Wenn es im Winter richtig kalt wird, steigt die Gefahr auszurutschen. Bisher haben Forschende dieses Phänomen damit erklärt, dass das Körpergewicht über die warme Schuhsohle Druck auf das Eis ausübt, das Eis anschmilzt und rutschig wird. Das ist aber wohl falsch. Ein Forschungsteam der Universität des Saarlandes hat mithilfe von Computersimulationen jetzt gezeigt, dass weder Druck noch Reibung das Eis rutschig machen.
Die Wechselwirkung zwischen sogenannten molekularen Dipolen im Eis und denen in der Berührungsfläche, etwa der Schuhsohle, ist demnach verantwortlich für den Rutscheffekt.
Oder für Laien erklärt:
Wassermoleküle ordnen sich unter null Grad Celsius an der Oberfläche in einer regelmäßigen, geordneten Kristallstruktur an. Alle Moleküle weisen in dieselbe Richtung. Kommt jetzt etwa ein Schuh in Kontakt mit den Eismolekülen, werden diese durcheinandergebracht. Der Schuh hat an seiner Oberfläche nämlich auch Moleküle, und einige Eismoleküle richten sich dann nach diesen aus. Durch diese Verbindung wird das Eis ungeordnet, amorph und letztlich flüssig. Dadurch wird es rutschig.
»Es zeigt sich, dass weder Druck noch Reibung besonders wichtig für die Entstehung der dünnen Flüssigkeitsschicht auf dem Eis sind«, erklärt der Physikprofessor und Leiter des Forschungsteams Martin Müser in einer Pressemitteilung der Universität.
Sein Team weckt auch Zweifel an einer weiteren Annahme. »Bislang wurde angenommen, dass Skifahren bei unter –40 Grad Celsius unmöglich ist, weil es einfach zu kalt ist, dass sich unter den Skiern ein dünner schmierender Wasserfilm bildet. Auch das stimmt nicht«, erklärt der Physikprofessor.
»Dipol-Wechselwirkungen bestehen auch bei extrem niedrigen Temperaturen weiter. Überraschenderweise bildet sich selbst nahe dem absoluten Nullpunkt noch ein Flüssigkeitsfilm zwischen Eis und Ski«, so Müser.
Auf die Skier stellen sollte man sich bei –40 Grad aber trotzdem nicht. Der Rutschfilm darunter wäre zähflüssiger als Honig, ein Vorankommen schwierig.
Für die vielen, denen nach einem Sturz auf Eis das Steißbein wehtut, macht es wenig Unterschied, ob Druck, Reibung oder Dipole schuld waren. In der Physik sind solche neuen Erkenntnisse zu Alltagsphänomenen aber eine Seltenheit.
Die Illustration der Universität verdeutlicht, wie die geordnete Kristallstruktur der Wassermoleküle in Unordnung gerät.
Foto: AG Müser