Der Baumbestand in Deutschland schrumpft laut neuester Satellitendaten weiter dramatisch. Wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mitteilte, gingen von Herbst 2017 bis 2024 mehr als 900.000 Hektar Wald verloren. Das entspreche rund 8,5 Prozent der gesamten deutschen Waldfläche.
Die Verluste haben sich seit 2021 fast verdoppelt, berichtet das DLR. Ein möglicher Wiederbewuchs ist laut dem Team dabei nicht berücksichtigt, denn dazu seien die Jungpflanzen während des siebenjährigen Beobachtungszeitraums noch zu klein.
Die Daten decken sich mit früheren Erhebungen. Doch es gibt auch leichte Abweichungen.
Verlust des Kronendaches bis zu 45 Prozent
Besonders stark betroffen von Waldschäden sind der DLR-Auswertung zufolge der Harz, Südwestfalen und der Südosten von Thüringen. Dort lag der Anteil des sogenannten Kronendachverlusts am gesamten Wald teilweise deutlich über 30 Prozent. Im Landkreis Sonneberg (Thüringen) betrug der Verlust zwischen 2017 und 2024 sogar knapp 45 Prozent. Im Oberbergischen Land (Nordrhein-Westfalen) und dem Landkreis Harz (Sachsen-Anhalt) lagen die Verluste bei rund 36 Prozent. Für die Bundesländer insgesamt sind die Werte geringer.
»Umwelteinflüsse und Schädlingsbefall haben in unseren Wäldern deutliche Spuren hinterlassen«, sagte die Vorstandsvorsitzende des DLR, Anke Kaysser-Pyzalla. Ungewöhnlich starke Dürreperioden, Hitzewellen und Stürme hätten Deutschlands Wäldern in den vergangenen Jahren zugesetzt.
Umfassende Waldbeobachtung
Dass vor allem die Mitte Deutschlands betroffen ist, hat auch eine Studie des Helmholtz-Instituts für Umweltforschung (UFZ) im vergangenen Jahr gezeigt. Regionen wie der Harz, der Thüringer Wald, das Sauerland oder die Sächsische Schweiz wiesen demnach ab dem Jahr 2019 vermehrt Waldschäden aus, heißt es in einer Analyse. Besonders groß seien die Schäden in den Wäldern der Mittelgebirgsregionen, in denen nach 1945 Fichten gepflanzt wurden. Doch auch bei Kiefern, Buchen und Eichen gebe es regional starke Ausfälle.
Die neuen Satellitendaten des DLR zeigen derweil, dass Waldverluste nicht nur in den Dürrejahren zwischen 2018 und 2021 zu verzeichnen waren, sondern dass sich der Waldverlust danach fortsetzte.
Das Thünen-Institut erhebt jährlich den Waldzustandsbericht . Dafür wird in einem systematischen Stichprobennetz der Kronenzustand und damit die Vitalität deutscher Wälder bewertet. Nach dem aktuellen Bericht war demnach nur etwa jeder fünfte Baum in Deutschland ohne Kronenschaden. Die nach Schäden wiederaufzuforstende Fläche bezifferte das Thünen-Team zuletzt auf rund 490.000 Hektar.
Interaktive Waldkarten
Um auf den Rückgang des Waldes besser reagieren zu können, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt eine Onlineplattform namens »EO Wald« freigeschaltet, mit der Holzwirtschaft, Kommunen und Politik Zugriff auf die Daten erhalten. Dafür haben Expertinnen und Experten mehrere Zehntausend Datensätze im Monatsrhythmus analysiert.
Dank der räumlich und zeitlich hohen Auflösung lässt sich auf interaktiven Karten nachvollziehen, wo und wann wie viel Wald verloren ging. Dies hilft auch, die Ursachen besser zu identifizieren.
Verluste, die sich kreisförmig ausbreiten, deuten auf Schädlinge hin, geometrische Flächen hingegen auf Ernten. Durch die genauen zeitlichen Informationen lassen sich verschiedene Ereignisse – wie Waldbrände, Sturmereignisse oder gezielte Maßnahmen zum Ausbau von Infrastruktur – exakt verorten.
Wetterstress für Wälder bleibt hoch
Extreme Wetterereignisse wie ungewöhnlich starke Dürre- und Hitzeperioden werden nach Ansicht des DLR in Hinblick auf den globalen Klimawandel weiter zunehmen. Die in Deutschland dominierenden Fichtenwälder hätten durch die trockene Hitze und die dadurch begünstigten Borkenkäfer-Populationen bereits drastische Verluste erlitten. Diese Entwicklung werde sich in den kommenden Jahren voraussichtlich fortsetzen.
Mischwälder seien resilienter und wiesen eine bessere Risiko-Verteilung auf. Biodiversität und eine gemischte Waldstruktur mit jungen wie auch alten Bäumen sind daher laut Fachleuten wichtig für gesunde Wälder.
Vom Borkenkäfer befallene Fichten stehen in einem Waldstück am Rande der Sächsischen Schweiz, 2021
Foto: Sebastian Kahnert / dpa-Zentralbild / dpa