Um es gleich vorwegzunehmen: Brasilien hat sich einen schlechten Moment ausgesucht, um als Gastgeber einer Uno-Klimakonferenz (COP) zu glänzen. In acht Wochen will die brasilianische Regierung in der Amazonas-Stadt Belém das jährliche Treffen der fast 200 Länder ausrichten. Es ist eine hochsymbolische Veranstaltung: die 30. ihrer Art, zehn Jahre nach der Einigung auf das historische Pariser Abkommen und dann auch noch im Amazonaswald, der grünen Lunge des Planeten.
Die Regierung von Lula da Silva kämpft mit einer ganzen Reihe von Problemen, die den Gipfel zu einem Desaster werden lassen könnten. Zuerst wäre da die Logistik: Es fehlen 18.000 Betten, um die erwarteten 50.000 Teilnehmer zu beherbergen. Die Preise für private Unterkünfte auf Plattformen wie Airbnb sind explodiert, es werden abgerockte Zimmer für mehrere Tausend Euro angeboten. »Eine ›Suite‹ in der Nähe des COP30-Veranstaltungsorts in einer Einrichtung, die üblicherweise als »Liebeshotel« beworben wird, bot man auf der offiziellen Gipfel-Plattform für 570 Dollar pro Nacht (!) für den zweiwöchigen Gipfel an«, schreiben britische Journalisten des Onlinemagazins »Climate Home«. Normalerweise würde man dort 20 Dollar pro Nacht oder sechs Dollar pro Stunde zahlen.
Brasilien plant, Kreuzfahrtschiffe als zusätzliche Unterkünfte bereitzustellen. Doch auch dort sind die Preise mit bis zu 600 Dollar pro Nacht astronomisch. Abgesehen davon, dass man den symbolischen Ort im Amazonaswald durch die energiefressenden Kreuzfahrtschiffe konterkariert. Zudem ist auch der Flughafen von Belém nicht auf den zu erwartenden Anstieg des Flugverkehrs vorbereitet, per Bahn ist der Ort ohnehin kaum zu erreichen. Nun drohen einige Länder damit, ihre Delegationen zu verkleinern, gerade ärmere Länder können die Kosten nicht stemmen. Auch die Zivilgesellschaft, die endlich wieder auf einen Gipfel in einem demokratischen Land hoffte, etwa um frei zu demonstrieren, hat Probleme bei der Anreise. Die vergangenen drei Klimagipfel fanden in autokratischen Staaten statt.
Angeblich hätten laut Medienberichten einige Delegationen offiziell darum gebeten, den Gipfel in eine andere Stadt zu verlegen, falls keine Lösung gefunden werde. Die französische Zeitung »Le Monde« konnte eine Umfrage der Uno von Mitte August einsehen, wonach nur 18 Länder Unterkünfte gebucht haben, überwiegend Industrienationen, und 87 Prozent der Staaten bisher aus Preisgründen nicht wissen, wo sie übernachten.
Präsident Lula hält jedoch an Belém fest und betont die Symbolkraft der Amazonasregion. Mittlerweile dürfte es auch zu spät sein für einen Plan B.
Sinnkrise und PR-Pannen
Doch die Brasilianer haben auch inhaltliche Probleme: Es gibt nichts zu beschließen. Die wichtigsten Regeln des Pariser Abkommens – von Zielvorgaben über Emissionspläne und Bestandsaufnahmen bis zu Klimafinanzierungszielen – sind bereits verabschiedet. Das stellt die jährlichen Treffen vor eine existenzielle Frage: Welchen Zweck erfüllen die Veranstaltungen, wenn es kaum noch etwas zu verhandeln gibt?
»Es beginnt eine neue Ära der Klimakonferenzen. Verhandelt werden nicht mehr die Grundlagen, jetzt geht es um die Umsetzung. In dieser Phase sind Akteure wie die USA nicht mehr ganz so entscheidend«, sagte die brasilianische Exekutivdirektorin der COP30, Ana Toni, noch im Mai im SPIEGEL-Interview . Seitdem hat sich die Lage aber eher zugespitzt. Die Identitätskrise der COP wird durch das Rollback in der Klimapolitik weltweit derzeit noch verschärft. Denn auch für die Umsetzung braucht man eine gute Zusammenarbeit:
Die USA unter Donald Trump haben sich erneut aus dem Pariser Abkommen zurückgezogen und untergraben die Autorität internationaler Institutionen und Uno-Treffen. Unter Trump verfolgen die USA eine Politik der »Rekarbonisierung« und haben die Klimafinanzierung eingestellt.
Gleichzeitig bleibt Chinas Rolle ambivalent. Der Ausbau der Erneuerbaren schreitet voran. Aber das Land hat im ersten Halbjahr 2025 so viele Kohlekraftwerke neu ans Netz genommen wie seit neun Jahren nicht mehr.
Indien beharrt weiterhin auf seinem Recht auf Entwicklung, auch wenn es gleichzeitig in Erneuerbare investiert.
Russland und Saudi-Arabien blockieren weiter die Fortschritte bei der Abkehr von fossilen Brennstoffen.
Die EU ist zerstritten. Die Stimmen derer, die Teile des europäischen Klimapakets, den Green Deal, abwickeln wollen , werden lauter. Doch wie wollen die Europäer glaubhaft die Welt von mehr Klimaschutz überzeugen, wenn sie ihre selbst gesteckten Ziele wie das Verbrenner-Aus – das faktische Verbot neuer Benziner und Dieselautos für 2035 – kippen? Zudem drängt sich der Verdacht auf, dass die EU ihre Klimaziele zugunsten von Energiesicherheit und militärischer Aufrüstung zurückgestellt hat.
Und der Gastgeber selbst hat sich auch nicht gerade mit Klima-Ruhm bekleckert. Er steht wegen der Ausweitung seiner Öl- und Gasproduktion in der Kritik. Bereits im Juni wurde bekannt, dass die brasilianische Öl-Regulierungsbehörde die Explorationsrechte für 172 Ölfelder größtenteils vor der Küste des Landes – eine Fläche von 146.000 Quadratkilometern – versteigern will. Klimaaktivisten nennen es die »Weltuntergangsauktion«.
Kritik erntete das COP-Team auch, weil es seit Februar durch das PR-Unternehmen Edelman unterstützt wird. Die Berater stehen sonst großen Agrarkonzernen oder Ölkonzernen wie Shell zur Seite . Laut britischen Medien soll Edelman bereits einen mehr als 800.000 US-Dollar schweren Auftrag erhalten haben, um »eine strategische Erzählung« für den Gipfel zu entwickeln« und PR-Krisen beim Gipfel auszubügeln.
Neuer Fahrplan für den Ausstieg aus Öl und Gas?
Bisher haben übrigens auch nur wenige Länder neue Klimaziele eingereicht, die Frist war eigentlich im Februar abgelaufen. Bis November werden jedoch noch einige erwartet, darunter von der EU und China.
Beunruhigend ist zudem, dass die Regierungen seit der COP28 in Dubai (2023) ihr Versprechen, aus Öl und Gas auszusteigen, explizit nicht wiederholt haben. So konnte etwa Saudi-Arabien auf der vergangenen Konferenz in Aserbaidschan jeden Fortschritt in diese Richtung verhindern.
Hoffnung macht immerhin, dass die brasilianische Umweltministerin Marina Silva das Thema wieder auf die Agenda heben will: »Etwas, das uns die Perspektive zurückgibt, wäre die Gründung einer Gruppe, um zur nächsten COP mit den Grundlagen für einen Fahrplan zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und zur Beendigung der Abholzung zu kommen«, so Silva im Gespräch mit dem SPIEGEL. Lesen Sie das Interview hier .
Zusammen mit meinem Kollegen Gerald Traufetter werde ich von der COP30 in Belém für Sie berichten – wir haben sogar schon Zimmer ergattert.
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Bleiben Sie zuversichtlich!
Ihre Susanne Götze
Redakteurin Wissenschaft
COP30 im Amazonas: Astronomische Hotelpreise für abgerockte Zimmer
Foto: Jorge Saenz / APStadtpark in Belém: In zwei Monaten sollen hier bis zu 50.000 Gäste aus aller Welt tagen
Foto: Wagner Santana / REUTERSUmstrittene Konferenzstätte: Belém im brasilianischen Amazonaswald
Foto: Jorge Saenz / AP