geliebt bei meinen Söhnen sind derzeit die Stadionquartette von 11FREUNDE. Das zum SPIEGEL-Verlag gehörende Sportmagazin hat kürzlich zwei neue Ausgaben herausgebracht – und wir spielen sie im Wechsel. Einmal sind auf den Karten 32 imposante Arenen aus aller Welt zu sehen, einmal deutsche Retro-Stadien. Das finden meine Kids besonders lustig. Was? So sah das Berliner Olympiastadion damals aus? Hier können Sie die Quartette bestellen.

Lust auf Zocken bekommen? Auf SPIEGEL.de finden Sie Dutzende Brettspieltests.

Mein Moment

Meine Kollegin Marianne Wellershoff machte sich vor einiger Zeit in einem Newsletter darüber Gedanken, was es bedeutet, wenn aus Teenagern junge Erwachsene werden. Auch das Thema Medien spielte eine Rolle. Sie fragte Sie, liebe Leserinnen und Leser: »Wie viel Bildschirmzeit erlauben Sie Ihren Kindern? Ab welchem Alter sollten Kinder aus Ihrer Sicht überhaupt ein Smartphone oder Tablet nutzen? Wie und bis zu welchem Alter sollte man die Nutzung regulieren?« Ein SPIEGEL-Leser antwortete uns:

»Es ist doch normalerweise sehr einfach, dieses Problem anzugehen. Selbstreflexion und eine kritische Analyse unserer eigenen Smartphone-Nutzung hilft dabei sehr weiter. Was ist unbedingt nötig für die Schule, Hausaufgaben und Recherche? Am besten einen Zeitplan darüber aufstellen – und dann noch eine Zeit für private Dinge wie Freunde, Chatten und Musikhören dazugeben. Dann löst sich dieses Problem von allein. Vertrauen und Liebe für die Kinder ist aber am wichtigsten.«

Herzlich
Ihre Julia Stanek

Kinder am Handy: Ist ihr Umgang mit Computerspielen und sozialen Medien problematisch oder pathologisch – oder völlig okay?

Foto: Donald Iain Smith / Tetra images RF / Getty Images

Mutter am Handy (Symbolfoto): »Sekunde, bin gleich soweit«

Foto: Westend61 / Getty Images

Jalapeño-Mumien: Zuckeraugen nicht vergessen

Foto: Helga Lugert / I LOVE FOOD

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