Zeitenwende, Umbruch, neue Lebensphase – für Veränderungen gibt es viele Begriffe. Manchmal sind sie auch mit Symbolen verbunden: die Ehe mit dem Ehering, die Einschulung mit der Schultüte. Für unsere 16-jährigen Zwillingstöchter beginnt jetzt auch ein neuer Abschnitt, sie sind nun in der Oberstufe. Das Abitur ist in Sichtweite. Es wird ernst, alle Noten zählen ab jetzt.
Als ich zurückgeblickt habe auf die vergangenen Abschnitte in ihrem Leben, da ist mir klar geworden, dass es für diese auch immer ein Symbol gab: die Tasche (Ötzi hatte übrigens auch schon eine ). Erst die Wickeltasche, dann in der Kita die kleine, bunte Umhängetasche für Snacks oder eine unterschriebene Einverständniserklärung für irgendetwas, die abgegeben werden musste. Die ersten Taschen habe ich ausgesucht.
Und dann kam mit der Grundschule der Schulranzen. Wir sind zu einem Hamburger Segelmacher gefahren, bei dem unsere Töchter ihren Ranzen selbst gestalten konnten, mit eigenen Farben, Mustern, Stoffen. Dazu passend gab es ein kleines Portemonnaie mit Karabinerhaken und einen Sportbeutel, und der Ranzen war viel leichter als die Klassiker auf dem Markt und etwas preiswerter. Ich finde bis heute die Ranzen wunderschön, unsere Töchter lieben sie auch. Die leuchtenden Farben symbolisieren, in meinen Augen, diese unbeschwerten Jahre.
Natürlich stand für unsere Töchter – wie offensichtlich auch für alle anderen Kinder in ihren Klassen – fest, dass man mit einem Grundschulranzen nicht das Gymnasium besuchen kann, sondern dass es ein ganz bestimmtes Modell sein muss. Auch bunt, rückenschonend, mit Sportbeutel im gleichen Design. Ein Modell, das die anderen auch hatten. Dem Gruppendruck haben wir jedenfalls nicht standgehalten, die meisten anderen Eltern auch nicht. Leider. Denn in der fünften Klasse haben die Kinder festgestellt, dass niemand aus den höheren Klassen mit einem bunten Ranzen ins Gymnasium kam, sondern viele mit den klassischen und erwachseneren Fjäll-Räven-Ranzen auf dem Rücken zum Unterricht gingen. Zum Glück wussten die Eltern der nächsten Fünftklässler das nicht, weshalb wir die bunten Ranzen gut verkaufen konnten.
Dann kam Corona mit den Schulschließungen, und anschließend begann mit der Mittelstufe ein neuer Lebensabschnitt – der Abschied von der Kindheit und die Pubertät. In dieser Phase wollte niemand mehr ein Schulkind sein, also auch keinen Ranzen tragen, sondern Schülerin oder Schüler, weshalb nun alle mit Rucksäcken in die Schule gingen, in der unkindlichen Farbe schwarz selbstverständlich, Mädchen wie Jungs. Mit der auslaufenden Pubertät wurde bei den Mädchen auch der Rucksack zum Auslaufmodell. Denn erwachsene Frauen tragen: Handtaschen (oder sie haben Rücken und laufen mit Rucksack herum, was kein besonders attraktives Vorbild ist).
Also strömten nun lauter windschiefe Gestalten morgens in die Schule, über die Schulter gehängt der große Shopper, gefüllt mit Büchern und Heften und manchmal noch einem Laptop und Sportklamotten, offensichtlich ziemlich schwer. Nicht irgendein Shopper natürlich, sondern der Klassiker Le Pliage von Longchamp , der 2024 mal wieder ein Revival feierte und zum Symbol der Gen Z wurde, und zwar international. An diesem Punkt sind viele Eltern ausgestiegen – und ihre Töchter mussten die teuren Taschen selbst finanzieren.
Nun also die Oberstufe. Ich hoffe, dass der Shopper für die beiden letzten Schuljahre noch passt. Aber so ganz sicher bin ich da nicht. Ich jedenfalls habe nun eine kleine Kollektion von praktischen Rucksäcken, die ich auftrage, und zwei kleine bunte Portemonnaies aus Segeltuch, die ich wirklich liebe. Eins davon hängt an der Hundeleine, für Leckerli und Gassibeutel. Eines Tages, glaube ich, werde ich mit einem gebrauchten Shopper herumlaufen. Vielleicht auch nicht. Ich habe leider öfter mal Rücken.
Wie haben Sie die Übergänge zwischen den verschiedenen Phasen erlebt? Was hat sich verändert, woran machen Sie das fest? Ich freue mich, wenn Sie mir schreiben an: familiennewsletter@.de.
Meine Lesetipps
Möglicherweise haben Sie nicht nur Kinder, sondern engagieren sich auch für Kinder? Dann können Sie bis zum 31. August 2025 noch Ihr Projekt beim Social Design Award einreichen, der in diesem Jahr das Motto hat »Unsere Kinder, unsere Zukunft«. Es gibt einen Jury- und einen Publikumspreis zu gewinnen, beide sind mit 2500 Euro dotiert. Die Einreichungsunterlagen finden Sie hier.
Wie gelingt eine Beziehung zwischen Müttern und Töchtern? Zuneigung zeigen, Sicherheit geben, Raum lassen, Abgrenzung ermöglichen, erklärt die Sozialpsychologin Sarah Trenzsch im Interview mit meiner Kollegin Heike Le Ker . Ich finde das einleuchtend und hoffe, dass ich unsere Töchter genug ermutigt habe, ihren eigenen Weg zu finden. Wenn ich es an ihren Taschen ablese, scheint das halbwegs gelungen zu sein.
In der Erziehung unserer Töchter gab es lange Jahre ein für mich sehr heikles Thema: Zähneputzen. Ich selbst habe als Jugendliche zu viel Lakritz und Schokolade gegessen und Haferflocken mit Kakao und Zucker – und die Zähne nicht gründlich geputzt. Mit entsprechendem Resultat. Also war mir die Zahnhygiene unserer Töchter sehr wichtig , und sie war Grund für viele Diskussionen, aber heute haben sie kariesfreie Zähne. Und obwohl sie seit Jahren zuverlässig und selbstständig die Zähne putzen, frage ich trotzdem immer wieder abends: Hast du dir die Zähne geputzt? Das kommt nicht immer gut an, kann ich sagen, und ich verstehe das. Jetzt überlege ich, ob ich ihnen den interessanten Text über die richtige Zahnhygiene maile , kommentarlos. Irgendwie kann ich nicht anders.
Im Sommerurlaub haben mein Mann und ich bei unseren Spaziergängen immer wieder weggeworfenes Plastik aufgesammelt und entsorgt. Beim Abendessen haben wir mit unseren Töchtern darüber diskutiert, wie sinnvoll es ist, angesichts dieses globalen Plastikirrsinns in Deutschland den Müll zu trennen. Sinnvoll, fanden wir alle, aber leider löst dies das globale Problem nicht .
Das jüngste Gericht
Der Urlaub ist vorbei, leider. Aber man kann den Sommer ja noch auf dem Balkon etwas verlängern, mit einem schönen Pasta-Gericht zum Beispiel. Anschließend dann ein Sommergetränk. Meine Kolleginnen haben ihre persönliche Liste mit sechs Sommerdrinks zusammengestellt, aus Dänemark oder aus der Türkei, manche sind mit Alkohol und nur für Erwachsene geeignet. An die süß-sauren Milchgetränke aus den Dänemark-Urlauben in meiner eigenen Kindheit erinnere ich mich auch noch gerne.
Mein Moment
Vor einiger Zeit habe ich darüber gesprochen, wie der schnelle TikTok-Takt die Kommunikation in unserer Familie verändert. Ähnliches hat ein Leser erlebt, der mir geschrieben hat:
»Ich habe ein Zwillingspärchen mit einem zwei Jahre älteren Bruder. Inzwischen sind sie 20 und 22, aber wir fahren jedes Jahr eine Woche gemeinsam in Urlaub, was jetzt wieder bevorsteht. Ich hatte beim Lesen mehrere Déjà-vu-Augenblicke, denn diese kurze Aufmerksamkeitsspanne von TikTok ist bei uns auch allgegenwärtig, aber ich kann Sie beruhigen: Es wird mit den Jahren besser …«
Herzlich
Ihre
Marianne Wellershoff
Shopper statt Schulranzen: Dem Gruppendruck nicht standgehalten
Foto: jacoblund / Getty ImagesGemeinsam Gemüse pflanzen und ernten: Beim Social Design Award werden Projekte zum Thema »Unsere Kinder, unsere Zukunft« gesucht
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