Forschende sehen Fruchtfliegen beim Kotzen zu

Gelegentlich beschäftigen sich Forschende mit Themen, bei denen sich die Frage aufdrängen könnte, was das eigentlich soll. Ein aktuelles Beispiel ist eine Studie, die im renommierten Fachblatt »Science Advances« erschienen ist.

Forschende aus China berichten darin, dass sich Fruchtfliegen übergeben können. Das hätten Experimente bestätigt, Genetik und Pharmakologie seien auch zum Einsatz gekommen. Was nach einer wenig bahnbrechenden Entdeckung klingen mag, könnte der Wissenschaft jedoch bei einer entscheidenden Frage weiterhelfen: Wie genau funktioniert Erbrechen?

Bisher ist das überraschend wenig untersucht, weil typische Labortiere wie Mäuse und Ratten diese Fähigkeit nicht haben. Die Fruchtfliege Drosophila melanogaster könnte jetzt Abhilfe schaffen – als ein sogenannter Modellorganismus.

Erst würgen, dann aufstoßen

Ein Team um Wei Zhang von der Tsinghua-Universität in Peking hatte überraschend festgestellt, dass die winzigen Insekten den bitter schmeckenden Pflanzenstoff Berberin wieder ausspucken, wenn sie damit gefüttert werden. »Dies führte zu der Hypothese, dass es sich hierbei um eine erbrechensähnliche Reaktion handelte«, berichtet das Forschungsteam.

Erbrechen ist häufig eine Schutzreaktion des Körpers – etwa, wenn toxische Substanzen aufgenommen wurden. Es ist ein komplexer Prozess, bei dem Verdauung, Atmung, Nervenbahnen und das Herz-Kreislauf-System aktiv sind. Das Übergeben besteht aus zwei Hauptphasen: auf Würgen folgt das Ausstoßen.

Pferde können nicht erbrechen

Wie die einzelnen Organsysteme dabei kommunizieren, insbesondere die Atmung und die Verdauung, sind noch unzureichend verstanden, heißt es von den Forschenden; ebenso die molekularen Mechanismen dahinter.

Von vielen Fliegenarten hingegen ist bekannt, dass sie beim Fressen Verdauungssäfte abgeben und die vorverdaute Nahrung dann wieder aufschlürfen. Funktionell handelt es sich dabei aber nicht um Erbrechen im eigentlichen Sinne.

Um herauszufinden, ob die Fruchtfliegen tatsächlich erbrechen, führten die Wissenschaftler eine Reihe von Tests und Analysen durch. In einem Experiment bekamen die Fliegen einen Tag lang kein Wasser und kein Essen, damit sie eher gewillt waren, das bittere Berberin zu fressen.

Honig ist Bienenkotze

Ausgehungert schlürften die Tiere dann wirklich binnen Sekunden große Mengen der Lösung, erkennbar an der Grünfärbung ihres Hinterleibs. »Kurz darauf zeigten sie eine Rüsselstreckung, gefolgt von kräftigem Ausstoßen der Lösung«, beschreiben die Forschenden. Mithilfe genetischer und pharmakologischer Ansätze sei der vollständige Regulationsweg dafür identifiziert worden.

In der Summe bestätigten die Analysen, dass es sich bei dem durch Berberin induzierten Verhalten um eine Art Erbrechen und nicht um das bekannte Aufstoßen der Verdauungssäfte von Fliegen handelt, erläutern die Forschenden.

Drosophila melanogaster könnte deshalb als Tiermodell genutzt werden, um zu verstehen, wie die Organe beim Erbrechen interagieren. Obwohl sich Fliegen und Säugetiere stark voneinander entscheiden, funktionierten die Signalwege beim Erbrechen ähnlich, so das Expertenteam.

Viele Pflanzenfresser und Nagetiere sind nicht in der Lage, sich zu übergeben, um aufgenommene Giftstoffe wieder loszuwerden, bevor sie im Körper Schaden anrichten. Daher kommt auch der Spruch: »Ich habe schon Pferde kotzen sehen«, wenn etwas extrem unwahrscheinlich erscheint.

Tatsächlich ist das Verdauungssystem der Tiere so aufgebaut, dass sie sich in der Regel nicht übergeben. In Ausnahmefällen kommt der Mageninhalt allerdings wieder hoch, zum Beispiel, wenn der Magen überfüllt ist.

Wölfe wiederum würgen gefressenes Fleisch für ihre Welpen wieder hoch, auch Störche, Rabenvögel und Pinguine geben vorverdaute Nahrung so an ihre Brut weiter. Katzen und Greifvögel werden über Erbrechen Haarballen, Knochen und Federn ihrer Beute los, Aasgeier wehren mit säurehaltigem Erbrochenem Raubtiere ab.

Nicht zu vergessen: Honig ist nichts anderes als Bienenkotze – wieder ausgespuckter Nektar von Blumen, angereichert mit Enzymen aus dem Magen von Bienen.

Fruchtfliege im Reagenzglas: Die Insekten sind leicht zu halten und vermehren sich schnell, sie werden in der Wissenschaft deshalb häufig als Versuchstiere eingesetzt

Foto: Shi et al., Sci. Adv. 11, eadv1143 / dpa

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