Hilfe kommt erst, wenn die Jobs schon weg sind

Der Wandel zu grünen Technologien wirkt sich in verschiedenen Regionen Deutschlands sehr unterschiedlich aus. Die Bundesregierung müsse die Kriterien der regionalen Förderpolitik deshalb dringend überarbeiten, ergab eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung . Aktuell bedroht die Transformation vor allem Industriearbeitsplätze in wirtschaftlich gut laufenden Regionen wie den VW-Hauptsitz Wolfsburg, den Süden Baden-Württembergs oder den Hochsauerlandkreis, der Heimat von Kanzler Friedrich Merz (CDU). Der Grund: Dort sitzen Unternehmen, die hohe Treibhausgasemissionen verursachen. Gewaltige Investitionen sind nötig, um den Technologiewandel zu stemmen.

Im wichtigsten staatlichen Förderinstrument, der Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftsstruktur (GRW), werden jedoch Regionen erst dann zum Fördergebiet, wenn sie bei Arbeitslosigkeit oder Bruttoinlandsprodukt pro Beschäftigten unter den nationalen Schnitt gefallen sind. Obwohl bereits 2022 der Abbau von CO₂-Emissionen als gleichrangiges Ziel im GRW eingeführt wurde, spielt er in der Realität bislang keine Rolle. Bis 2027, so die Studie, liegen die Fördergebiete mit den höchsten Investitionskostenzuschüssen fast ausschließlich in Ostdeutschland. Die meisten Gebiete, die besonders unter Transformationsdruck stehen, gehen hingegen leer aus.

Künftig sei eine »proaktive Industriepolitik« notwendig, die »den Wandel in besonders betroffenen Regionen aktiv unterstützt«, sagt der Ökonom Jens Südekum, einer der beiden Autoren. Er schlägt vor, »den erwartbaren regionalen Transformationsstress künftig als Kriterium im Verteilungsschlüssel zu verankern«. So lasse sich das Investitionsbudget aus dem neuen Sondervermögen gezielter auf besonders betroffene Regionen verteilen.

Die Regionalpolitik habe zudem großen Einfluss darauf, ob die Gesellschaft die Dekarbonisierung akzeptiere. »Wenn sich die Herausforderungen der Transformation regional stark konzentrieren, untergräbt das nicht nur die Zustimmung zur Klimapolitik, sondern fördert tendenziell auch die politische Polarisierung an der Wahlurne«, sagt Bertelsmann-Ökonom Daniel Posch. Eine Studie von 2024 zeigte: Die AfD legte in Regionen mit hohem Transformationsstress bei Bundestagswahlen besonders stark zu.

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