Am Wochenende war unser Garten voller Leben: Acht Kinder zischten stundenlang über den Rasen, mit kaum mehr als einem Stück Wassermelone im Magen, als wären sie von der Sonne aufgeladen. Die Kleinen kochten Suppe aus Dreck und Planschbeckenwasser, die Jungs bewarfen sich mit Wasserbomben, die Mädchen bauten sich ein Lager im Walnussbaum. Als die Sonne tiefer stand, ließen sie die Badeanzüge vor der Feuerschale trocknen und hielten krummes, von Neunjährigen geformtes Stockbrot in die Flammen. Die Gesichter glühten. Kein spektakulärer Tag, aber ein glücklicher.
Kaum wird es Sommer, begegnen mir in sozialen Netzwerken Videos mit dem Titel »You get only 18 summers with your kids«, dazu emotionale Musik. Nur 18 gemeinsame Sommer also, dann werden die Kinder erwachsen und ziehen aus. »Bam, it’s done« heißt es manchmal am Ende – zack, Kindheit vorbei.
Das klingt fast bedrohlich, als würde ein Countdown laufen, sobald das Baby das erste Mal mit Sonnenhut auf der Wiese liegt. Mache ich genug? Nutze ich die Zeit richtig? Habe ich perfekte Familienausflüge geplant? Die Botschaft macht Druck – unnötigen, wie ich finde. Man muss seinen Kindern gar nicht den besten und beeindruckendsten Sommer bieten, und man kann auch nicht jeden Moment genießen. Wir fahren einmal im Jahr in den Urlaub, die restlichen Ferien und langen Wochenenden verbringen wir zu Hause, im Garten, vielleicht im Freibad oder am See, bei Regen am Basteltisch oder in der Küche. Reisen mit drei Kindern sind anstrengend und teuer. Das Sommergefühl brennt sich auch zu Hause ein: bei dem Anblick von Wasserbombenfetzen auf platt getretenem Rasen.
Ich habe meine Kinder gefragt, was ihnen bisher am besten an unseren Sommern gefallen hat:
»Als wir unter dem Sprinkler draußen geduscht haben, mit Shampoo!«
»Wasserschlacht!«
»Als der Ball auf das Schuppendach geflogen ist und wir ihn heruntergeholt haben.«
»Dass meine Freundin zum Übernachten bleiben durfte.«
Eine Kollegin erzählte mir, sie habe vergangenes Jahr ihre Tochter gefragt, was sie in diesen Sommerferien noch erleben wolle. Sie habe etwas Angst vor der Antwort gehabt, sagte sie, denn sie hätten nichts Spektakuläres mehr geplant. Doch ihr Kind sagte: »Ich möchte einmal zum Griechen und Pommes essen, einmal in die Bücherei und einmal ins Schwimmbad.«
Vielleicht muss man sich nicht bemühen, den Sommer so magisch und unvergesslich zu machen wie möglich. Für Kinder steckt der Zauber in der Zeit, die wir mit ihnen verbringen. Und hoffentlich auch in der Langeweile, die in der Zeit entsteht, in der wir Erwachsenen etwas anderes machen müssen: arbeiten, Wäsche waschen, Altglas zurückbringen, E-Mails schreiben. Während ich an einem Ferientag den Kopf in den Laptop steckte, baute mein Sohn sein Kinderzimmer zu einem »Dinosaurier, Fossilien und Tiere, die noch leben«-Museum um, inklusive Eintrittskarten. (Lesen Sie dazu den Text meiner Kollegin Julia Stanek: Wie ich lernte, dass ich meine Kinder nicht bespaßen muss.)
Egal wie viele Sommer mir mit meinen Kindern bleiben: Insgeheim denke ich daran, dass wir vielleicht, wenn alles gut geht, auch noch ein paar Sommer als Erwachsene miteinander haben könnten. Ob ich dann vielleicht in ihrem Garten sitzen darf?
Was glauben Sie: Hat man 18 Sommer mit seinen Kindern – oder doch mehr? Schreiben Sie mir an familiennewsletter@.de .
Buchtipp der Woche
Dieses Buch gehört bei uns zu den Favoriten: »Die unglaubliche Geschichte von der Riesenbirne« des dänischen Zeichners und Autors Jakob Martin Strid. Beim Angeln finden Kater Mika und Elefant Sebastian eine Flaschenpost mit einem winzigen Samenkorn. Sie pflanzen es ein, und innerhalb kürzester Zeit ist daraus eine riesige Birne gewachsen. Sie höhlen die Frucht aus, als ein Missgeschick passiert: Der Anhänger, auf dem die ausgehöhlte Birne steht, setzt sich in Bewegung und rollt ins Meer. Nun treiben sie an Bord der Birne hinaus, zu einer Reise, auf der es wirklich alles gibt: Drachen, Piraten, Fantasie, Wortwitz und Tempo. »Die unglaubliche Geschichte von der Riesenbirne« ist perfekt für Kinder ab 5 Jahren, für mich eines der schönsten Vorlesebücher.
Meine Lesetipps
Wer diesen Sommer mit den Kindern die Großeltern besuchen oder in die Berge fahren will, dem wird diese Neuerung begegnen: Die Deutsche Bahn hat die Familienreservierung abgeschafft, wenige Wochen vor den Sommerferien. »Sie wollen als vierköpfige Familie einen festen Sitzplatz im Zug? Hin- und Rückfahrt? Kostet künftig 44 Euro, plus Fahrschein« , hat meine Kollegin Eva Lehnen ausgerechnet. Sie schreibt: »Eigentlich müsste es euch Entscheidern bei der Bahn doch darum gehen, Familien aus den Autos herauszubekommen, statt sie mit Preissteigerungen zu vergrätzen.« Markus Deggerich hat wiederum Ideen, wo man noch die Preise anpassen könnte: »Warum erhöht man dann nicht gleichzeitig die Reservierungsgebühr für, sagen wir, grölende Hooligans, Prosecco saufende Frauenstammtische oder lautstarke Dauertelefonierer? «
Wann haben Sie zuletzt mit Ihren Kindern über das Handy gestritten? Wer wann wie lange welche Apps benutzen darf und welche Bildschirmzeit okay ist, ist in vielen Familien ein Thema. In Deutschland verbieten mehr und mehr Schulen Smartphones, auch in den Pausen. Meine Kollegin Claudia Beckschebe berichtet im Kindermagazin DEIN SPIEGEL darüber, warum solche Entscheidungen getroffen wurden. Außerdem hat sie Schülerinnen und Schüler befragt, ob sie diese Verbote als erleichternd oder einschränkend empfinden – mit unerwartetem Ergebnis. DEIN SPIEGEL ist diese Woche erschienen. (Meine Kollegin Heike Le Ker hat hier recherchiert, wie soziale Medien die Psyche von Jugendlichen beeinflussen können .)
Und noch ein aktueller Text für junge Lesende und Ihre Eltern, er passt gut zu selbst gekauftem Eis und einer bunten Tüte im Schwimmbad. Etwas mehr als die Hälfte aller Kinder in Deutschland bekommt regelmäßig Taschengeld, die anderen nicht. Wer bekommt wie viel? Und wer sollte darüber bestimmen, wofür es ausgegeben wird? Hier gibt es Tipps, wie Familien darüber sprechen sollten.
Die Kinder streiten im Auto, das Baby schreit im Flugzeug, die Eltern zicken sich an: Im SPIEGEL-Podcast »Smarter leben« verrät Reisebloggerin Nadine Lessenich Eltern ihre Tipps für möglichst entspannte Nah- und Fernreisen mit Kids. Der Schlüssel dazu: keine Erwartungen haben.
Mein Moment
In meinem letzten Newsletter schrieb ich darüber, warum ich meinen Kindern gern vorlese. Newsletter-Leserin Teresa schickte daraufhin folgende Nachricht:
»Auch für mich selbst war und ist Lesen schon immer Stimmungsaufheller, Therapie und Schule des Lebens in einem. Auch meinen Kindern lese ich vor, seit sie wenige Monate alt sind. Automatisch nahm ich an, dass meine Kinder schon allein deshalb frühe und gute Leser sein würden. Ich wurde eines Besseren belehrt. Beide lieben Geschichten, gerade die Ältere empfand aber längere Texte und kleine Schrift lange als zu anstrengend, um sie selbst zu lesen.
Lange lasen meine Kinder nur Comics oder sehr kurze Geschichten. Sie liebten aber weiterhin unser abendliches Vorlesen und tun es bis heute – obwohl sie inzwischen neun und elf Jahre alt sind. Ich bin überzeugt, dass die Liebe zu Geschichten sie schließlich doch zu begeisterten und ausdauernden Leserinnen gemacht hat.
Letztlich geht es beim Lesen oder Vorlesen doch darum, Geschichten zu erleben. Damit einher geht bei uns die Tradition, Familiengeschichten immer und immer wiederzuerzählen: Wie Oma sich als junge Frau das Bein brach und dabei schrecklich fluchte. Wie die Uroma einmal Eiswürfel für Würfelzucker hielt und in ihre Kaffeetasse gab. Wie unsere Katze uns beim Malen mit Wasserfarben beobachtete und es uns mit der Pfote nachmachte. Ich kann daher nur raten: Erzählt einander Geschichten. Lest vor. Seid selbst Vorbild und habt immer ein Buch dabei. Ich habe mir vorgenommen, vorzulesen, solange es geht. Allein schon, weil es mir selbst solchen Spaß macht, mit unterschiedlichen Stimmen zu lesen!«
Ich wünsche Ihnen einen schönen Start in Ihren Sommer.
Herzlich
Ihre Antonia Bauer
Warmer Sommerregen: »You get only 18 summers with your kids«
Foto:Sandra Roesch / DEEPOL / plainpicture