Liebe Leserin, lieber Leser,
haben Sie sich schon mal gefragt, was die zwitschernden Vögel vor Ihrem Fenster einander wohl mitteilen? Und sind Sie wie viele Frauchen und Herrchen überzeugt davon, dass Ihr Hund mit seinem Bellen und Fiepen etwas ausdrücken möchte? Was er denkt, fühlt, möchte? Und gehören Sie auch zu jenen, die sich wünschen, sie könnten ihn verstehen?
Eine Mensch-Tier-Übersetzungshilfe könnte das ändern, vielleicht in Form einer App fürs Handy. CatGPT könnte sie heißen oder Uhulingo.
An solchen Tools arbeiten die Forschenden, die ich bei meiner Recherche über die Entschlüsselung von Tiersprachen interviewt habe, zwar noch nicht. Mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) gelingt es ihnen aber immer besser, in Wolfsgeheul und Vogelzwitschern, Delfinpfeifen und Affengekreisch nach wiederkehrenden Mustern zu fahnden und ihnen Bedeutung zuzuordnen.
Yossi Yovel von der Universität Tel Aviv zum Beispiel ist Fledermausexperte. Gegenwärtig beobachtet der Biologe die fliegenden Kleinsäuger in einer Wüste bei San Francisco. Am Telefon hat er mir erzählt, wie er etwa die Laute streitender Fledermäuse mittels KI analysiert hat.
Yovel ist auch der wissenschaftliche Kopf einer weltweiten Initiative, die mithilfe von Algorithmen die Laute verschiedenster Tiere entschlüsseln will – um einst besser mit ihnen kommunizieren zu können.
Wenn das gelänge, würde sich eine uralte Sehnsucht erfüllen. Ob Löwe und Bär in den Fabeln des Äsop aus der griechischen Antike, die listige Schlange in der biblischen Schöpfungsgeschichte, der aus Grimms Märchen bekannte gestiefelte Kater oder Panther Baghira in Rudyard Kiplings »Dschungelbuch«: Seit Menschen einander Geschichten erzählen, treten darin auch sprechende Tiere auf.
Gemeinsam mit dem Londoner Finanzunternehmer Jeremy Coller hat Yovel einen Forscherwettstreit ins Leben gerufen. Der »Coller-Dolittle«-Preis wurde Mitte Mai zum ersten Mal vergeben. Er ist nach dem Stifter des Preisgelds und nach einer berühmten Romanfigur benannt: In den Kinderbüchern des britischen Autors Hugh Lofting aus den Zwanzigerjahren geht es um den Arzt Dr. Dolittle, der die Sprache der Tiere versteht.
Der Preis wird für Forschungsansätze vergeben, bei denen eine wechselseitige Kommunikation gelingt: Die Tiere müssen auf die von Menschen erzeugten Signale eine messbare Reaktion zeigen.
Im Mai wurde der Preis zum ersten Mal vergeben. Er ging an eine Neurowissenschaftlerin, die das Pfeifen von Delfinen erforscht. Jedes der Tiere hat eine akustische Visitenkarte, einen Laut, an dem es Artgenossen erkennen können. Aber was genau bedeuten die anderen Pfeiftöne, mit denen sich Delfine verständigen?
Meinen Text können Sie hier nachlesen .
Herzlich
Ihre Julia Koch
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Delfine im Indischen Ozean: Jedes Tier hat eine akustische Visitenkarte
Foto: Gabriel Barathieu / Biosphoto / AFPFledermausforscher Yovel, Kollegin im Juni in den USA: Auf den Spuren von Dr. Dolittle
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