Country spielt eine besondere Rolle in der US-Musikszene. In Countrysongs wird oft das Leben einfacher Amerikanerinnen und Amerikaner besungen. Weil das Genre zudem viele Fans auch in konservativen Kreisen hat, kristallisieren sich um Countrystars gesamtgesellschaftliche Konflikte. Dies bekam zuletzt Zach Bryan zu spüren, derzeit einer der größten Stars der Countrymusik.
Am Wochenende postete Zach Bryan auf seinem Instagram-Account einen Songausschnitt, ein sogenanntes Snippet, von einem bisher unveröffentlichten Titel. Er wählte die unheilverheißende Bildunterschrift »the fading of the red white and blue«, das Verblassen der US-Nationalfarben also. Besonderes Aufsehen erregte der Song wegen einer Strophe, in der Bryan von einer Razzia der US-Einwanderungsbehörde ICE singt: »I heard the cops came / Cocky motherfuckers, ain’t they / And ICE is gonna come bust down your door / Try to build a house no one builds no more / But I got a telephone / Kids are all scared and all alone«.
Man könnte sagen, dass der Countrysänger damit ein verbreitetes Gefühl der Verunsicherung in US-Städten auf den Punkt bringt, insbesondere bei der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Man könnte aber auch sagen, dass er damit in ein MAGA-Wespennest hineingestochen hat.
Eine Sprecherin des Ministeriums für Innere Sicherheit, dem die ICE-Häscher unterstellt sind, wies Zach Bryan auf Anfrage des Portals »TMZ« zurecht, er möge doch bei den »Pink Skies« bleiben – eine Anspielung auf einen populären Bryan-Song, der von einer Beerdigung handelt. Übertroffen wurde die Ministeriumssprecherin dann allerdings von ihrer Kollegin aus dem Weißen Haus: Vom Magazin »Newsweek« befragt , baute Pressesprecherin Abigail Jackson gleich ein ganzes Potpourri von Zach-Bryan-Titeln in ihre Verteidigung des ICE ein:
»While Zach Bryan wants to Open The Gates to criminal illegal aliens and has Condemned heroic ICE officers, Something in the Orange tells me a majority of Americans disagree with him and support President Trump’s great American Revival. Godspeed, Zach!«
Ähnlich scharf hatten US-Regierungsstellen bereits reagiert, als Bad Bunny als Halbzeitact beim kommenden American-Football-Finale Super Bowl angekündigt worden war. Der puerto-ricanische Sänger hatte sich sehr kritisch über die Abschiebepraxis und die Rolle der ICE-Beamten darin geäußert – und deswegen das US-Festland bei seiner laufenden Welttournee ausgespart. Innenministerin Kristi Noem kündigte an, dass sie jede Menge ICE-Leute zum Super Bowl ins kalifornische Santa Clara schicken werde.
Zach Bryan dürfte das Problem vieler Countrysänger haben, dass ein Anteil seiner Fangemeinde durchaus auf Trump-Kurs liegt. Vielleicht motivierte ihn dies dazu, in seiner Instagramstory eine längere Erklärung zu dem Song mit der ICE-Zeile abzugeben. Er habe den Song schon vor Monaten geschrieben, heißt es darin. Nun sei er Teil einer »spalterischen Erzählung« geworden. Dabei gehe es ihm darin vor allem darum, wie sehr er sein Land und die Menschen darin liebe: »Wenn ihr den Rest des Songs hört, werdet ihr den kompletten Kontext verstehen«, der auf beiden Seiten einschlage.
Ausführlich betont Zach Bryan, dass er seinem Land gedient habe. Der aus einer Marine-Familie stammende Musiker verpflichtete sich mit 17 für acht Jahre bei der Navy. In dem Song habe er nicht als Politiker oder »als irgendein besserwisserisches Arschloch« gesprochen, sondern »bloß als 29-jähriger Mann, der so verwirrt ist, wie alle anderen«. Dass der Song solche Reaktionen ausgelöst habe, besorge ihn. »Um ganz deutlich zu sein, ich stehe auf keiner der radikalen Seiten«.
Im Vorfeld der Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten waren einzelne Countryhits wie »Try that in a Small Town« von Jason Aldean oder »Rich Men North of Richmond« von Oliver Anthony zu Hymnen der Wechselstimmung hochgejubelt worden. Dieses Publikum könnte Zach Bryan womöglich bereits dauerhaft verstört haben – noch bevor sein kompletter Song zu hören war.