1. Ist Alaska groß genug für beide Egos?
Jetzt ist es nicht mehr lang bis zum Beginn des Gipfels, der seit Tagen die Schlagzeilen (und diesen Newsletter) beherrscht: Donald Trump und Wladimir Putin treffen sich in Anchorage, Alaska. (Sie können die Ereignisse hier am Abend und in der Nacht live verfolgen.)
Der US-Präsident und Russlands Machthaber sind sich auf einem Zweiergipfel schon mal begegnet, 2018 in Helsinki. »Es wurde schlimmer, als selbst Trumps Berater befürchtet hatten«, sagt mein Kollege Christoph Scheuermann, der damals vor Ort war . Vier Dinge hat er gelernt:
Trump sieht Putin als Gleichgesinnten.
Putin weiß, welche Knöpfe er bei Trump drücken muss.
Putin lebt mietfrei in Trumps Kopf.
Trump überschätzt sich und unterschätzt Putin.
»Das Erstaunliche an dem Auftritt waren nicht Putins Scheinheiligkeit und gespielte Unschuld, sondern dass ihm Trump die Rolle des redlichen Vermittlers auch noch abzunehmen schien«, schreibt Christoph.
Lesen Sie hier den ganzen Text: Vier Dinge, die ich beim letzten Trump-Putin-Gipfel gelernt habe
2. Zerfasert
Ein weltweites Abkommen gegen Plastikmüll ist gescheitert. Rund 180 Länder verhandelten in den vergangenen drei Jahren, bei der sechsten Runde in Genf konnten sie sich jetzt aber wieder nicht einigen. »Die Plastiklobby gewinnt, die ganze Welt verliert«, kommentiert meine Kollegin Alina Schadwinkel (hier mehr ).
Ein schneller Blick ins Archiv: Das Wort »Plastikmüll« taucht im SPIEGEL zum ersten Mal 1977 auf – in einer Story über ein angebliches Forscherpaar, das einen Konzern und andere Gläubiger um mehr als eine Million Mark prellte. Es hatte behauptet, per »Terrafix-Verfahren« Plastik in zarten Humus umwandeln zu können. Der Konzern, der dafür zahlte, erstattete Betrugsanzeige. (Hier die ganze Geschichte.)
Von der einfachen, billigen, schonenden Lösung für Plastikmüll träumt die Branche seit Jahrzehnten. Der Traum wurde nie Wirklichkeit. Dafür produziert sie immer mehr Plastik: geschätzte 460 Millionen Tonnen im Jahr. »Ein großer Teil landet in der Umwelt«, sagt Alina. Die Kunststoffe zerfallen in winzige Teilchen, Mikro- und Nanoplastik, die Tiere und Menschen aufnehmen. »Immer mehr Studien deuten an: Plastikteilchen können das Immunsystem schwächen, Entzündungen fördern, das Risiko für Herzkrankheiten und Krebs erhöhen.« Was helfen würde? Nicht auf Wunder hoffen, sondern »weniger Plastik produzieren, Einwegprodukte verbieten, Recycling stärken«, findet Alina.
Hier der ganze Kommentar: Was bleibt, sind Wut und Enttäuschung. Doch daraus kann jetzt etwas Neues entstehen .
3. Glutbürger und Steakholder (hat nichts mit dem Wetter zu tun)
Der Zustand der Presse in Deutschland muss sich gebessert haben. Noch vor Jahren, etwa bei der vorübergehenden Popularität der Piratenpartei, versuchten viele Redaktionen gar nicht erst, die abgegriffensten Sprachbilder zu umschiffen: Die Partei nahm Kurs auf Parlamente, wollte sie entern, drohte zu kentern. Wohin sich der Ausguck wendete, die Sprachwelle schwappte ins Nautische.
Jetzt serviert unsere Branche seit geraumer Zeit Berichte über den eskalierten Sorgerechtsstreit der Familie Block (hier alle Hintergründe ). Und keine Redaktion, wenn ich das richtig überblicke, filetiert den Fall in durchgekauten Floskeln. Dabei treten gerade die Steakholder vor Gericht auf, heute wurde erneut Christina Block gegrillt, Tochter des Block-House-Gründers. Mit ihr sind sechs weitere Beschuldigte angeklagt, unter anderem ihr Lebensgefährte, der ehemalige Sportmoderator Gerhard Delling . Beide bestreiten, an der Entführung von Blocks Kindern beteiligt gewesen zu sein. (Die »Bild« berichtete live aus dem Saal, verkneift sich aber, da wird der Hund in der Pfanne verrückt, die Bezeichnung »News-Block«.)
Vielleicht würzen die wenigsten Gerichtsreporterinnen ihre Berichte mit Medium-Wortspielen, weil der Fall schon irre genug wirkt. Block sagte heute aus, sie habe gedanklich durchgespielt, ihre Tochter und ihren Sohn mithilfe eines Hubschraubers aus dem Haus ihres Ex-Manns zu befreien. Auch habe es die Idee gegeben, eine Mitarbeiterin von einer Maskenbildnerin so umschminken zu lassen, dass sie aussieht wie die neue Ehefrau von Blocks Ex-Mann, dem Vater der Kinder. So verändert sollte die Mitarbeiterin demnach die Kinder aus der Schule in Dänemark abholen.
Block sagte, jede Aktion hätte legal und gewaltfrei laufen sollen. All diese Ideen scheinen mir halb gar. Meine Kollegin Julia Jüttner beobachtet den Prozess . Sie sagt: »Vieles, was Christina Block im Gerichtssaal schildert, klingt völlig verzweifelt. Als Mutter kann ich diese Verzweiflung nachvollziehen, aber in vielen Dingen bleibt sie vage, unscharf, schwammig. Interessant wird es werden, wenn weitere Zeuginnen und Zeugen mit ihren Aussagen konfrontiert werden.«
Lesen Sie hier mehr: Die »verrückten Ideen« der Frau Block
Was heute sonst noch wichtig ist
Klöckner will mit »Nius«-Förderer feiern – Kritik vom Koalitionspartner: Bundestagspräsidentin Julia Klöckner soll am Sonntag beim Sommerempfang der CDU Koblenz sprechen. Doch aus der SPD kommt Kritik. Denn ein Mitveranstalter des Festes finanziert ein rechtspopulistisches Onlineportal.
Wer der nächste Bahn-Chef werden könnte – oder die erste Bahn-Chefin: Bahn-Chef Richard Lutz darf noch bleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist. Doch für den Job des scheidenden Topmanagers werden bereits viele Namen gehandelt. Die aussichtsreichsten Anwärter im Überblick.
Erneut Istanbuler Bezirksbürgermeister festgenommen: Die Polizei in Istanbul hat erneut Dutzende Menschen aus dem Umfeld der oppositionellen Stadtverwaltung festgenommen. Unter ihnen sind wieder ein Bezirksbürgermeister und ein Berater des inhaftierten Erdoğan-Gegners İmamoğlu.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen: Ein Gigant nur im Tor
Gianluigi Donnarumma ist der weltweit beste Torwart, dennoch umgibt ihn eine gewisse Tragik. Seine Reflexe sind sensationell, sein Passspiel ist es nicht. Vor allem aber prägt seine Karriere das Profitstreben seiner Berater .
Was heute weniger wichtig ist
Dr.-Sommer-Hits: Die Medienunternehmerin Yvonne Bauer, 48, durfte in ihrer Jugend zu Hause nicht die »Bravo« durchblättern, die im Verlag ihres Vaters Heinz Bauer, 85, erschien. Der »Zeit« sagte sie, die Jugendzeitschrift habe »eine Menge Menschen aufgeklärt, mich auch. Aber ich konnte sie nur heimlich lesen, weil meine kleine Schwester und ich sie zu Hause nicht haben durften«.
Mini-Hohl
Hier finden Sie den ganzen Hohl.
Cartoon des Tages
Und am Wochenende?
Könnten Sie einer Empfehlung meines Kollegen Wolfgang Höbel folgen und den aus seiner Sicht herausragenden Film »Sirāt« gucken. »Sirāt« hat dieses Jahr beim Festival in Cannes einen der Hauptpreise gewonnen, jetzt läuft er im Kino. Er schildert ein Familiendrama in Marokko, das zum Ausgangspunkt einer krassen Höllentour wird. (Hier die Rezension .)
Ein Hinweis zum Schluss: Ab kommender Woche geht die Lage am Abend auf Weltreise. Bis Anfang September schreiben SPIEGEL-Korrespondentinnen und -Reporter diesen Newsletter – sie berichten aus den Metropolen und entlegenen Ecken Asiens, Afrikas, Amerikas und Europas. Natürlich bekommen Sie hier auch weiterhin Ihr Nachrichten-Briefing: News, Meinung, Stories – alles, was am Tag wirklich wichtig ist. Den Anfang macht am Montag meine Kollegin Maria Stöhr aus Peking.
Ich wünsche Ihnen unterhaltsame und informative Wochen. Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion
Niemandem verpflichtet außer Ihnen
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Gesprächspartner Trump, Putin im Juli 2018 in Helsinki
Foto: Brendan Smialowski / AFPPlastikmüll in Indonesien: Kein weltweiter Vertrag in Sicht
Foto:Zick Maulana / NurPhoto / Getty Images
Christina Block
Foto: Christian Charisius / dpaGianluigi Donnarumma spielte seit 2021 für Paris Saint-Germain
Foto: Gabriel Bouys / AFPAus der »Süddeutschen Zeitung«
Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Klaus Stuttmann
Szene aus »Sirāt«
Foto: Pandora Film / QuimVives