Die Vogelgrippe hat sich nach Angaben des für Tierseuchen zuständigen Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) mittlerweile fast über ganz Deutschland ausgebreitet. Mit Ausnahme des Stadtstaats Bremen seien bei toten Wildvögeln aus allen anderen Bundesländern Infektionen mit dem hochansteckenden Virus-Subtyp H5N1 nachgewiesen worden. Nachdem zuletzt auch aus Bayern und Baden-Württemberg Infektionsfälle gemeldet wurden, seien inzwischen kommerzielle Geflügelhalter in acht Bundesländern betroffen, heißt es offiziell.
»Wir registrieren ein sehr dynamisches Infektionsgeschehen, nicht nur bei Kranichen, sondern auch bei anderen Vogelarten«, sagte eine Sprecherin des bei Greifswald ansässigen Instituts. Der Höhepunkt des Vogelzugs stehe noch bevor. Damit ist laut FLI für Tierhalter die Gefahr, dass die Vogelgrippe, auch als Geflügelpest bekannt, in ihre Bestände eingeschleppt wird, weiterhin groß.
Lesen Sie hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Ausbruchsgeschehen.
Was ist die Vogelgrippe?
Aviäre Influenza, abgeleitet vom lateinischen Begriff für Vogel (avis), ist eine durch Viren ausgelöste Infektionskrankheit, die vor allem bei wild lebenden Wasservögeln anzutreffen ist. Gefährlich ist nach Angaben des Instituts die hochansteckende Virusvariante HPAIV, die derzeit als H5N1 grassiert. Sie führt bei infizierten Tieren in der Regel zu schweren Verläufen und endet oft tödlich.
Ist die Krankheit auch für Menschen gefährlich?
Bis jetzt sind in Deutschland keine Fälle bekannt, in denen sich Menschen durch kranke Vögel oder deren Kot angesteckt haben. Gleichwohl gab es in der Vergangenheit bereits Fälle von Infektionen bei Menschen. In den USA etwa hatten sich in der Vergangenheit Mitarbeiter von Geflügelbetrieben infiziert. Das liegt daran, dass das Virus bei einer hohen Infektionsdosis prinzipiell auf Menschen übertragbar ist.
Auch wenn es immer wieder zu »sporadischen Infektionen« bei Menschen komme, wird laut FLI nach aktueller Einschätzung eine Übertragung auf die allgemeine Bevölkerung in Europa weiterhin als gering eingestuft.
Die Betroffenen leiden nach jetziger Kenntnis oft unter extremen Atembeschwerden und grippeähnlichen Symptomen.
Kontakt zu toten Vögeln sollte vorsorglich in jedem Fall vermieden werden, sagen Experten. Damit lasse sich auch verhindern, dass das Virus eventuell durch den Menschen verbreitet wird.
Für »beruflich exponierte Gruppen« gehen die Fachleute von einem »geringen bis moderaten Risiko« aus. Ihnen wird empfohlen, Biosicherheitsmaßnahmen strikt einzuhalten. Dazu zählt etwa, Schutzkleidung zu tragen und Hygienevorkehrungen zu beachten.
Kann das Virus durch Geflügelprodukte übertragen werden?
Das ist nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung grundsätzlich nicht auszuschließen. Doch lägen bisher keine Erkenntnisse vor, die belegen, dass sich Menschen über Lebensmittel mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert haben. Das Institut empfiehlt, Fleisch gut durchzubraten, da das Virus empfindlich gegenüber hohen Temperaturen ist. Auch im Kern sollte eine Temperatur von mindestens 70 Grad erreicht werden. Bei gekochten Eiern sollte darauf geachtet werden, dass sowohl Eiweiß als auch Eigelb fest sind.
Inwieweit sind Wildvögel betroffen?
Das FLI erfasste bundesweit bislang 29 Ausbruchsherde bei Wildvögeln. Dabei zeigte sich, dass in dieser Saison vor allem Kraniche betroffen sind. Eine solche Häufung verendeter Tiere sei zuvor nicht beobachtet worden, hieß es. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass bisher etwa 2000 Kraniche auf dem alljährlichen Vogelzug nach Süden in den deutschen Rastgebieten an der Geflügelpest verendeten.
Allein in Nordbrandenburg wurden nach Behördenangaben zwischenzeitlich mehr als 1000 tote Kraniche geborgen, die Suche hält an. An einem Stausee an der Landesgrenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt fanden sich mehr als 500 tote Tiere, etwa 100 in der Mecklenburgischen Seenplatte. Der Höhepunkt der Kranichrast wird erst erwartet, sodass Fachleute mit einer deutlich höheren Zahl toter Tiere rechnen.
Laut dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) ist anzunehmen, dass sich die Kraniche an Rastplätzen bei Wasservögeln mit der H5N1-Variante des Geflügelpestvirus angesteckt haben. »Wir wissen nicht, ob die Übertragung auf Kraniche erst in Deutschland stattfand oder – was wahrscheinlicher ist – bereits im Baltikum oder in Polen«, sagt Nabu-Kranichexperte Günter Nowald. Bis vor wenigen Jahrzehnten war das Geflügelpestvirus auf Enten und Gänse beschränkt. Dann ist es immer mehr mutiert, bis es zuerst auch Hühner befiel, später zahlreiche weitere Vogelarten und inzwischen sogar Säugetiere.
Wildenten indes zeigen laut FLI bei einer Geflügelpestinfektion inzwischen nicht mehr unbedingt schwere Krankheitssymptome oder sterben daran. Da verschiedene Arten bereits in den zurückliegenden Jahren betroffen gewesen seien, könne es in deren Populationen schon eine teilweise Immunität geben.
Welche Folgen hat die Vogelgrippe für kommerzielle Tierhalter?
Am Donnerstagabend meldete Baden-Württemberg einen betroffenen Geflügelbetrieb im Alb-Donau-Kreis südöstlich von Stuttgart, in dem rund 15.000 Tiere getötet werden. Für den Monat Oktober registrierte das FLI bislang bereits mehr als 15 Ausbrüche in Nutzgeflügelhaltungen. Ob der jüngste Ausbruch mitgezählt ist, war zunächst unklar.
Folgenschwer waren auch zwei Fälle in Mecklenburg-Vorpommern. Dort mussten nach Angaben des Schweriner Landwirtschaftsministeriums in zwei Großbetrieben mit Legehennen knapp 150.000 Tiere vorsorglich getötet werden. Bereits Mitte Oktober waren im niedersächsischen Landkreis Cloppenburg 20.500 Puten gekeult worden. Den finanziellen Schaden können Halter bei der Tierseuchenkasse geltend machen.
Die derzeit hohe Viruslast bei Wildvögeln erhöht das Risiko eines Eintrags in Geflügelbestände bundesweit erheblich, heißt es vom FLI. Das Institut schätzt, dass in diesem Herbst bislang mehr als 200.000 Hühner, Gänse, Enten und Puten nach Geflügelpestausbrüchen in den jeweiligen Haltungen getötet und entsorgt wurden, um die Ausbreitung der Seuche einzudämmen. Die Gesamtzahl der seit Jahresbeginn wegen Vogelgrippe getöteten Nutztiere liege jedoch höher, hieß es.
Was können Betriebe zur Minderung der Infektionsgefahr tun?
Die Behörden appellieren an Geflügelhalter, die empfohlenen Hygieneregeln penibel umzusetzen, insbesondere Desinfektionsmaßnahmen und Kleidungsvorschriften. Kontakte des Hausgeflügels zu Wildvögeln und deren Ausscheidungen sollen vermieden, die eigenen Tiere möglichst in Ställen untergebracht werden. Die Fütterung solle nur an Stellen erfolgen, die für Wildvögel unzugänglich sind. In den vom Ausbruchsgeschehen bereits betroffenen Regionen werden temporär Schutzzonen eingerichtet, in denen strengere Regelungen gelten.
Was ist beim Vogelfüttern zu beachten?
Futterstellen sollten so konstruiert sein, dass das Futter nicht durch den Kot der Tiere verunreinigt werden kann. Häuschen mit einer Fläche für das Futter sind also eine schlechte Wahl.
Besser: Silo-Lösungen, bei denen man hinter einem Glas sieht, wie viel Futter noch drin ist und bei denen die Vögel aus einem kleinen Schlitz ihr Futter herauspicken können.
Ebenfalls besser in Sachen Hygiene: Knödel zum Aufhängen.
Wasservögel zu füttern, sehen Experten ohnehin kritisch. Nun aber noch mehr: »Überall, wo es zur Ansammlung von Vögeln kommt, steigt die Gefahr der Ansteckung – und die passiert bei der Vogelgrippe schnell«, warnt Martin Rümmler, Vogelschutzreferent beim Naturschutzbund (Nabu). Am besten ist es also, auf das Füttern zu verzichten.
Was sollten Hundehalter beachten?
Laut dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit stecken sich Hunde und Katzen eher selten mit dem Virus an, denn dafür sei eine hohe Viruslast nötig. Hundehalter sollten dennoch aufpassen, dass ihre Tiere nicht in Kontakt mit Vögeln oder Vogelkot kommen, um die Ausbreitung nicht noch weiter anzutreiben. Das heißt: Das Haustier sollte Vögel nicht aufschrecken oder einen Kadaver ins Maul nehmen.
Gibt es Impfstoffe gegen die Vogelgrippe?
Solche Impfungen waren innerhalb der EU lange nicht zugelassen. Nach Angaben des FLI gibt es aber Impfstoffe für Geflügel, die insbesondere in Frankreich mit einer Sondergenehmigung bei Enten und Gänsen schon zum Einsatz kommen. Die Impfung von Geflügel ist allerdings mit umfangreichen Überwachungsmaßnahmen verbunden und eignet sich daher aus Sicht des FLI nur für bestimmte Geflügelarten, Enten und Gänse in Freilandhaltung etwa oder für Zoovögel. Ungeeignet sei sie für die Masthähnchenproduktion.
In einem Putenmastbetrieb in Roskow im Amt Beetzsee (Kreis Potsdam-Mittelmark) brach im Oktober 2025 die Geflügelpest aus
Foto: Michael Bahlo / dpaKraniche fliegen alljährlich im Herbst aus dem Baltikum ein und rasten vor ihrem Weiterflug in den Süden zwischen Darß, vorpommerschem Festland und der Insel Rügen
Foto: Stefan Sauer / dpaGänse stehen auf einer Weide im Nordharz
Foto: Matthias Bein / dpa