Merkels Schatten
Knallrote Winterjacke, im Hintergrund Gletschereis, Sie erinnern sich: Die Bilder von Angela Merkel aus Grönland zählen zu den berühmtesten ihrer Kanzlerschaft. Damals, im August 2007 ließ sich Merkel in der Arktis öffentlichkeitswirksam über die Auswirkungen des Klimawandels unterrichten. In der Folge erhielt sie einen Spitznamen: Klimakanzlerin.
Nun gibt es sicher viele Gründe, warum der heutige Bundeskanzler nicht sonderlich gern mit seiner Vorvorgängerin in Verbindung gebracht wird. Zum einen war das Verhältnis von Merkel und Friedrich Merz über die Jahrzehnte von harten Machtkämpfen und allerlei Unfreundlichkeiten geprägt. Derzeit geht die Altbundeskanzlerin dem Jetztbundeskanzler mit ihren ständigen Wortmeldungen zur aktuellen Politik auf die Nerven. (Mehr dazu lesen Sie hier in der SPIEGEL-Titelgeschichte. )
Doch auch mit einem merkelmäßigen Klimakanzler-Image kann Merz wenig anfangen. Mit dem Kampf gegen die Erderwärmung lässt sich heutzutage politisch in Deutschland kein Blumentopf mehr gewinnen. Das weiß auch Merz. Entsprechend verdruckst geriet sein Auftritt beim Klimagipfel im brasilianischen Belém, wie mein Kollege Gerald Traufetter beobachtet hat. Bloß kein Wort zu viel über Dürren, Überschwemmungen, Hitzetote.
Mehr Hintergründe: Wie Merz auf der Weltklimakonferenz verhinderte, ein Klimakanzler zu werden
Kriegsangst im Norden
Die Botschaft, die von der Bundeswehrtagung in Berlin ausging, war ebenso klar wie düster: eine eindringliche Warnung vor der Bedrohung durch Russland. Ob Kanzler (per Video zugeschaltet), Verteidigungsminister oder Generäle: Sie alle appellierten an die Bereitschaft zur Verteidigung, an die Fähigkeit der Nato, den kriegslüsternen Wladimir Putin abzuschrecken.
Viele Szenarien beschäftigen sich mit der Frage, wie die Nato reagiert, wenn Russland an der Ostflanke der Allianz zuschlägt. Dabei wachsen mittlerweile auch auf einem ganz anderen Fleckchen Erde die Sorgen vor einer russischen Invasion: auf Spitzbergen, dem dünn besiedelten Archipel in der Arktis (mehr ).
Spitzbergen gehört zu Norwegen und damit zur Nato, ist aber demilitarisiertes Gebiet – und damit leichte Beute? Was die Lage vor Ort besonders brenzlig macht: Es leben etliche Russen hier, ein russischer Bergbaukonzern ist auf der Inselgruppe aktiv. Für Moskau ist die Gegend von strategischer Bedeutung, etwa für die eigene Atom-U-Boot-Flotte. Und Russland hat seine Propaganda gegen Norwegen zuletzt deutlich angeheizt.
Könnte Putin hier, im hohen Norden, die Nato überfallen? Ich möchte Ihnen den Report meines Kollegen Walter Mayr aus Spitzbergen ans Herz legen. Er berichtet über die Ängste vor Ort – und Vorbereitungen auf einen Angriff.
Die ganze Geschichte hier: Könnte Russland auf Spitzbergen die Nato überfallen?
Gelbhaars Comeback-Versuch
Stefan Gelbhaar will zurück. Zurück in die Politik, nach vorn gehen und den ganzen Wirbel hinter sich lassen: die Affäre um erfundene Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihn, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte und die Grünen in Aufruhr versetzte.
Heute entscheidet sich, ob Gelbhaar diese Chance bekommt. Der Politiker will im kommenden Jahr für die Grünen ins Berliner Abgeordnetenhaus einziehen, nun bewirbt er sich auf einer Versammlung seines Kreisverbandes Pankow um eine der Direktkandidaturen.
Zur Erinnerung: 2024 war Gelbhaar in Pankow zunächst für die Bundestagswahl in Stellung gebracht worden. Dann kamen die Vorwürfe auf, der RBB berichtete – falsch, wie später klar wurde. Doch da hatten die Pankower Grünen ihre Entscheidung für Gelbhaar bereits revidiert (mehr ).
Vollständig rehabilitiert ist Gelbhaar bei den Grünen heute immer noch nicht. Einige Frauen werfen ihm weiterhin grenzüberschreitendes Verhalten vor. Ob Gelbhaar sich in Pankow durchsetzen kann, scheint offen. So oder so: Der Fall dürfte bei den Grünen noch eine Weile nachwirken.
Mehr Hintergründe hier: Gelbhaar will für Abgeordnetenhaus in Berlin kandidieren
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Gewinnerin des Tages…
…ist Rama Duwaji, 28 Jahre, Künstlerin – und die künftige First Lady New Yorks. Duwajis Ehemann Zohran Mamdani hat gerade die Bürgermeisterwahl in der US-Metropole gewonnen. Und in den Tagen nach dem Triumph zeigt sich: Nicht nur Mamdani, auch seine Ehefrau Duwaji gilt für manche in den Vereinigten Staaten bereits als linke Hoffnungsträgerin. Von »unserer modernen Diana« ist sogar die Rede. Dabei hatte sich Duwaji im Wahlkampf auffallend im Hintergrund gehalten.
Das progressive Lager in den USA schien sich nach Donald Trumps Wahlsieg in einer Art Schockstarre zu befinden. Die Aufregung um Duwaji zeigt, wie groß der Wunsch dort nach neuen Heilsbringern ist. Meine Kollegen Henrik Bahlmann und Elisabeth Feuerstein schlüsseln in einem Porträt auf, was die Menschen an Duwaji fasziniert. Sie sei, schreiben die beiden, »eine Antithese zu dem Land, das Präsident Donald Trump gern hätte«.
Die heimliche Heldin von New York City
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
Trump droht mit US-Boykott des G20-Gipfels in Südafrika: Schon vor Monaten hat US-Präsident Trump seine Teilnahme am nächsten G20-Gipfel abgesagt. Stattdessen sollte Vize JD Vance nach Südafrika kommen. Doch auch danach sieht es jetzt nicht mehr aus.
Panne bei Regierungsflieger – Wadephul reist mit Hindernissen: Eigentlich wollte Außenminister Johann Wadephul mit Journalisten nach Lateinamerika und Kanada fliegen. Doch ein Regierungsflieger ist defekt. Nun wurde abgespeckt.
James Watson, Entdecker der DNA-Doppelhelix und Nobelpreisträger, stirbt mit 97 Jahren: Gemeinsam mit seinem Kollegen Francis Crick entschlüsselte James Watson die DNA und legte den Grundstein für die Gentechnik. Später sorgte er mit rassistischen Aussagen für Empörung. Jetzt ist der Wissenschaftler gestorben.
Heute bei SPIEGEL Extra: Wie kann Israel diesen Schmerz überstehen?
Die Freude war groß, als die israelischen Geiseln zurückkehrten in die Arme ihrer Familien. Jetzt arbeitet das Land am Trauma von Terror und Tod. Dabei können die Israelis auf Erfahrungen zurückgreifen, die nur scheinbar lange zurückliegen .
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihr
Kevin Hagen, Chef vom Dienst
Merkel auf Grönland-Reise im Jahr 2007: Berühmte Bilder
Foto: Michael Kappeler/ DPAFjord auf Spitzbergen: Für Putin von strategischer Bedeutung
Foto: Jonathan Nackstrand / AFPStefan Gelbhaar: Partei in Aufruhr
Foto: Michael Kappeler / dpaDuwaji, Mamdani: »Moderne Diana«
Foto: Angela Weiss / AFPJonas Opperskalski / DER SPIEGEL