Und als Nächstes muss ich mich für Trockenshampoo interessieren

»In der Ukraine herrscht Krieg, Donald Trump steuert die USA und die Welt ins Chaos – und die Kita hat auch schon wieder zu! Krisen bestimmen unseren Alltag. Aber wie gehen wir in der Familie damit um?« Mit diesen Zeilen haben wir unsere Abonnentinnen und Abonnenten nach Hamburg eingeladen – zum Austausch beim ersten echten SPIEGEL-Elternabend an der Ericusspitze. Wein, Lesungen und Gesang (von unserem Kolumnisten Julius Fischer ) gab es ebenfalls – damit hatten wir eventuell den gleichzeitig stattfindenden Elternabenden in den umliegenden Schulen etwas voraus.

In der Redaktion hatten wir noch diskutiert, ob man eine geschlossene Kita in einem Atemzug mit Putins Angriffskrieg nennen kann. Relativiert man da nicht Dinge, die keine Relativierung verdienen? Nach der Debatte überwog die Meinung: Es ist okay, beides in einem Satz zu nennen. Weil jede Krise im Moment der Krise ein Gewicht hat, das diesen Moment beschwert. Selbst wenn es nur ein kaputter Betonmischer aus Hartplastik ist, den ein Kleinkind beweint.

»Große Krisen und kleine Krisen fühlen sich aus der Elternperspektive oft ähnlich an«, sagte meine Kollegin Anna Clauß, eine unserer Elternkolumnistinnen und Leiterin des Meinungsressorts. »Den Sprung von Trump zum Trommelauftritt des Sohnes machen wir doch täglich.«

Das bestätigte sich auch in den Gesprächen auf dem Live-Elternabend in dieser Woche. Wir haben Sie gefragt: Was fehlt Ihnen in unserer Berichterstattung? Wovon möchten Sie mehr? Und welche Themen lassen Ihnen zwischen Babyakne und Pubertät graue Haare wachsen? Lesen Sie hier, was unsere Leserinnen und Leser (genau wie uns Redakteurinnen und Autoren) beschäftigte – und welche Antworten wir gemeinsam fanden.

  • Natürlich ging es um die großen Probleme unserer Zeit – Kriege etwa und die Klimakrise – und wie wir es schaffen, Kinder gut durch die Flut der Bilder zu begleiten. »Wenn meine achtjährige Tochter in der Mediathek die ›Logo‹-Kindernachrichten schauen will, dann prüfe ich vorab sehr gründlich die Themen«, sagt eine Mutter. Sicher ein kluger Schritt. Denn unvorbereitet und unbegleitet können Nachrichten verstörend wirken. So sieht es auch die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Julia Asbrand. »Globale Krisen sind keine Kinderthemen«, sagt sie in einem Interview , das mein Kollege Malte Müller-Michaelis mit ihr führte. Sie sind allerdings auch nichts, das man auf Dauer verheimlichen kann. Eltern sollten daher im Hinterkopf haben, dass sie nicht nur über Fakten und Informationen sprechen, sondern immer auch Emotionen auslösen. »Und das sollten wir auch sagen«, rät die Psychologin: »Es ist okay, dass uns ein Problem Angst macht, dass es uns wütend, traurig oder hoffnungslos macht. Man muss auch bereit sein, über Gefühle zu sprechen.« (Wie Kinder lernen, ihren Emotionen nachzuspüren und sie zu benennen, lesen Sie in diesem Artikel .)

Wann soll mein Kind ein Smartphone bekommen? Klar, dass das Thema aufkommt an einem Abend, der unter dem Motto steht: »Ich krieg die Krise – Umgang mit kleinen und großen Katastrophen in der Familie«. Welche Risiken birgt die Bildschirmzeit und wie schränke ich sie clever ein? Lässt sich die Nutzung überhaupt regulieren? »Wenige Erziehungsthemen sind so aufgeladen wie der Zugang zu Smartphones und Social Media«, schrieb vor Kurzem unsere Autorin Nathalie Klüver. Lesen Sie hier, wie Familien gute Regelungen finden , und wann Eltern einschreiten müssen. Auch die Kolleginnen von DEIN SPIEGEL befassen sich regelmäßig mit dem Thema, etwa in diesem Interview, in dem eine Lehrerin sagt: »Verbote sind vielleicht anfangs unbequem, aber oft sinnvoll.« 

  • Verbote können natürlich auch richtig nach hinten losgehen. Davon berichtete auf dem Elternabend Agneta Melzer. Die zehnjährige Tochter der SPIEGEL-Leserin haut ihr Taschengeld gern im Drogeriemarkt auf den Kopf. »Das darf sie natürlich«, sagt Melzer. »Allerdings nicht für ungesunde Sachen.« Neulich kam ihre Tochter mit Haarparfüm nach Hause. »Ich wusste gar nicht, dass es Haarparfüm gibt«, sagt Melzer – und schon sah sie sich gezwungen zu recherchieren. »Das Problem: Immer wenn ich etwas verbiete, kauft meine Tochter es trotzdem – und lügt mich dann an.« Melzer sucht noch nach einem guten Umgang mit diesem Problem. Sie findet, dass tiefes Interesse für die Kinder und ihre Vorlieben wichtig ist für die Beziehung und für ein gutes Miteinander. Aber sie verzweifelt an der Masse und Komplexität von Themen, in die sich Eltern einarbeiten müssen, um auf der Höhe ihrer Kinder zu sein, und wünscht sich da Austausch. Immerhin konnten meine Kolleginnen handfeste Tipps geben: »Nach Haarparfüm kommt Trockenshampoo«, wusste Ressortleiterin Ayla Kiran dank ihrer Zwölfjährigen. »Und später Wimpernserum«, vervollständigte Elternkolumnistin Marianne Wellershoff, die zwei 16-jährige Töchter hat.

Ich habe beim SPIEGEL-Elternabend versucht, darauf zu achten, ob sich ein Leser oder eine Leserin von der Elternkolumne meines Kollegen Markus Deggerich hat inspirieren lassen. Diese Woche hatte er – Vater von fünf Kindern – darüber geschrieben, wie es ist, ein Leben an der Seite anderer Eltern zu führen.

Markus beschreibt das so: »Trotz aller Seminare und Regalmeter voller Ratgeberliteratur und natürlicherweise eigener prägender Erfahrungen mit Eltern taumelt man doch meist unvorbereitet durch das Improvisationstheater Elternschaft. Das Ende der Geschichte scheint immer offen, ein Happy End ist nie garantiert, und die eigene Rolle wird ständig hinterfragt, kritisiert, entwickelt – zumal in Krisenzeiten. Und die sind gefühlt mittlerweile immer.«

In seinem Text, der mich sehr zum Lachen gebracht hat, gab Markus auch Tricks für alle noch kommenden Elternabende preis – unter anderem wie man sich davor drückt, das Protokoll schreiben zu müssen. Einen verstauchten (Mittel-)Finger hat zum Glück keiner der Gäste gehoben.

Was schätzen Sie grundsätzlich an Elternabenden – egal ob in Kita, Schule oder Fußballverein? Finden Sie die Treffen vor allem nervig? Oder haben Sie positive Anekdoten für uns? Erleben Sie Elternabende vielleicht als gemeinschaftsbildende Foren und Orte der Mitbestimmung? Schildern Sie uns gern Ihre Erlebnisse: familiennewsletter@.de .

Meine Lesetipps

Für alle, die beim SPIEGEL-Elternabend nicht dabei sein konnten, sind hier die Links der Woche. Diese vier Texte haben meine Kolleginnen und Kollegen vorgelesen – und die Gäste auf ganz unterschiedliche Weise damit berührt.

  • Gymnasium? Ohne uns! In dieser Elternkolumne berichtet Anna Clauß, wie schwer sie sich damit tat, beim Wechsel ihres Sohnes auf eine weiterführende Schule die richtige Entscheidung zu treffen .

  • Erlebnisbericht von einer Vater-Kind-Kur: Mitten in der Pandemie ging mein Kollege Markus Deggerich mit zwei Töchtern auf Reha in die Berge. »Ich habe einiges gelernt über Mütter und ihre Bedürfnisse«, schreibt er. Und sagt: »Vielen Dank für die Erfahrung, liebe Sexistinnen!« 

  • »Unsere Tochter mit Downsyndrom tanzt gern aus der Reihe, ich bin keine Bilderbuchmutter«, schreibt Sandra Schulz in diesem Familiennewsletter. Deswegen gebe es bei ihr bühnenreife Szenen – und eine Essmütze. Über Konsequenz und Pragmatismus in der Erziehung.

  • Bügelperlen-Vorfall: Es gibt im Laufe des Lebens immer wieder Phasen, in denen Dinge in Körperöffnungen gesteckt werden, die da eigentlich nicht reingehören. Das ist meist nicht weiter gefährlich, sagt Elternkolumnist Julius Fischer, aber oft eine gute Geschichte .

Gemeinsam kochen – Rezepte für Familien

»Kneten, schnippeln, schneiden, dünsten, garen, essen, schmecken – all das hat einen positiven Einfluss auf uns und unsere mentale Gesundheit«, schreibt meine Kollegin Maren Keller im aktuellen SPIEGEL Extra GENUSS . Es könne einen beispielsweise in einen fast meditativen Zustand versetzen, wenn man ein ganzes Kilo Kartoffeln schält.

»Die Hände lenken den Sparschäler und drehen sanft die Kartoffel. Die Schalenspirale wird immer länger. Wenn die äußeren Umstände stimmen und wir genug Zeit und Muße zum Kochen haben, ist solch eine Tätigkeit nahezu prädestiniert dafür, uns in den Flowzustand zu versetzen. Diesen Zustand, in dem wir völlig in einer Tätigkeit aufgehen. Für einen Moment gibt es dann nur diese Schalenspirale, keine Grübelspirale mehr im Kopf.«

Vielleicht ist es mal an der Zeit für eine georgische Kartoffel-Estragon-Suppe – hier steht , wie es geht.

Mein Buchtipp

Der größte Fehler, den Eltern machen können, ist, sich ständig miteinander zu vergleichen. Müssen alle gleich ticken? Gleich gut sein im Basteln, Bolzen, Bruchrechnen?

Das Bilderbuch »Wozu ist ein Papa da?« (NordSüd Verlag) feiert die unterschiedlichen Qualitäten von Vätern aus dem Tierreich. Da ist einer, der mit seinen Kleinen die feinsten Netze spinnt. »Solche, in denen am frühen Morgen die Tautropfen glitzern«, heißt es im Text von Peter Horn. Einer führe seinen Kindern vor, wie man von Halm zu Halm springt, und einer fliegt mit seinem Nachwuchs »wunderschöne Lichtschleifen durch die Nacht«. In der Geschichte muss ein Schildkrötenjunges erraten, welche Papas gemeint sein könnten – und am Ende wartet ein ganz besonderes Rätsel auf das Kleine. Ein Buch, das nicht nur Papaherzen höher schlagen lassen dürfte. Herbstlich-hübsch illustriert.

Herzlich
Ihre Julia Stanek

SPIEGEL-Elternkolumnistin Anna Clauß mit Leserinnen und Lesern in Hamburg: »Große Krisen und kleine Krisen fühlen sich aus der Elternperspektive oft ähnlich an«

Foto: Philipp Schmidt / DER SPIEGEL

Jetzt singen sie auch noch: SPIEGEL-Kolumnisten Julius Fischer (Gitarre) und Malte Müller-Michaelis (am Mikrofon, im weitesten Sinne)

Foto:

Philipp Schmidt / DER SPIEGEL

SPIEGEL-Leserinnen und Leser in der Diskussion: Was kommt nach dem Haarparfüm?

Foto:

Philipp Schmidt / DER SPIEGEL

SPIEGEL-Kolumnistin Sandra Schulz

Foto: Philipp Schmidt / DER SPIEGEL

SPIEGEL-Elternkolumnist Markus Deggerich: »Improvisationstheater Elternschaft«

Foto: Philipp Schmidt / DER SPIEGEL

Verwandte Artikel

Next Post