Nur die Mama!

»Papa weg, die Mama macht!« Mit Ansagen wie diesen werde ich in jüngster Zeit regelmäßig fortgeschickt. Zum Beispiel aus dem Schlafzimmer, wenn meine Tochter möchte, dass ihre Mutter sie ins Bett bringt, wie eigentlich jeden Abend. Manchmal schiebt sie noch hinterher, ich solle stattdessen in die »Kammer« gehen, unsere Abstellkammer. Ein dunkler, ungemütlicher Raum, genauso wie Sie sich ihn vorstellen. Ich liebe dieses Kind!

Ähnliche Szenen spielen sich in vielen Familien ab, habe ich mir sagen lassen: Der Papa möchte das Kind ins Bett bringen, wickeln, füttern, trösten, doch das Kind verlangt die Mama. Ich schreibe das bewusst in dieser Rollenverteilung. In der umgekehrten Konstellation soll es das auch geben, aber ich kenne nur Schilderungen, in denen die Mama der Star ist.

Oder die Erschöpfte: Es ist ja keinesfalls wünschenswert, immer da sein zu müssen, wenn das Kind Unterstützung braucht. Daher an dieser Stelle auch ein Shoutout an alle Alleinerziehenden: Ihr seid die wahren Superhelden des Alltags!

Aber zurück zu mir, dem Papa in der Kammer. Für mich ist die Zurückweisung auch nicht nur einfach. Klar, ich könnte dankbar sein, nun nicht siebenmal hintereinander dieselbe Gute-Nacht-Geschichte vorlesen zu müssen und mich stattdessen um die Spülmaschine kümmern zu dürfen. Da genügt ein Knopfdruck, und alles ist im Reinen.

Vom eigenen Kind hinaus kommandiert zu werden, weil der andere Elternteil dessen Bedürfnisse besser befriedigen kann, ist aber vor allem schmerzhaft. Ich glaube nicht, dass meine Tochter mich weniger liebt als ihre Mutter. Und falls doch, könnte ich damit leben. Es sind die Selbstzweifel, die mich plagen: Habe ich genug Zeit für mein Kind, kann ich seine Gefühle und Bedürfnisse gut wahrnehmen?

Aus der Perspektive unserer Zweijährigen ist es auch nicht leicht. In den Schlaf oder Trost finden: Beides geht nicht, ohne sich geborgen zu fühlen. Das gelingt logischerweise besser mit der Hauptbezugsperson. In unserer Gesellschaft sind das in der Regel die Mütter – zunächst aus biologischen Gründen, später oft aus sozialen, finanziellen oder strukturellen Zwängen.

Doch wie geht man mit dieser Situation um? Eine kindliche Fixierung lässt sich zum Glück leichter überwinden als gesellschaftliche Strukturen wie das Patriarchat.

Laut Elternratgebern ist es wichtig, sich zunächst einmal klarzumachen: Es ist nur eine Phase. (Mehr dazu lesen Sie hier  in einem Interview von meiner Kollegin Heike Le Ker.) Trotzdem hilft es, gegenzusteuern. Dafür könnten sich die Eltern die Pflege und Betreuung klar zuteilen, etwa mit festen Tagen, an denen Papa das Kind ins Bett bringt. Das ist der leichte Part.

Interessant wird es, wenn der Tag kommt. Der Nachwuchs interessiert sich natürlich wenig bis gar nicht für Zeitpläne. Also sind Nerven gefragt. Selbstverständlich darf die »Mammmaaaaaa!« unterstützen, wenn es nicht anders geht. Wichtig ist aber vor allem, dem Kind beizustehen und ihm zu zeigen: Ich verstehe dich. Zum Beispiel, indem man seine Gefühle in Worte fasst: »Du möchtest lieber die Mama hier haben?«

Der Rest ist elterliche Führung und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, das Kind schon zu schaukeln, heißt es. Je häufiger das gelingt, desto leichter wird es natürlich. Als Übergangslösung bietet sich auch das gemeinsame Ins-Bett-Bringen an. Was definitiv nicht hilft: Vorwürfe (»Die Mama braucht auch mal Ruhe!«) oder emotionale Erpressung (»Papa ist jetzt ganz traurig!«). Auch Erklärungen (»Die Mama bringt dich morgen wieder ins Bett.«) helfen nur bedingt.

Und wenn gar nichts mehr geht? Dann legen Sie sich einfach in die Kammer, rufen nach Mama – und hoffen, dass wenigstens das mit der Spülmaschine geklappt hat.

Wer ist bei Ihnen zu Hause die Hauptbezugsperson, und wie geht es allen damit? Haben Sie die Rollen mal getauscht, wenn ja, wie? Schreiben Sie mir gern an: familiennewsletter@.de . Einige Ihrer Antworten möchten wir gern veröffentlichen – auf Wunsch auch anonym.

Meine Lesetipps

War es das jetzt, oder ist unsere Familie nicht komplett mit »nur« einem Kind? Diese Frage stellen sich viele Erst-Eltern. Es gibt massig Gründe für Familienzuwachs – und genauso viele dagegen. Welche Entscheidung richtig ist, muss jeder selbst herausfinden. Aber vielleicht helfen diese Gespräche mit Paaren, die es gewagt haben. Darin geht es um Schlafrhythmen, die Entwicklung ihrer Kinder, um die Kraft, die es kostet, zwei oder mehr Kinder großzuziehen. Spoiler: Es ist machbar! 

Es ist Ferienzeit. Ich hoffe, das bedeutet auch für Sie: Kofferpacken! Für mich ist das eine Kunst an sich. Im besten Fall gibt es wenig zu schleppen und dennoch ist für alle Fälle vorgesorgt. Daher freue ich mich auch jedes Mal über Tipps von weit gereisten Backpackern und Vielfliegern. Sie hoffentlich auch. Dann hier entlang. 

Zum Schluss gibt es was auf die Ohren. Mein Kollege Lenne Kaffka hat sich gefragt: Wie bleiben wir liebevoll, wenn unsere Kinder ausrasten? Darüber hat er sich mit der Erziehungsexpertin Eliane Retz unterhalten: Wie können Eltern also Wutausbrüche angemessen begleiten? Was tun, wenn Kinder hauen oder schimpfen? Und worauf kommt es nach dem Streit an? Das erfahren Sie im SPIEGEL-Podcast »Smarter leben«.

Das jüngste Gericht

Diese Woche hat der SPIEGEL drei Rezepte für Sie herausgesucht, alles als Teil unseres Genuss-Newsletters. Sie können sie einzeln genießen oder als dreigängige Menüfolge  aus Tomatensuppe, Kartoffel-Lachstopf und Butterkuchen mit Mandeln. Das Beste? Alle eignen sich hervorragend zum Teilen und sind damit ideal für Familien.

Mein Moment

Zu meiner jüngsten Ausgabe dieses Newsletters habe ich keine einzige Zuschrift erhalten. Warum erwähne ich das? Nun, ich hatte über die Trotzphase geschrieben. Dass mich dazu keine Ratschläge erreicht haben, bedeutet für mich: Andere Eltern wissen es offenbar auch nicht besser, wie beruhigend.

Herzlich
Ihr

Philipp Löwe 

Nur die Mama? Dann bleibt wenigstens Zeit für die Spülmaschine

Foto: Petra Herbert / plainpicture

Verwandte Artikel

Next Post