Ein abgemagerter Wal wurde Ende August auf Sylt angetrieben. Der Schnabelwal hatte zuvor orientierungslos gewirkt, schwamm offenbar immer wieder im Kreis. Passanten versuchten, den Wal vom Strand wieder ins tiefere Wasser zu schieben, allerdings ohne Erfolg. Der Wal wurde kurz darauf mit Genehmigung der obersten Artenschutzbehörde erschossen. Rettungsversuche waren wegen »des schlechten Allgemeinzustandes« nicht mehr unternommen worden.
Was ist über den Fall bekannt? Wie oft werden Wale auf deutschen Inseln angespült? Der Überblick.
Warum konnte das Jungtier nicht überleben?
Der Kadaver des gestrandeten Wals wurde an das Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) in Büsum der Tierärztlichen Hochschule Hannover transportiert und dort seziert. »Es handelt sich um ein neonates Tier, das wahrscheinlich noch von der Mutter abhing«, sagte Lotta Striewe, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ITAW, der Nachrichtenagentur dpa. Das männliche Jungtier sei stark abgemagert gewesen. »Der hatte nicht viel Fett.« Der erste Verdacht sei, dass das mutterlose und kranke Tier keine Chance hatte, zu überleben, weil es die Muttermilch benötigte, sagte die Tierärztin.
Proben werden jetzt im Labor in Hannover untersucht, um mehr über mögliche Infektionen und den Gesundheitszustand zu erfahren. Die wissenschaftliche Auswertung wird laut Striewe einige Wochen in Anspruch nehmen.
Um welche Art von Wal handelt es sich?
Bei dem auf Sylt getöteten Wal handelt es sich laut ITAW um einen Nördlichen Entenwal, diese Art gehört zur Familie der Schnabelwale. Ausgewachsen können die scheuen Tiere eine Größe von knapp zehn Metern erreichen. Über diese Gruppe der Wale sei bisher nur wenig bekannt, da sie ausschließlich ozeanisch leben und nur selten in Küstennähe gesehen werden. Diese Walart sei demnach eine Ausnahmeerscheinung in der Nordsee und der Ostsee.
Stranden Schnabelwale häufig?
Aus den vergangenen Jahrhunderten sind von der deutschen Nordseeküste sieben Strandungsereignisse von Schnabelwalen bekannt. Seit Ende Juli stranden laut dem Niederländischen Strandungs-Netzwerk »SOS Dolfijn« entlang der europäischen Küsten gehäuft Schnabelwale – unter anderem in Schottland, Irland, den Niederlanden und Schweden. Der Sylter Schnabelwal ist der 13. Fund. Die Ursachen für diese ungewöhnliche Häufung sind demnach noch unklar und sollen untersucht werden.
Wie oft werden Wale auf deutschen Inseln angespült?
In den vergangenen Monaten wurden laut Nationalparkverwaltung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer »mehrere ungewöhnliche Sichtungen und Strandungen gemeldet«. Allein in diesem Jahr wurden demnach drei Großwal-Kadaver aus der Nordsee vor Sylt geborgen: Neben dem Schnabelwal jetzt im August waren es außerdem ein Pottwal im Februar und ein Zwergwal im Juni.
Zusätzlich werden demnach jedes Jahr mehrere Schweinswale auf Sylt angespült. Für dieses Jahr liegen die Zahlen bisher nicht vor – 2023 waren 87 tote Schweinswale auf Sylt geborgen worden.
Auf der unbewohnten Insel Minsener Oog südöstlich von Wangerooge war im Februar ein toter Buckelwal entdeckt worden. Im Mai strandete in Sankt Peter-Ording ein toter Buckelwal und auf Minsener Oog ein toter Zwergwal.
Unter anderem Strandungen von Zwergwal-Kadavern kommen an den Nordseeküsten immer wieder vor. Laut Schutzstation Wattenmeer gab es etwa 2013, 2014, 2016 und 2021 Strandungen auf Sylt und 2018 vor Sankt Peter-Ording.
An der Ostseeküste zwischen Boltenhagen und Groß Schwansee im Landkreis Nordwestmecklenburg haben Mitglieder der Umweltschutzorganisation BUND in den vergangenen Wochen in zwei Fällen abgetrennte Flossen von Schweinswalen am Strand gefunden. Die kleinen Wale waren vermutlich in ein Fischernetz geraten und dort verendet.
Totfunde von Schweinswalen seien laut Umweltschützern an der deutschen Ostseeküste keine Einzelfälle. Meeresschützer hätten auch in Vorjahren abgetrennte Schweinswalteile in der Lübecker Bucht entdeckt.
Stranden mehr Wale?
Die Strandung großer Wale sei zum Glück selten, komme aber immer wieder vor und ist auch schon seit vielen Jahrhunderten dokumentiert, teilt die Nationalparkverwaltung mit. Es stranden demnach fast jährlich einzelne Wale an der Küste von Sylt. In der Regel handelt es sich dabei um Zwergwale. »Eine auffällige Zunahme der Walstrandungen ist nicht zu erkennen.«
Was sind die Todesursachen?
Die Ursachen der Walstrandungen lassen sich in der Regel nicht ermitteln. »Es gibt eine Vielzahl an Theorien, die sich damit beschäftigen, welche Ursachen zu einer Großwalstrandung führen können«, teilt die Nationalparkverwaltung mit.
Zu den Haupttheorien gehören demnach:
Infektionskrankheiten (Orientierungslosigkeit durch Befall des Gehirns oder Gehörs),
Schadstoffbelastungen (Schwächung der Wale und Orientierungslosigkeit),
Lärm,
Sonnenstürme oder Wetterereignisse (Verschiebung der Nahrungsvorkommen).
Eine mögliche Todesursache könne auch sein, dass sich die Wale in Fischereigeräte verwickelten.
Pottwal vor Sylt, Buckelwal in Sankt Peter-Ording, Zwergwal bei Wangerooge: An den Küsten finden sich in diesem Jahr ungewöhnlich viele tote Wale. Für Tierpathologin Friederike Attig bedeutet jeder Kadaver: Arbeit. Mehr dazu lesen Sie hier.
Toter Wal auf Sylt
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Seehundjäger vor dem erschossenen Wal
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