Es sind die Zitate, die Bernd Neuendorf am liebsten in die Welt schickt: »Ich denke, dass wir es bisher im Großen und Ganzen ganz gut hinbekommen haben.« Das klingt geerdet, bescheiden, alles andere als großspurig, und so will der DFB-Präsident nach knapp drei Jahren im Amt auch wahrgenommen werden.
Neuendorf, am Freitag vom DFB-Bundestag ohne Gegenkandidat einstimmig und per Handzeichen wiedergewählt, ist keiner, der sich selbst in den Mittelpunkt stellt. Das unterscheidet den 64-Jährigen von manchen seiner Vorgänger, ob sie Wolfgang Niersbach oder Theo Zwanziger hießen. Der ehemalige SPD-Politiker zieht lieber im Hintergrund die Strippen, das hat er in der Politik gelernt.
Es ist auffallend still geworden
Daher wirkt Neuendorf in der Öffentlichkeit als ein unauffälliger Präsident, das ist sein großer Vorteil und seine Schwäche zugleich. Mit dieser Art hat er den Verband, in der Vergangenheit zuverlässiger Lieferant von Durchstechereien, Skandalen, Skandälchen, Intrigen, Streitigkeiten, in ruhige Fahrwasser gebracht.
Seit Neuendorf im Frühjahr 2022 in Bonn ins Amt gewählt wurde, ist es auffallend still geworden um den größten Fußballverband der Welt. In Frankfurt wird geräuschlos gearbeitet, nicht nur zur Freude der Medien, für die der DFB immer ein willkommener Berichtsgegenstand war und die sich jetzt mit Mini-Aufregern zufriedengeben müssen.
In dieser Hinsicht hat Neuendorf spürbar nach innen gewirkt, einen zwischenzeitlich unregierbar scheinenden Verband in den Griff bekommen.
Finanzmisere ist vorerst vom Tisch
Dass es ihm zudem gelungen ist, die Finanzmisere des DFB vorerst vom Tisch gebracht zu haben, gehört dazu. Als Neuendorf und sein Schatzmeister Stephan Grunwald 2022 antraten, fanden sie einen finanziell zerrütteten Verband vor. Man muss beiden zugestehen, dass sie seitdem elegant und intelligent gewirtschaftet haben: Der Ausrüsterdeal mit Nike ab 2027, der dem DFB 100 Millionen Euro pro Jahr einbringen soll, ist das Kernstück dieser Verbandspolitik.
Auf Nike zu setzen und damit den langjährigen Partner Adidas aus dem Rennen zu nehmen, gehörte zu den riskanten Manövern in Neuendorfs Amtszeit. Ein Teil der Öffentlichkeit reagierte zunächst empört, auch die Ampelregierung mischte sich ein.
Neuendorf hat den Deal trotzdem durchgezogen und es zudem geschafft, den Verlierer Adidas nicht zu verprellen. Der Preis, dass die Nationalelf bis zum Ablauf des jetzigen Ausrüstervertrags all ihre Vorbereitungen auf dem Adidas-Gelände in Herzogenaurach zu verbringen hat, ist zu verschmerzen.
Man habe den »DFB in jeder Hinsicht stabilisiert und konsolidiert«, bilanzierte Neuendorf vor den DFB-Delegierten. Und da gab er dann auch mal den Tonfall der Bescheidenheit auf: »Der DFB hat seine Reputation wiederhergestellt.«
Ein Netzwerker
Neuendorf ist ein Netzwerker, kann mit dem Bundeskanzleramt ebenso wie mit der Chefredaktion von 11FREUNDE. Mit Rudi Völler hat er sich einen einflussreichen Mann aus der Bundesliga an die Seite geholt, das Verhältnis zu dem mächtigen DFL-Boss Hans-Joachim Watzke ist zwar nicht immer ungetrübt, hält aber. Neuendorf benötigte Watzkes Unterstützung, um DFB-Chef zu werden, zeitweilig wirkten sie wie die besten Buddys. Die Diskussion über den geplatzten Investorendeal der Bundesliga hat ihre Beziehung danach belastet, aber auch damals drang nicht viel nach außen.
Bei seiner Wahl hat Neuendorf gefordert, der DFB müsse diverser werden, es müssten mehr Frauen im Verband eine Stimme bekommen. Besonders weit gekommen ist er dabei nicht. Im 16-köpfigen Präsidium sind nur drei Frauen vertreten.
Auch das Gewicht der Amateure im Vergleich zu den Profis hat sich unter Neuendorf bislang nicht signifikant erhöht. Im Gegenteil: Mit dem Aufrücken von Holger Blask zum neuen Generalsekretär sitzt künftig ein Mann an den Schalthebeln, der genuin aus dem Lager der Profiklubs beziehungsweise ihrer Vertretung, der DFL, stammt.
Ein eher stiller Präsident, das ist von Nutzen, wenn es um Verhandlungen im Hintergrund geht. Das steht im Wege, wenn es darum geht, deutliche Zeichen an die Öffentlichkeit zu senden, Haltung zu vermitteln. Nachdem Neuendorf in Katar 2022 mit seinem Versuch, sportliche Ziele mit der Vermittlung politischer Werte zu verbinden, kläglich gescheitert ist, agiert er deutlich zurückgenommener.
Der DFB winkt alles durch
Die Vergabe der WM 2034 an Saudi-Arabien hat Neuendorf mehr oder weniger stillschweigend abgenickt, da war nichts mehr von den Menschenrechtsparolen zu hören, die es beim DFB noch im Vorfeld der Katar-WM gab.
Die Volten von Fifa-Chef Gianni Infantino macht der DFB mittlerweile mit, weder von Widerstand, noch nicht mal von Widerspruch, ist etwas zu hören. Wenn Infantino sich beim US-Präsidenten Donald Trump in liebedienerischer Art anbiedert, die beim Publikum nur noch Fremdscham auslöst, bleibt der DFB-Boss still.
Die erfolglose Bewerbung des DFB um die Vergabe der Fußball-WM der Frauen ist in der Öffentlichkeit allgemein als Rache Infantinos wegen des unbotmäßigen Verhaltens des DFB in Sachen Katar gedeutet worden. Offenbar hat auch Neuendorf dies so interpretiert und hält sich mit Kritik an Infantino seitdem zurück. Das ist sicherlich diplomatischer und strategisches Kalkül, erweckt aber auch den Eindruck der Leisetreterei.
Der Präsident selbst sagt, sein Verhältnis zum Fifa-Chef sei anfangs »belastet« gewesen, heute sei es »belastbar«.
Zum DFB-Bundestag schickte Infantino seinen neuen Generalsekretär Mattias Grafström, der sich an freundlichen Worten für den DFB geradezu überbot. Der DFB sei heutzutage ein Vorbild für andere, so der Fifa-Funktionär.
Wer erwartet hat, mit dem Ex-Politiker Neuendorf bekomme der DFB wieder mehr politisches Profil und werde sich stärker in gesellschaftliche Debatten einmischen, der hat sich getäuscht. Neuendorf hat mal gesagt, er habe aus den Erfahrungen rund um die Katar-WM gelernt. Ob er das Richtige daraus gelernt hat, ist die noch offene Frage, mit der Neuendorf in seine zweite Amtszeit geht.
Bernd Neuendorf und Fifa-Boss Gianni Infantino bei der WM 2022
Foto:Martin Meissner / dpa
Bernd Neuendorf (rechts) mit Rudi Völler und Hans-Joachim Watzke
Foto: Arne Dedert / dpaDer neue DFB-Generalsekretär Holger Blask
Foto: Steinbrenner / IMAGONeuendorf als Gast beim Training der Nationalelf
Foto: Federico Gambarini / dpa