Endlich wieder zelten!

Würde mich jemand nach einem meiner heimeligsten Geräusche fragen, meine Antwort wäre: wenn der Regen auf mein Zelt prasselt. Manchmal denke ich mir, dass ich nur deswegen in eine Dachwohnung gezogen bin, weil ich dieses Pladdern so liebe. Am besten ist natürlich, wenn ich morgens den Reißverschluss aufziehe, auf ein Meer blicke und sich jegliche Regenwolken verzogen haben.

Bald ist es wieder so weit, und ich kann mein Zelt aufstellen, die Isomatte ausrollen und den Schlafsack ausbreiten. Es ist Pfingsten! Und dann steht der Sommerurlaub vor der Tür!

Mit meiner Liebe zum einfachen Urlaubsleben inklusive Spülschüssel, Spirituskocher und gelegentlichem Rückenweh bin ich nicht allein: Im vergangenen Jahr haben die Campingplätze allein in Deutschland fast 20 Prozent mehr Übernachtungen gezählt als im Vor-Corona-Jahr 2019, seit 2004 hat sich die Zahl verdoppelt. Rund 15 Millionen Deutsche urlauben mit Wohnmobil, Caravan oder Zelt – darunter auch meine inzwischen sehr begeisterte Kollegin Sandra Schulz, die regelmäßig über die Abenteuer mit ihrem »Monster« berichtet. Oder die weniger euphorisierte Anna Clauß, die erklärt: »Campingurlaub mit Kleinkind? Nie wieder!« 

Wer sich dem noch nie ausgesetzt hat, wird über die Varianz der Outdoorurlauber staunen: Zwischen Dauercampern auf Campingplätzen, Vanlife-Anhängern und Ultralight-Zeltfans, die zu Fuß, Boot oder Rad unterwegs sind, liegen Welten – und der ein oder andere gegenseitige skeptische Seitenblick.

Ich zum Beispiel fühle mich mit Zelt flexibler als mit dem Schlafplatz in einer sperrigen Blechkiste; der Zeltsack landet mal im Autokofferraum, im Kajak oder – früher öfter – auf dem Fahrradgepäckträger. Seit einigen Tagen inspiziere ich in Vorfreude auf die anstehenden Paddelurlaube meine Ausrüstung, die schon in die Jahre gekommen ist. Wieder einmal stelle ich fest, dass der Austausch der brüchig gewordenen Teile eine Art Gratwanderung geworden ist zwischen Konsumrausch und dem Grundbedürfnis , auf Seen, in Fjorden und auf Bergen möglichst trocken und warm zu bleiben.

Will ich wirklich schon vor der Reise einen Betrag in Urlaubsbudgethöhe verpulvern und in Supersoftleichtmerinowolle von neuseeländischen Schafen investieren? In eine nordpoltaugliche Jacke aus dreilagigem Goretex und Flüssigkristallpolymeren oder ein 20-Werkzeuge-Multitool mit Vanadium? Muss es das Ein-Kilo-Vierjahreszeiten-Zelt sein?

Oder reicht nicht doch die günstigere Alternative – die das eigentliche Erlebnis nicht schmälert: das Draußensein, das Genießen der Natur, fern von Hotel- oder Fewo-Komfort. Vielleicht muss einfach mal die Schokolade oder die Thermotasse zu Hause bleiben, statt einige Hundert Euro mehr für ein hundert Gramm leichteres Zelt auszugeben, das höchstens einige Wochen im Jahr genutzt wird. Oder sowieso im Kofferraum durch die Welt reist. Diese Diskussion ist Stoff für viele Lagerfeuerabende – die Entscheidung vorab eine eher einsame.

Dieses Jahr stand ein Basiskauf an, nachdem mein letztes Pfingstcampen zu einem eher schlaflosen Event geriet: Das Innenleben meiner rund 30 Jahre alten selbst aufblasenden Superleicht-Isomatte löste sich auf, sodass sie sich in eine Art Medizinball verwandelte. Eine eher unbequeme Schlafposition, also: Luft raus und ohne Polsterung weiterdösen. Meine Bedingung an den Verkäufer im Outdoorladen: Ich möchte eine leichte, kleine, aber unbedingt nicht knisternde Matte!

Zelter und Zelterinnen wissen, was ich meine. Das Quietschen, Rascheln und Lärmen, das Bewegungen auf modernen ultraleichten und zugleich teuren Luftkammermodellen auslöst, raubt lärmempfindlichen Menschen den Schlaf – auch jenen in benachbarten Zelten. Ganz zu schweigen von dem nächtlichen Aufblasen per Pumpsack, den man für manche Modelle mit sich führen muss und der das Konzept von ultraleicht konterkariert. Zum Glück gab es ein für mich passendes Sparangebot, das mich auch auf norwegischen Felsen einigermaßen weich betten wird.

Zum Weiterlesen für jene, die gern campen gehen..

  • Wohnmobil- und Zeltfans müssen für ihre Auszeit gar nicht weit fahren. Berge, Wälder, Seen und das Meer und schöne Campingplätze bieten auch die ostdeutschen Bundesländer zwischen Rügen und dem Vogtland. Hier sind elf Tipps  – vielleicht auch für die Pfingsttage.

  • Auch unser Autor Philipp Laage hat sich Gedanken gemacht, ob teure Ausrüstung notwendig sei: »Funktionskleidung hat für mich einen emotionalen Wert, der sich nicht in Geld aufwiegen lässt«, schreibt er . »Sie war bei mir, als ich über einsame Gratkämme stieg und auf Gletschern in Schneesturm geriet.« Die Investition habe er nie bereut.

...und für jene, die sich gerade lieber in die Ferne träumen:

  • Meiner Kollegin Solveig Grothe begegnete während ihrer Tauchreise auf Dominica ein längst vergessen geglaubtes Phänomen: ein ethnisches Museumsdorf. Sie begann nachzufragen, sprach mit der Stammesführerin und erzählt hier die Geschichte eines Volkes , das noch immer unter einem Stigma leidet, das Kolumbus erschaffen hat.

  • Noch gilt Taiwans wilder Osten als Geheimtipp für Fahrradfahrer. Dabei finden Sie auf der gesamten Insel ein gut ausgebautes Radwegenetz – dazu Dschungel und Küstenausblicke. Mia Pankoke und Udo Trichtl haben drei Tage lang »Berge über- und Reisfelder durchquert und wissen nun, wie der nebelfeuchte Dschungel riecht«. Ihre Erlebnisse lesen Sie hier .

  • Die Galápagos-Inseln in Ecuador sind ein Traumreiseziel für alle Tier- und Naturfans und ein Albtraum fürs Reisebudget. Claus Hecking hat versucht, möglichst viel Abenteuer zu erleben, ohne mit seiner fünfköpfigen Familie bankrottzugehen. Ein Tipp: sich auf den Inseln einquartieren und als »Island Hopper« unterwegs zu sein. Mehr Reiseratschläge von ihm gibt es hier. 

Hingucker – das Bilderrätsel

Mitte Mai versammeln sich Buddhisten weltweit zu ihrem höchsten Festtag: Zu Vesakh feiern sie Buddhas Geburt, Erleuchtung und das vollkommene Verlöschen – auch an einem der bekanntesten Tempel Indonesiens. Erraten Sie, welcher es ist? Die richtige Antwort finden Sie am Ende des Newsletters.

Reiseträume – unsere Frage, Ihre Antwort

Meine Kollegin Julia Stanek erzählte in unserem Mai-Reisenewsletter von ihrer Serengeti-Sehnsucht – ausgelöst von Heinz Sielmanns »Expeditionen ins Tierreich«. Wir fragten Sie: »Welchen Reisetraum haben Sie sich erfüllt?« Petra Kunze aus Hannover hat uns geantwortet:

»Für mich ist der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom der Einzige, bei dem ich mich mit meiner Liebe zu Spanien wirklich aufgehoben fühle. Seine literarische Reisebeschreibung ›Umweg nach Santiago‹ treibt mir noch immer die Tränen in die Augen, weil sie so wunderschön geschrieben und voller Liebe für dieses faszinierend-widersprüchliche Land und seine Menschen ist. In diesem Jahr erfülle ich mir den Reisetraum, zu entdecken, was Nooteboom wahrgenommen haben könnte.

Mit fast 70 Jahren bewege ich mich wochenweise durch Katalonien, Kastilien, Aragonien, Asturien, Galicien. Ich lasse mich nieder, wo der Alltag stattfindet, und meide touristische Zentren. Ich miete mir kleine Wohnungen und lebe dort, wo Menschen leben und arbeiten und nicht nur Urlaub machen. Ich lerne den Nationalstolz der Spanier in den auch landschaftlich so unterschiedlichen Regionen des Landes kennen. Es macht mir Freude, auch die großen Städte zu entdecken: Madrid etwa wird für mich immer die Stadt bleiben, in der ich mich Spanien und seiner langen Geschichte am nächsten fühle.

Bei all dem begegne ich mir selbst und dem eigenwillig-archaischen Anteil meiner Persönlichkeit, den es anscheinend gibt und der sich in Spanien immer wie angekommen und zu Hause gefühlt hat. Es ist doch so: Wenn wir unseren Reisetraum verwirklichen, entdecken wir nicht nur einen Ort, sondern immer auch etwas von uns selbst – weil wir unserem Herzen und unserer Sehnsucht folgen.«

Hier gibt es Futter – für Kopf und Bauch

Gute Bücher und gutes Essen machen satt und glücklich. An dieser Stelle haben wir zweierlei für Sie – und nehmen Sie mit ins Mittsommer-Skandinavien und haben ein passendes nordisches Rezept für Sie:

Für den Kopf: Drei Monate lang war Familie Schatz im Sommer 2024 unterwegs, knapp 10.000 Kilometer legten sie in ihrem ausgebauten Mercedes-Sprinter im Norden Europas zurück. Die Erlebnisse von Franziska, Marius, den sieben- und fünfjährigen Söhnen samt Labradorhündin Lotta auf dem Weg zum Nordkap und zurück erzählen sie in »Hej Midsommar«. Dabei geben die Instagram-Profis  über zahlreiche Listicles Tipps, wie so ein Urlaub mit Kindern gelingen kann. Sie zählen ihre Highlights der durchquerten Länder Dänemark, Schweden und Norwegen auf – wie Klippenwanderungen, Nationalparks und etwa die Villa Kunterbunt. Und helfen bei der Suche nach Spielplätzen und den besten Womo-Stellplätzen, auch in großen Städten wie Stockholm oder Aarhus.

Eine ihrer Erkenntnisse: Die langen Fahrstrecken dieser Reise sind für alle eine notwendige Pause. »Wenn man so viel sieht, wochenlang täglich Neues entdeckt, dann braucht der Kopf Zeit, das alles zu verdauen«, schreibt das Paar. »Und da ist es perfekt, wenn man fährt, dabei den Kopf ausschaltet, indem man aus dem Fenster guckt, ein Hörbuch hört oder ein Nickerchen macht.« Als Hörbuch immer dabei: »Pippi Langstrumpf«, »Wir Kinder aus Bullerbü« und »Michel aus Lönneberga« von Astrid Lindgren. Die Fotos von Marius Schatz wecken die Lust auf lange Sommertage auf Fjells und an Fjorden, auf das Unterwegssein und die Natur des Nordens.

Für den Bauch: Zu sonnigen, nordischen Sommertagen passt ein leichtes Gericht wie der Gurken-Lachs-Topf, für den Verena Lugert ein Rezept ersonnen hat. Sie kombiniert Fisch und Gurke mit Anislikör und jeder Menge Dill – das ergebe, schreibt sie, »ein besonders stimmiges, harmonisches Aromenbild«.

Die Zubereitung ist Camping-geeignet, wenn frisches Lachsfilet schnell verarbeitet werden kann. Dabei wird der Fisch nur sanft angebraten, dann Zwiebel- und Gurkenwürfel. Mit Anislikör und Gemüsebrühe wird noch ein paar Minuten weitergekocht. Würzen – und fertig ist der Lachstopf, der vor dem Wohnmobil oder am Lagerfeuer genossen werden kann. Wie’s geht, verrät sie hier. 

Das war was – Reisepannen, die in Erinnerung bleiben

Mehr noch als die beeindruckenden Ruinen oder weiten Strände behält man oft im Kopf, was auf dem Weg gründlich danebenging. Welche »Das darf doch wohl nicht wahr sein«-Situation hatten Sie unterwegs zu meistern? Schreiben Sie uns an: reise.leserpost@.de . Betreff: »Reisepannen«. Einige Ihrer Antworten würden wir nach Rücksprache gern veröffentlichen.

»Per Bus, Zug und Taxi reiste ich im Sommer 2011 mit einem Freund durch Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan und Tadschikistan. Von Samarkand aus starten wir früh Richtung Grenzübergang Pandschakent, das Ziel unserer Reise: die tadschikische Hauptstadt Duschanbe. ›Da, da, granitsa‹, ruft der Fahrer eines Minibusses, ›ja, ja, Grenze‹ und nach etwa einer Stunde: ›Granitsa ok!‹.

Wir steigen aus, der Bus wendet und verschwindet. Es ist verdächtig ruhig. Ein Soldat begrüßt uns mit Handschlag, kreuzt dann die Arme und sagt: ›Granitsa zakryto, closed‹, sagt er. Wir fühlen uns zum ersten Mal auf unserer Reise übers Ohr gehauen. Fassungslos machen uns nicht die zwei Euro für die Fahrt, sondern die Dreistigkeit des Minibusfahrers. Ja, der Grenzübergang Denau im Süden sei geöffnet. Ein Taxifahrer bringt uns zurück nach Samarkand zu den Sammeltaxen.

350 Kilometer oder acht Stunden Umweg liegen vor uns, ›No Aircondition‹ und Staub durch die geöffneten Fenster. Um 19.30 Uhr treffen wir auf eine Kolonne iranischer Lkw. Dieser Grenzübergang ist geöffnet! Verschwitzt, aber glücklich stehen wir hinter tadschikischen Marktfrauen an. Dann werden wir an der Schlange vorbei zu einem Offizier geführt. ›Passport and registration‹, herrscht er uns an. Die Registrierung der Hotels sind kleine, in den Pass geheftete Meldezettel; in Usbekistan müssen Individualreisende jede Übernachtung dokumentieren lassen. Alles müssen wir auspacken und wird hinterfragt.

Es ist jetzt kurz vor 20 Uhr, und die gleiche Prozedur erwartet uns noch auf tadschikischer Grenzseite. ›Jawoll, schneller, schneller, Deutschland‹, ruft lachend ein Grenzbeamter dort. Nach einem gemeinsamen Foto verabschiedet er sich breit grinsend mit: ›Hitler kaputt!‹ Ich glaube, so gut wie am Abend des 7. Juli 2011 in Duschanbe hat mir nie wieder ein kaltes Bier geschmeckt.« Thomas Dörr, Kammerforst

Ich wünsche Ihnen viel Spaß auf Ihrem Pfingstausflug, beim Schmökern und Nachkochen und immer: viel Reiseglück! Bis zum nächsten Mal!

Ihre Antje Blinda

* Auflösung des Bilderrätsels: Richtig, im Hintergrund ist Borobudur in Magelang auf Java zu erkennen. Die weltweit größte buddhistische Tempelanlage wurde vermutlich zwischen 750 und 850 errichtet: Flachreliefs an dem neunstöckigen Bau beschreiben das Leben und Wirken Buddhas.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben das Aufmacherfoto ausgetauscht. Das ursprüngliche Foto zeigte ein Zelt am Schweizer Bachalpsee oberhalb von Grindelwald, dort ist Campen allerdings verboten.

Campingplatz am See: Viel Ausrüstung für eine Familie notwendig

Foto: Sebastian Gollnow/ picture alliance / dpa

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Foto: Dwi Oblo / REUTERS

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Foto: exploraturuta / iStockphoto / Getty Images
Foto: Ebby Kirchner

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