Eine Gruppe von fast 380 britischen und irischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, darunter Zadie Smith und Ian McEwan, hat in einem offenen Brief das Vorgehen Israels in Gaza als Völkermord verurteilt. Sie drängen zudem auf eine Waffenruhe.
Die Verwendung des Völkermordbegriffs in Bezug auf Israels Vorgehen im Gazastreifen ist umstritten. 1948 wurde der Genozid mit der Uno-Völkermord-Konvention ein Straftatbestand. Einen Genozid zu begehen, heißt seitdem »eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören«. Wegen der vielen zivilen Opfer und der neuen Offensive im Gazastreifen sieht sich Israel nun vermehrt mit dem Vorwurf konfrontiert, einen Völkermord zu begehen.
Die Verfasserinnen und Verfasser des am Mittwoch veröffentlichten Briefs schreiben, es sei richtig, die Gräueltaten der Hamas am 7. Oktober 2023 als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu bezeichnen. Man stehe vorbehaltlos zur Ablehnung und Verachtung von Antisemitismus. Genauso richtig sei es aber heute, den Angriff auf die Bevölkerung von Gaza einen Völkermord zu nennen. In dem Brief, der auch von Hanif Kureishi, Jeanette Winterson, Irvine Welsh und Elif Shafak unterzeichnet wurde, heißt es, Organisationen wie der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hätten »eindeutig« Akte des Völkermords durch die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) festgestellt.
Proteste auch in Brüssel
Die Verfasser fordern die sofortige uneingeschränkte Verteilung von Nahrungsmitteln und medizinischer Hilfe im Gazastreifen durch die Uno und einen Waffenstillstand, »der Sicherheit und Gerechtigkeit für alle Palästinenser, die Freilassung aller israelischen Geiseln und die Freilassung der Tausenden von palästinensischen Gefangenen, die willkürlich in israelischen Gefängnissen festgehalten werden, garantiert«. Sollte die israelische Regierung den Forderungen nach einem sofortigen Waffenstillstand nicht nachkommen, sollten Sanktionen verhängt werden, heißt es weiter.
Mit ihrem Protest sind die britischen und irischen Autoren nicht allein. Am Dienstag hatten etwa 300 französischsprachige Autorinnen und Autoren, darunter die Nobelpreisträger Annie Ernaux und Jean-Marie Gustave Le Clézio, in einem ähnlichen Brief bereits von einem Völkermord in Gaza gesprochen. In Paris färbten mehrere internationale Hilfsorganisationen das Wasser eines Brunnens rot, um das Blutvergießen im Gazastreifen anzuprangern. Vor dem Auswärtigen Amt in Berlin protestierten neun im Gazastreifen tätige Hilfsorganisationen, darunter Ärzte ohne Grenzen und die Diakonie Katastrophenhilfe.
Israels Streitkräfte hatten zuletzt eine neue Großoffensive im Gazastreifen gestartet. Erst Anfang der Woche wurde eine fast dreimonatige Blockade humanitärer Hilfsgüter gelockert, aber aus Sicht der Vereinten Nationen nur unzureichende Hilfe zugelassen.
Auch aus Brüssel wurde das israelische Vorgehen scharf kritisiert. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas nannte die »anhaltenden Angriffe auf zivile Infrastruktur« im Gazastreifen durch die israelische Armee »inakzeptabel«. Der »unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt und der Tod von Zivilisten können nicht toleriert werden«.