Im Moment läuft es noch so: Man will etwas wissen, tippt das in eine KI-Anwendung ein, etwa in ChatGPT, und bekommt eine Antwort. Was aber, wenn jemand mit Absicht den Spieß umdreht und beginnt, die KI die Fragen stellen zu lassen ? Oder sie gar auffordert, sich ganz neue auszudenken?
Mit dieser Möglichkeit befasst sich der Quantenphysiker Mario Krenn, der in seiner Forschung an der Universität Tübingen genau das vorantreiben will: die kreative KI.
Genauer: eine künstliche Intelligenz, die Wissenschaftlern dabei helfen soll, auf Fragen und Studiendesigns zu kommen, die ihnen sonst nicht eingefallen wären.
Was aber kann die KI, was dem Wissenschaftler fehlt? Das haben meine Kollegen Marc Hasse und Martin Schlak im SPIEGEL-Gespräch mit Krenn erörtert.
»Experimente in der Quantenphysik bestehen oft aus vielen verschiedenen Bauteilen, aus Lasern, Strahlteilern oder Spiegeln«, erklärt Krenn. »Mit einer kleinen Zahl von Teilen kann man wahnsinnig viele unterschiedliche Kombinationen aufbauen. Mit nur fünf Elementen bereits mehr als 50.000.«
Ein Forscher könne niemals so viele verschiedene Experimente im Labor aufbauen und deren Nutzen vergleichen.
Eine KI dagegen könne diesen gewaltig großen Raum der Möglichkeiten schnell und unvoreingenommen durchsuchen. Und genau das Experiment vorschlagen, das die Forschungsfrage am besten beantwortet.
Krenn ist davon überzeugt, dass eine solche Anwendung die Forschung in der Chemie oder Physik weit vorantreiben könne. Noch sei keine KI in der Lage, sich etwa die Relativitätstheorie von Albert Einstein auszudenken – »Ich sehe aber«, sagt Krenn, »keinen fundamentalen Grund, warum sie in Zukunft nicht ähnlich genial wird.«
Herzlich
Ihre Kerstin Kullmann
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