Sollen Kinder noch Schreibschrift lernen? Die schnörkellose Wahrheit

1. Kein Desaster? Vor allem keine Story

Es gab mal eine Zeit, da hieß es: Egal wer kandidiert, die Deutschen wählen ihre Partei. Man sprach von der These des Besenstiels: In Teilen von Nordrhein-Westfalen (NRW) etwa könne die SPD einen roten Besenstiel aufstellen, er würde gewählt werden. Lang ist’s her, davon können die Sozialdemokraten nur noch träumen. Gestern haben sie bei NRW-Kommunalwahlen mit 22,1 Prozent historisch schlecht abgeschnitten.

»Die Ergebnisse machen mich natürlich nicht glücklich«, sagte SPD-Chefin Bärbel Bas gestern. Dennoch seien die Werte kein Desaster, wie es ihrer Partei zuvor prognostiziert wurde. Ein paar Genossen sehen das anders und drängen ihre Parteispitze jetzt in die Offensive. Sie fordern, was man eben so fordert als Sozialdemokrat: Rückbesinnung auf linke Themen, Fokus auf Verteilungsfragen, bessere Bildungspolitik. Die Partei müsse sich »wieder stärker um die Brot-und-Butter-Themen kümmern – um die konkreten Anliegen der Bürgerinnen und Bürger«, sagt etwa Serdar Yüksel, Bundestagsabgeordneter aus Bochum.

Hehre Ziele, aber stand die SPD nicht immer für genau diese Themen? Mein Kollege Sebastian Fischer diagnostiziert der Partei ein tieferliegendes Problem: »Die SPD ist eine zutiefst verunsicherte Partei, auf allen Ebenen. Ihr fehlt die Story«, schreibt Sebastian. Sie verliere sich im Klein-Klein, statt das Große im Kleinen sichtbar zu machen. »Politik aber ist nicht nur Verwaltung, nicht nur Management, sondern auch eine große Erzählung, im Idealfall eine Erzählung vom besseren Morgen.«

  • Hier der ganze Leitartikel: Vorsicht, dieses Wahlergebnis täuscht 

2. Aus für die Schreibschrift?

Dass es in Deutschland kein einheitliches Schulsystem gibt, klar. G8, G9, Leistungskurse, Neigungsfächer, ESA, MSA, Realschule, Stadtteilschule – alles (Verhandlungs-)Sache der Länder. In Bayern wird jetzt hinterfragt, wie Schülerinnen und Schüler überhaupt Schreiben lernen.

Bisher lernen Erstklässler in Bayern zunächst die Druckschrift. Ende der ersten oder Anfang der zweiten Klasse wird zusätzlich eine Schreibschrift eingeführt. Doch das Kultusministerium lässt aktuell in einem Modellprojekt prüfen, ob es überhaupt sinnvoll ist, dass Kinder nach der Druckschrift noch eine Schreibschrift lernen. In anderen Bundesländern – darunter Baden-Württemberg – ist die Schreibschrift schon länger kein Muss mehr.

Meine Kollegin Silke Fokken schreibt regelmäßig über Bildungspolitik. Nach ihrer Erfahrung wird die Debatte über das Erlernen der Schreibschrift oft ziemlich emotional geführt. »Da scheiden sich die Geister«, sagt sie. Aber entscheidender als die Schriftart sei am Ende möglicherweise, »wie oft und intensiv Kinder Schreiben üben und eigenständig Texte verfassen, anstatt vorrangig Arbeitsblätter auszufüllen«.

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Bayern zieht Schreibschrift an Grundschulen in Zweifel

3. 314 Tote und Verletzte durch Streubomben

Sogenannte Streubomben enthalten teils Hunderte Minibomben, die sich, wenn sie explodieren, über große Flächen verteilen. Sie werden von Flugzeugen und Raketenwerfern abgeschossen. Viele landen als Blindgänger in Böden und töten oder verletzen Menschen noch Jahre später. Die allermeisten Opfer sind Zivilisten.

Deshalb ist der Einsatz von Streumunition in mehr als 100 Ländern geächtet. Trotzdem steigen die Opferzahlen laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). 2024 wurden weltweit 314 Menschen durch Streumunition verletzt oder getötet, davon allein 208 in der Ukraine. Im Jahr 2023 lag die Zahl der Opfer durch Streumunition weltweit noch bei 219. HRW verweist auf eine hohe Dunkelziffer, weil Verletzungen durch Streumunition nicht immer als solche registriert würden.

Die Opferzahlen sind unter anderem deshalb so stark gestiegen, weil Russland im Krieg gegen die Ukraine auf Streubomben setzt (lesen Sie hier mehr ). Auch die Ukraine soll sie eingesetzt haben. Beide Länder gehören nicht zu den Staaten, die die sogenannte Oslo-Konvention ratifiziert haben, offenbar aus Gründen.

Vor einigen Monaten trat mit Litauen zum ersten Mal ein Mitgliedsland aus dem Abkommen wieder aus. Die Regierung begründete die Entscheidung mit wachsenden regionalen Sicherheitsbedrohungen.

Lesen Sie hier die ganze Meldung: 314 Tote und Verletzte durch Streumunition

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Wirtschaftsministerium senkt Prognose für Strombedarf und kündigt Einschnitte bei Erneuerbaren an: Wie viel Strom braucht Deutschland 2030? Ein Gutachten für Ministerin Reiche rechnet mit 600 bis 700 Terawattstunden. Umweltverbände kritisieren, sie wolle den Ökostromausbau durch niedrige Prognosen bremsen.

  • Polen fordert Reparationszahlungen – und Deutschland bietet Sicherheitsgarantien: Am Dienstag wird Polens neuer Präsident Karol Nawrocki Berlin besuchen und erneut Reparationszahlungen für Kriegsschäden im Zweiten Weltkrieg fordern. Die Bundesregierung lehnt das ab – und hat dafür einen anderen Vorschlag.

  • China wirft Nvidia Verstoß gegen Kartellgesetze vor: Wie genau der Verstoß aussieht, teilt die Behörde nicht mit – nur, dass es ihn gegeben haben soll: US-Chiphersteller Nvidia erhält Gegenwind aus China. Branchenkenner vermuten ganz andere Gründe hinter dem Manöver.

Meine Lieblingsgeschichte: Auf die Plätze, fertig, backen!

Einmal einen Weltrekord aufstellen, das wär’s doch. Doch zur schnellsten Marathonläuferin schaffen es die wenigsten. Die Lösung: Man sucht sich eine nischige Kategorie ohne viel Konkurrenz. Das hat sich wohl auch eine Bäckereikette aus Hamburg gedacht, die nun das längste Franzbrötchen der Welt präsentiert. Wie das Rekord-Institut Deutschland (RID) mitteilte, sei der Weltrekord mit einer Länge von zehn Metern aufgestellt worden. »Noch nie zuvor hat sich ein Rekordaspirant an ein weltweit längstes Franzbrötchen gewagt«, heißt es in der Pressemitteilung. »Wir sind gespannt, ob die Zehn-Meter-Marke noch übertroffen werden kann.« Ein Rekord also ganz ohne Konkurrenz. Schlauer geht’s kaum.

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Von Super-Stollen, Büchsenbäumen und dem Raumwunder Trabant

Was heute weniger wichtig ist

Immer schön sauber bleiben: Prinz Harry, 41, hat über die Beziehung zu seiner Familie und die Rolle der Medien gesprochen. In einem Interview mit dem britischen »Guardian« wies er Vorwürfe zurück, er habe »schmutzige Wäsche« in der Öffentlichkeit gewaschen, indem er etwa in seinem Buch »Spare« und in Interviews Gründe für seinen Bruch mit dem britischen Königshaus genannt habe. »Mein Gewissen ist rein. Es ging nicht um Rache, sondern um Verantwortung.«

Mini-Hohl

Hier finden Sie den ganzen Hohl.

Cartoon des Tages

Und heute Abend?

Preisverleihungen sind ja oft nur Anlässe, um die guten Serien, Filme oder Alben, die man verpasst hat, doch noch zu sehen oder zu hören. Gestern wurden die Emmys, die wichtigsten US-Fernsehpreise, verliehen (mehr über den Abend lesen Sie hier ). Als beste Comedyserie des Jahres wurde »The Studio« ausgezeichnet. Insgesamt erhielt die Hollywoodsatire für ihre Debütstaffel 13 Emmys, ein neuer Rekord für eine Comedy in einem einzigen Jahr. Eine gute Gelegenheit also, heute Abend »The Studio« auf Apple TV+ anzuschauen. Mein Kollege Stefan Kuzmany war begeistert , er fand die Serie von und mit Comedian Seth Rogan »peinlich und unglaublich lustig«.
Einen schönen Abend. Herzlich

Ihre Laura Backes, Autorin

SPD-Chefin Bas auf der Wahlparty in Duisburg: Kein Desaster

Foto: Christoph Reichwein / dpa

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