Kann sich der US-Kongress in letzter Minute noch auf eine gemeinsame Linie einigen – und zumindest einen Übergangshaushalt beschließen? Zuletzt war ein Entwurf für eine Überbrückungsfinanzierung im US-Senat gescheitert. Dort müssen mindestens 60 der 100 Senatoren zustimmen. Die Republikaner haben zwar eine Mehrheit, aber nur von 53 Sitzen. Falls sie sich nicht einigen können, fehlt der Regierung im neuen Fiskaljahr ab dem 1. Oktober die Grundlage zur Finanzierung. Es droht ein sogenannter Shutdown.
Was passiert bei einem Shutdown?
Wird kein (Übergangs-)Haushalt verabschiedet, stehen der Regierung zunächst keine Mittel mehr für eine weitere Finanzierung zur Verfügung. Es stehen ein Auszahlungsstopp bei den Bundesausgaben in der US-Verwaltung und der Weiterbetrieb vieler Behörden und Ämter auf dem Spiel. Bedienstete könnten in den Zwangsurlaub geschickt werden, Behörden könnten schließen. Zunächst träfe dies Institutionen, die nicht als essenziell für die Sicherheit und Grundversorgung erachtet werden.
Jüngst hatte das Haushaltsamt (OMB) laut US-Medien mehrere Bundesbehörden angewiesen, im Falle eines Shutdowns dauerhafte Entlassungen ins Auge zu fassen. Durch einen Shutdown könnte die Regierung Donald Trumps also womöglich sogar einfacher ihre Idee eines schlanken Staats durchsetzen.
Schon in den ersten Monaten seiner zweiten Amtszeit waren zahlreiche Beamte aus dem Dienst entlassen worden. Und: Trump selbst hatte vergangene Woche gesagt, dass es »für eine gewisse Zeit zu einer Schließung des Landes kommen könnte«.
In jedem Fall bekämen viele Regierungsmitarbeiter bei einem Shutdown erst mal kein Gehalt mehr. Mitarbeiter in wichtigen Bereichen wie dem Militär, bei Notfalldiensten, der Grenz- oder Luftsicherung arbeiten trotz Shutdown zunächst unbezahlt weiter. Das Gehalt wird in der Regel nachgezahlt. Kongressmitglieder, auch der US-Präsident, bekommen weiterhin Geld.
Was bedeutet ein Shutdown für die US-Bevölkerung?
Die Menschen in den USA könnten einen Shutdown dadurch spüren, dass Anträge oder Steuerbescheide langsamer bearbeitet werden, Nationalparks könnten schließen. Touristen könnten ebenfalls betroffen sein: In einem Brief an die Parteispitzen im Kongress warnte der US-Reiseverband vor Problemen im Flugverkehr. Die Kosten bezifferte er auf eine Milliarde Dollar pro Woche.
Auch an den Finanzmärkten kann ein Shutdown Unruhe stiften. Berenberg-Ökonom Atakan Bakiskan geht davon aus, dass das Weiße Haus eine für Arbeitsmarktstatistiken zuständige Behörde als nicht systemrelevant einstuft und diese ihre Tätigkeiten ab Mittwoch niederlegen müsste. Die Beschäftigungszahlen und Verbraucherpreise könnten dann nicht pünktlich veröffentlicht werden und damit auch die Entscheidung der US-Notenbank beeinflussen. Die Federal Reserve (Fed) überprüft auf Basis der Daten den Leitzins und entscheidet über eine weitere mögliche Zinssenkung.
Was ist der aktuelle Stand?
Der Bundesetat in den USA umfasst für gewöhnlich zwölf Haushaltsgesetze. Nach Angaben eines überparteilichen Komitees für den Bundesetat ist bislang kein einziges davon verabschiedet worden. Der US-Kongress steht nun vor der Aufgabe, zumindest genug Stimmen für einen Übergangshaushalt zu finden, um den Regierungsapparat am Laufen zu halten.
Zuletzt passierte zwar ein Entwurf der Republikaner für einen temporären Etat das Repräsentantenhaus, damit wäre die Finanzierung bis einschließlich 20. November sichergestellt gewesen. Doch er scheiterte im Senat.
Ein Treffen zwischen Trump und den Parteispitzen aus beiden Kongresskammern ergab keinen Durchbruch. Der Minderheitsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, sagte im Anschluss, dass auch nach dem Gespräch »signifikante und bedeutsame« Unterschiede blieben. Mike Johnson, republikanischer Vorsitzender des Abgeordnetenhauses, verwies aus diesem Grund auf einen Übergangsetat, der beiden Parteien mehr Zeit verschaffen würde. Die Demokraten wollen die Frist nutzen, um den Druck auf die Republikaner zu erhöhen und damit ihre Forderungen durchzusetzen.
Der bislang längste Shutdown in der Geschichte der USA ereignete sich während Trumps erster Amtszeit. Über den Jahreswechsel 2018/19 kam der Regierungsbetrieb mehr als fünf Wochen lang weitgehend zum Erliegen.
Was ist ein zentraler Streitpunkt?
Die Demokraten erhoffen sich in dem Streit Fortschritte im Gesundheitsbereich. Sie hoffen etwa auf die Rücknahme der jüngsten Kürzungen beim Vorsorgeprogramm für einkommensschwache Menschen (Medicaid). Diese waren Teil von Trumps großem Steuergesetz. Er unterstellt den Demokraten, Millionen für die Gesundheitsversorgung für Migranten, die sich illegal im Land aufhielten, ausgeben zu wollen, und bezeichnete die Forderungen als lächerlich.
Als eine von etlichen Demokraten verurteilte Senatorin Patty Murray diese Darstellung. Migranten ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung hätten nach geltendem Recht gar keinen Anspruch auf solche Leistungen und sollten sie nach den Plänen der Demokraten auch nicht bekommen, zitierte sie die »New York Times«.
Wäre ein Shutdown auch in Deutschland möglich?
Wenn in Deutschland zu Beginn eines Haushaltsjahres noch kein Bundeshaushalt steht, kommt die sogenannte vorläufige Haushaltsführung ins Spiel. Sie ist im Grundgesetz festgelegt und soll gewährleisten, dass die Bundesregierung handlungsfähig bleibt. »Sämtliche festgelegten Leistungen, wie beispielsweise die Rente, das Kindergeld oder Bafög, werden weiterhin ausgezahlt«, heißt es von der Bundesregierung. Auch bereits zugesagte Finanzierungen wie die Militärhilfe an die Ukraine seien dadurch gesichert. Neue Ausgaben wären indes nur beschränkt möglich – wenn sie »sachlich und zeitlich unabweisbar sind«. Die vorläufige Haushaltsführung greift etwa nach Bundestagswahlen, wenn sich eine Regierung erst neu bilden muss und daher die Verabschiedung des neuen Haushalts ins kommende Jahr verschoben wird.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung wurde Mike Johnson als Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus bezeichnet. Tatsächlich ist er Vorsitzender der Kammer (Speaker of the House). Wir haben den Fehler korrigiert.