Der Rentenzoff hat viele Verlierer, doch Sie können etwas tun

In der Union zanken sich die Jungen mit dem Kanzler, ob der Rentenkompromiss der schwarz-roten Koalition tatsächlich generationengerecht ist. Oder ob wir Boomer als Rentnerinnen und Rentner den Jungen ungebührlich auf der Tasche liegen werden, wie auch der Bundesrechnungshof vermutet . Die Jungen nutzen dabei die demokratischen Spielregeln, kennen die Mehrheitsverhältnisse. Ihre 18 Stimmen werden im Bundestag für die schwarz-rote Mehrheit gebraucht. Das ist keine Krise, das ist gelebte Demokratie.

Was mich an der ganzen Diskussion trotzdem ärgert: Es geht ganz offenkundig nicht um die Menschen, weder um die zahlenden Jungen noch die empfangenden Älteren. Sondern um Macht, Ideologie und mehr oder weniger abstrakte Modelle.

Und das heißt dann auch, Sie sollten sich vorsichtshalber selbst um zusätzliche Altersvorsorge kümmern. Wenn das schwarz-rote Rentenniveau bleibt, brauchen Sie als Durchschnittsverdiener zur Lebensstandardsicherung zusätzlich Hunderte Euro private Altersvorsorge jeden Monat. Setzt sich die Junge Union durch, brauchen Sie künftig noch mehr zusätzliches Geld. Als erste Näherung: Wenn der durchschnittliche Bruttolohn im Jahr 2040 rund 5000 Euro im Monat beträgt, sind 43 Prozent davon 250 Euro weniger als 48 Prozent. Wie gerechnet wird, finden Sie hier .

Am ärgerlichsten finde ich in aktuellen Modelldiskussionen so manchen Professor, der über zu hohe Rentenansprüche spricht, Pensionsansprüche aber lieber außen vor lässt. Die Ruhestandsgehälter solcher Herren und Damen liegen heute selbst kinderlos meist weit über 4000 Euro und damit deutlich höher als die höchste gesetzliche Rente von 3670 Euro, die für Angestellte überhaupt erreichbar ist. Für jedes Kind gibt es in dem privilegierten Status Extragehalt und in der Folge auch noch mal Extrapension. Wenn's um Generationengerechtigkeit geht, gehören Beamte natürlich einbezogen und gleichbehandelt.

Zum Vergleich: Nur gut zwei Prozent aller männlichen Rentner erreichten Ende 2024 mehr als 2700 Euro Rente, und nur 0,2 Prozent aller Frauen .

Vom hohen akademischen Turm wird dann über notwendige Einschränkungen bei den künftigen Renten für klassische Arbeitnehmer räsoniert. Und dabei regelmäßig auf den Teil der Demografie verwiesen, der Pensionsempfänger (also etwa Professoren) bislang großzügig ausspart. Junge Professoren müssen sich aktuell keine Sorgen um höhere Abzüge vom Gehalt für die Versorgung der Älteren machen, die demnächst ausscheiden. Dabei gibt es seit langem Studien, die sagen, dass Professorinnen und Professoren angesichts ihrer besonders hohen Lebenserwartung lieber noch länger arbeiten sollten .

Platz zwei bei den ärgerlichsten Teams belegen die demokratisch cleveren jungen CDU-Abgeordneten. Meine Frage: Wäre es ihnen vor allem um Generationengerechtigkeit gegangen, warum haben sie dann in der eigenen Partei die erneute Aufstockung der Mütterrente nicht verhindert? In der Einladung zum Deutschlandtag der Jungen Union hieß es wörtlich: »Wer arbeitet, muss am Ende mehr haben. Wer einzahlt, muss sich auf Fairness verlassen können. Nur so bleibt unser Sozialstaat solidarisch und unser Land leistungsfähig 

Für die Mütterrente oder auch die Witwenrente wird nichts eingezahlt. Allein die Extrakosten für die geplante Aufstockung der Mütterrente werden auf fünf Milliarden Euro pro Jahr geschätzt – gezahlt als Staatszuschüsse für die Rente. Und wie SPIEGEL-Kolumnist Nikolaus Blome kürzlich richtig bemerkte, das Geld komme am wenigsten den Müttern mit der kleinen Rente zugute, bei denen wird sie mit anderen Sozialleistungen verrechnet. Es profitierten vor allem die Mütter, die ohnehin schon eine gute Versorgung hätten.

Platz drei unter den Ärgernissen belegt bei mir zurzeit die SPD. Sie hat mit den Grünen zusammen vor über 20 Jahren die lebensstandardsichernde gesetzliche Rente in die Geschichtsbücher verbannt, damit die exportorientierte deutsche Industrie nicht zu hohe Sozialbeiträge zahlen muss und international Konkurrenzvorteile hat. Kann man machen, hieß Riester-Rente und Agenda 2010 damals. Die CDU hatte das auch vor, sogar ohne Riester-Rente.

Aber was ausblieb, war eine klare Ansage, welche Rolle die gesetzliche Rente künftig haben soll. Für die Menschen geht es doch nicht um Haltelinien. Anders: Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer muss wissen, auf wie viel Altersvorsorge aus der gesetzlichen Rente sie oder er künftig bauen kann. Bietet die gesetzliche Rente künftig weiter eine verlässliche Grundversorgung, wenn sie schon nicht lebensstandardsichernd ist? Oder stellt sie eher ein Zubrot für alle dar, die nicht beim Staat arbeiten?

Achtung – ich habe hier über das Niveau der gesetzlichen Rente gesprochen, nicht über das Renteneintrittsalter. Das wird im Schnitt steigen müssen, nicht nur für die Professoren …

Womit wir dann bei den größten Untiefen des aktuellen Rentensystems wären. Die Ungerechtigkeit des Systems gegenüber den Ärmeren: Männer mit kleinen Renten bekommen im Schnitt 100 Monate weniger Rente ausgezahlt als Männer mit sehr hohen Renten. Der Grund: Die Lebenserwartung armer Männer liegt 8,6 Jahre niedriger als die der Toprentner . Das sagt das Robert-Koch-Institut und ähnlich auch das Max-Planck-Institut für Demografie in Rostock. Weil aber die monatliche Rentenauszahlung für jeden vorher eingezahlten Euro gleich hoch ist, bekommen die wohlhabenden Männer 8,6 Jahre länger diesen Rentenwert ausgezahlt – über 100 Monate. Bei Frauen gilt das übrigens auch, der Effekt ist aber bei Weitem nicht so drastisch.

Nebenbei, wo wir gerade bei der Empirie sind: Das politische Lamento über die Zuschüsse zur Rentenkasse geht mir in der aktuellen Form echt auf den Zeiger. Die Bundeszuschüsse für die Rentenkasse sind eine Folge sozialpolitischer Entscheidungen, an denen alle demokratischen Parteien beteiligt waren. Sie werden gezahlt, um den Ostdeutschen für weniger (mögliche) Einzahlungen das gleiche Rentenniveau zu gewährleisten (36 Milliarden Euro im Jahr), um Witwenrenten auszuzahlen, für die keine Beiträge geflossen sind (19 Milliarden), um die bisherigen Mütterrenten auszuzahlen (20 Milliarden), für die keine Beiträge geflossen sind, um den vielen Bergleuten eine höhere Rente zu zahlen, für die einfach keine Folgegeneration einzahlen kann (drei Milliarden) und den Spätaussiedlern auch (sechs Milliarden) und so weiter. Wer will, kann für die Abschaffung dieser Sozialleistungen auf die Straße gehen, dann aber bitte laut, deutlich und konkret!

Was heißt das aus meiner Sicht für den aktuellen Koalitionszoff?

  1. Macht den Deckel zu und verabschiedet das vorliegende Programm, bevor an der Stelle die Koalition auseinanderfliegt. Signalisiert auch den Jungen, dass die gesetzliche Rente ihnen eine ordentliche Grundversorgung bieten wird. Die zweifeln nämlich . Alternativ kann Schwarz-Rot eigentlich nur den ganzen Koalitionsvertrag wieder aufmachen.

  2. Lasst die Renten-Reformkommission, die am 17. Dezember vom Kabinett eingesetzt werden soll, tatsächlich die empirischen Fragen zur Demografie entscheidungsreif abarbeiten .

    a) Wie lange müssen wir im Schnitt künftig arbeiten?

b) Wie viel länger, wenn es uns nicht gelingt, mehr arbeitende Migranten ins Land zu holen?

c) Wie viel länger, wenn es uns nicht gelingt, die bezahlte Lebensarbeitszeit der Frauen in Deutschland zu erhöhen?

  • Und wenn die Expertinnen und Experten dabei sind: Schön wäre auch eine Antwort, die zeigt, wie Deutschland die Pensionsansprüche seiner Beamtinnen und Beamten auf das gleiche Niveau bringt wie die Ansprüche von normalen Erwerbstätigen. Man kann dabei von anderen EU-Staaten lernen.

  • Und Sie, was tun Sie?

    Sie kennen das schon, jetzt kommt mein Plädoyer für aktive Demokratie. Ermutigen Sie die Politikerinnen und Politiker der demokratischen Parteien, eine langfristige Lösung zu finden, die vielen von uns eine längere Arbeitszeit abverlangt, aber niemanden von uns mit dem Gefühl zurücklässt, vergeblich für die gesetzliche Rente eingezahlt zu haben. Es ist Ihre Demokratie. Das sind Ihre Volksvertreter!

    Gleichzeitig, weil ja die gesetzliche Rente den Lebensstandard nicht sichern wird, kümmern Sie sich um private Ergänzungen für Ihren Lebensstandard im Alter. 20 Prozent vom Netto dürfen es schon sein, die Sie zur Seite packen. Vor allem während Sie noch jung sind und niemanden zu versorgen haben, oder wenn Sie schon alt genug sind, dass die Kinder wieder aus dem Haus sind.

    • Das kann für viele von Ihnen der langfristige kostengünstige ETF-Sparplan  sein. Wenn die Regierenden dafür ein Altersvorsorgedepot für jeden hinbekommen, umso besser. Pläne dafür liegen sogar aus Zeiten der Ampel vor .

    • Für andere von Ihnen ist es die eigene Immobilie. Oft werden Sie mit 20 Prozent vom Netto hier nicht auskommen . Aber wenn sich der Traum erfüllen lässt, erfüllen Sie ihn und leben Ihren Traum.

    • Weitere Möglichkeit: Wenn Ihr Arbeitgeber viel Geld drauflegt, nutzen Sie die Möglichkeiten der betrieblichen Altersvorsorge. Liebe Tarifparteien, die Möglichkeit eines höheren Aktienanteils bei den Betriebsrenten würde schon weiterhelfen. Liebe Regierende – wenn Sie endlich dafür sorgen, dass man solche Verträge einfach und ohne Schaden von einem Arbeitgeber zum nächsten mitnehmen kann, das wäre auch ein Kracher.

    Und für alle, die geriestert haben, schauen Sie sich Ihren Vertrag genau an. Millionenfach lohnt sich die Förderung sogar tatsächlich, dann zahlen Sie weiter ein und nehmen die Staatsknete und die Rendite mit . So langsam kommt auch die Finanzaufsicht Bafin aus dem Knick und zieht den einen oder anderen superteuren Anbieter am Schlafittchen . Millionenfach lohnt sich der Vertrag vielleicht trotzdem nicht. Aber gesetzlich ist klar, Sie bekommen mindestens zur Rente Ihr erspartes Geld zurück. Bei niedrigeren Kosten auch mehr. Kündigen Sie nicht. Stellen Sie den Vertrag einfach beitragsfrei.

    Die Debatte zur weiteren Finanzierung der Rente ist sicher notwendig, demokratisch, streitig. Kann die gerechter werden? Ganz sicher! Sollte sie noch niedriger werden? Nein! Müssen dafür mehr Menschen länger arbeiten? Ja! Und müssen Sie selbst mehr tun? Vermutlich auch!

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