Menschen in Deutschlands Grenzregionen leben kürzer als ihre Nachbarn

Die Lebenserwartung in Deutschland ist niedriger als in vielen anderen Ländern. Eine Untersuchung von Wissenschaftlern unter anderem des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) zeigt nun: Selbst zwischen Grenzregionen benachbarter Länder bestehen deutliche Unterschiede – und sie erweisen sich über die Zeit hinweg oft als sehr stabil.

Die Untersuchung wurde im Fachblatt »European Journal of Epidemiology « veröffentlicht.

Besonders deutlich wird der Unterschied den Forschenden zufolge im Vergleich mit der Schweiz: Männer, die in Grenznähe auf deutscher Seite leben, haben im Schnitt eine um 2,2 Jahre geringere Lebenserwartung als Schweizer im Grenzraum zu Deutschland. Ein ähnliches Bild zeigt sich aber auch an der Grenze zu den Niederlanden und Dänemark, wo deutsche Männer im Schnitt eine um 1,8 Jahre niedrigere Lebenserwartung verzeichnen. Bei den Frauen treten die größten Unterschiede der Studie zufolge im Vergleich zu Frankreich (-1,5 Jahre), der Schweiz (-1,4 Jahre) und Dänemark (-1,1 Jahre) auf.

Vernetzte Regionen

Die untersuchten Nachbarländer weisen den Forschenden zufolge auf jeweils beiden Seiten der Grenze eine ähnliche sozioökonomische Bevölkerungsstruktur auf, mitunter sind die Regionen, wie im Fall der Schweiz, etwa durch Pendelverkehr eng verbunden. »Umso bemerkenswerter ist es, dass entlang der deutsch-schweizerischen Grenze deutliche Unterschiede in der Lebenserwartung bestehen«, sagte Michael Mühlichen, Mitautor der Studie. Die Grenzräume zu Polen und Tschechien wurden in der aktuellen Studie nicht betrachtet.

Aber wie lässt sich die unterschiedliche Lebenserwartung erklären?

Unter anderem mit Unterschieden in Gesundheitssystemen und -politik, sagt Mühlichen. Diese führten zu einer unterschiedlichen Effizienz, etwa bei der Früherkennung und Behandlung von Krankheiten und der Eindämmung riskanter Lebensstile und Verhaltensweisen. »Deutschland hat in dieser Hinsicht in den zurückliegenden Jahrzehnten sukzessive den Anschluss an die Nachbarn im Norden, Süden und Westen verloren«, so Mühlichen.

Zu den Faktoren, die den Lebensstil betreffen, gehören etwa Rauchen, Alkoholkonsum, Ernährung, Bewegung oder Stress. »In Deutschland ist insbesondere die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Vergleich mit den Nachbarländern erhöht«, sagt Mühlichen, »was auf alle genannten Faktoren zurückzuführen sein kann.«

Auch bezogen auf ganz Deutschland fällt die durchschnittliche Lebenserwartung im westeuropäischen Schnitt zurück. Im Jahr 2000 lag der Rückstand noch bei rund 0,7 Jahren, nur rund zwei Jahrzehnte später vergrößerte er sich um durchschnittlich ein ganzes Jahr, wie eine Studie im vergangenen Jahr zeigte. Mehr dazu lesen Sie hier .

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, der Rückstand der Lebenserwartung in Deutschland habe sich in rund zwei Jahren um durchschnittlich ein ganzes Jahr vergrößert. Tatsächlich bezieht sich das auf einen Zeitraum von rund zwei Jahrzehnten. Wir haben den Fehler korrigiert.

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