Er hat den Dreh raus: Die ersten Kölner mochten schon aufgeatmet haben: Mit einem langen Schritt brachte Eric Martel noch den Fuß an den Ball, zwang diesen ewig gierigen Harry Kane zum Abdrehen, nachdem Michael Olise seinen Lieblingsverwerter per Steckpass in Szene gesetzt hatte. Tempo raus, neu aufbauen? Denkste. Kane drehte sich um die eigene Achse, aus der fließenden Bewegung heraus feuerte er den Ball mit dem vermeintlich schwächeren linken Fuß so kunstvoll ins lange Eck, dass Ron-Robert Zieler im Kölner Tor den Arm nicht mehr rechtzeitig hochreißen konnte (38. Minute). Ein hinreichend absurdes Tor, um Kanes famose Frühform zu unterstreichen: Wettbewerbsübergreifend steht der Engländer nach diesem Abend bei 22 Toren aus 14 Pflichtspielen.
Das Ergebnis: 4:1 (2:1) gewinnt der FC Bayern München beim aufmüpfigen 1. FC Köln. Der Rekordmeister und -Pokalsieger gewinnt damit auch das 14. Pflichtspiel der Saison und übersteht die zweite Pokalrunde, in drei der vergangenen fünf Saisons war da Schluss. Hier können Sie den Spielverlauf nachlesen.
Generationenduell: Im Bayern-Tor startete wie schon am Wochenende in Mönchengladbach ein Ex-Kölner: »Wie ein kleiner Derbysieg« hatte sich der Erfolg über die Fohlen für Jonas Urbig angefühlt. Weil Manuel Neuer im Pokal noch eine Rotsperre aus der Vorsaison absitzen muss, ging es für den 22-Jährigen ins alte Wohnzimmer. Das Kölner Tor hütete indes ein sechsmaliger deutscher Nationalspieler: Ron-Robert Zieler, 14 Jahre älter als Urbig, ist in der Domstadt Nummer zwei und Pokaltorhüter. Bei seinem letzten Länderspiel im Juni 2015 stand Zieler übrigens noch mit den Kölner Legenden Lukas Podolski und Jonas Hector sowie ARD-Experte Bastian Schweinsteiger gemeinsam auf dem Platz.
Augen auf die Highlightspieler: Eine andere Gegenüberstellung wäre die der Shootingstars. Said El Mala und Lennart Karl eint so manches: Beide sind unter 20, spielen zumeist auf dem Flügel, trafen zuletzt sehenswert für ihre Klubs und wurden von einer schockverliebten Öffentlichkeit bisweilen schon in den DFB-Kader geredet. El Mala durfte starten, rummste gleich zum Auftakt übermotiviert in Dayot Upamecano hinein (3.) und nahm sonst bei jeder Gelegenheit zumindest das Publikum mit. Karl schmorte 77 Minuten auf der Bank, man mag das als Erwartungsmanagement seitens Vincent Kompany bezeichnen.
Kölle Alarm: Die erste Münchner Angriffswelle absorbierten die Gastgeber noch mühelos, freundlich unterstützt von einem völlig drucklosen Luis-Díaz-Kopfball (8.). Dann war Köln plötzlich für eine gute Viertelstunde lang gleichwertig, vielleicht sogar die bessere Mannschaft. Ísak Jóhannesson schoss Urbig warm (12.), Jakub Kaminski feuerte eine echte Großchance ab (25.). Und dann fiel tatsächlich die Führung für den Effzeh: Ragnar Ache stieg nach einer Ecke höher als Upamecano, köpfte den ersten Treffer seit seinem Sommerwechsel aus Kaiserslautern (31.). Zurückgelegen hatten die Bayern in dieser Saison zuvor noch überhaupt nicht. Lag hier die Sensation in der Luft?
VARnehmungsprobleme: Keinesfalls. Wie schon beim Weiterkommen des BVB am Vortag half den Bayern die Technik, oder besser: deren Abwesenheit. Das deutsche Schiedsrichterwesen scheint zusehends darauf geschult, knappe Szenen mit der Genauigkeit des Videobeweises zu klären statt mit dem bloßen Auge. Doch weil es ebenjenen im Pokal erst ab dem Achtelfinale gibt, durfte Díaz nur fünf Minuten nach dem Ausgleich jubeln: Der Kolumbianer staubte nach einem Schuss von Josip Stanišić ab (36.), hatte dabei aber im Abseits gestanden.
Field Goal und Torvorlage: Am Ende dürfte dieser Fehler immerhin nur ein nerviges Detail bleiben, zu souverän spielten die Bayern danach ihre Überlegenheit aus. Nach Fehlpass von El Mala tief in der Münchner Hälfte schickte Kane Díaz für einen möglichen zweiten Treffer steil, frei vor Zieler setzte dieser den Ball aber auf eine Weise über das Torgestell, dass er im American Football drei Punkte gutgeschrieben bekommen hätte (52.). Wie man einen Doppelpack schnürt, zeigte Kane dann per Kopf nach einem Eckball (64.). Statt es ihm gleichzutun, legte Díaz dann aber doch lieber quer auf den mitgelaufenen Olise – auch so lässt sich ein verdienter 4:1-Endstand herstellen.
Erhobenen Hauptes: 1:4 verloren, ein regnerischer Oktoberabend – trotzdem hatte das Kölner Publikum nach Abpfiff nur Applaus für das eigene Team übrig, für das Linton Maina mit einem Schuss an den Innenpfosten einen zweiten Treffer kurz vor Spielende nur knapp verpasst hatte (86.). Am Wochenende wartet nun das Aufsteigerduell gegen den Hamburger SV. Ein Gegner auf Augenhöhe also, kein übermächtiges Fußballmonster wie diese Bayern. Die warten seit 2020 auf einen Pokalsieg – doch bei gleichbleibender Leistung dürfte diese Durststrecke eher früher als später ein Ende finden.
Breite Brust: Jonas Urbig hat sich in seiner Rolle als Neuer-Vertreter gut eingefunden
Foto: Federico Gambarini / dpaKnoten geplatzt: Ragnar Ache feierte sein Kölner Premierentor gegen die Bayern
Foto: Federico Gambarini / dpaAuch Michael Olise durfte sich in die Torschützenliste eintragen
Foto:Lars Baron / Getty Images