Alzheimer-Medikament Leqembi – »kein Anhaltspunkt für Zusatznutzen«?

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kommt in seiner Bewertung des kostspieligen Alzheimer-Wirkstoffs Lecanemab zu dem Schluss, dass dessen Nutzen nicht über die Wirkung von deutlich günstigeren Alternativtherapien hinausgeht. Dies könnte nun dazu führen, dass die gesetzlichen Krankenkassen künftig nur einen Bruchteil der derzeitigen Kosten für Lecanemab-Medikamente erstatten. In solchen Fällen haben Pharmahersteller ihre Produkte mitunter wieder vom Markt genommen.

Das IQWiG sieht »keinen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen von Lecanemab gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie« in frühen Phasen der Alzheimer-Erkrankung. Dies gelte in der Vorstufe von lediglich leichten kognitiven Einschränkungen, aber auch wenn bereits eine leichte Demenz vorliege und diese mit Medikamenten wie Donepezil, Galantamin und Rivastigmin bereits behandelt werde. Diese sogenannten Acetylcholinesterasehemmer werden schon länger bei Alzheimer eingesetzt. Sie wirken zwar nicht ursächlich gegen die Krankheit, können aber Symptome wie Gedächtnisverlust und Konzentrationsschwäche lindern.

Die Bewertung des IQWiG  dürfte folgenreich sein: Das Lecanemab-Medikament Leqembi ist seit dem 1. September in Deutschland erhältlich, derzeit übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen noch den Herstellerpreis. Dies tun sie jedoch nur für bis zu sechs Monate nach Markteintritt. Danach greift ein neuer Preis, den der Spitzenverband der Krankenkassen mit dem Hersteller verhandelt. Basis dafür ist stets ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses, der maßgeblich auf der jeweiligen Nutzenbewertung des IQWiG beruht: Besteht kein Zusatznutzen, wird der Erstattungsbetrag mehr oder weniger auf das Kostenniveau der »zweckmäßigen Vergleichstherapie« gedeckelt – das könnte nun bei Leqembi passieren.

IQWiG: Kein Vorteil für Betroffene in Deutschland

Dabei gilt Leqembi als das erste Medikament, das ursächlich gegen Alzheimer wirkt und nicht nur die Symptome verbessert . Es kann zwar die Krankheit nicht heilen, aber die Bildung von Amyloid-β-Plaques reduzieren, die zum Absterben der Nervenzellen führen. So bremst das Medikament die Erkrankung und den Abbau der kognitiven Fähigkeiten.

Die nun eher ernüchternde IQWiG-Beurteilung des Medikaments begründeten die Arzneimittelbewerterinnen unter anderem mit den Nebenwirkungen und fehlenden Daten. In einer Pressekonferenz des Science Media Centers (SMC) verwiesen sie darauf, dass ihnen etwa Ergebnisse zu Hirnschwellungen und -blutungen fehlten. Beides sind mögliche Nebenwirkungen einer Therapie mit Lecanemab.

Außerdem deuteten die Daten darauf hin, dass positive Studieneffekte von Lecanemab vorwiegend auf Betroffenen beruhten, die ohnehin nicht nach deutschen Therapiestandards behandelt worden seien. Den Arzneimittelbewerterinnen zufolge bietet sich für Betroffene in Deutschland daher kein Vorteil. Seine Bewertung traf das IQWiG auf Basis eines Dossiers, das der Hersteller wie üblich dafür einreichen musste.

24.000 Euro im Jahr – nur für das Medikament

Es ist die nächste Wendung in einer kleinteiligen Diskussion, welche die medizinische Fachwelt schon seit einiger Zeit beschäftigt: Während Leqembi in den USA bereits seit 2023 vollständig zugelassen ist, erteilte die Europäische Arzneimittelagentur dem Medikament zunächst eine Absage – nur um es im Frühjahr 2025 mit Einschränkungen doch zuzulassen. Seit September ist Leqembi nun zwar in Deutschland verfügbar, allerdings ist die Infusionstherapie aufwendig und kostspielig. Allein die jährlichen Kosten für das Medikament werden derzeit auf 24.000 Euro geschätzt. Dazukommen die Kosten für abklärende Tests, um das Medikament alle zwei Wochen intravenös zu verabreichen und für regelmäßige MRT-Untersuchungen, um etwa Hirnschwellungen frühzeitig zu erkennen.

Zwar kommen viele Alzheimer-Betroffene etwa aufgrund ihres Risikoprofils für eine Lecanemab-Therapie nicht infrage. Dennoch setzen einige Fachleute auf den Wirkstoff. Auch deshalb, weil wenig anderes hoffen lässt: Es gibt nur begrenzt Hilfe und wenige Medikamente gegen die bislang unheilbare Alzheimer-Krankheit.

So kritisierte etwa der Neurologe Jörg Bernhard Schulz von der Uniklinik Aachen noch in der Pressekonferenz des SMC die Analyse des IQWiG scharf: Sie sei zu kleinteilig und eng gesteckt, die herangezogenen »zweckmäßigen Vergleichstherapien« ten nicht den Versorgungsalltag wider.

Ähnlich kritisch äußerte sich der Gerontopsychiater Lutz Frölich vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim zu der IQWiG-Analyse. So sei etwa die analytische Unterscheidung zwischen leichten kognitiven Einschränkungen und leichter Demenz künstlich und traditionell. Das entspreche nicht mehr der »modernen Konzeption« von Alzheimer und beeinflusse die Auswertung zuungunsten des Wirkstoffnutzens.

Psychiater Frölich legte gegenüber dem SMC offen, in der Vergangenheit unter anderem von Leqembi-Hersteller Eisai etwa Beratungshonorare erhalten zu haben. Schulz machte zu möglichen Interessenkonflikten keine Angaben.

Seit gestern können nun Stellungnahmen zur IQWiG-Bewertung abgegeben werden, auch eine mündliche Anhörung ist angesetzt. Protest und Gegenargumente dürften dabei nicht nur von Hersteller Eisai kommen. Seinen richtungsweisenden Beschluss will der Gemeinsame Bundesausschuss dann im Februar 2026 fassen.

Anmerkung der Redaktion: Leqembi ist der Name des Medikaments, nicht des Wirkstoffs gegen Alzheimer. Wir haben die Schlagzeile entsprechend angepasst.

Verwandte Artikel

Next Post