Erfolg für Londons Kusch- und Kuschelkurs

Weißer Rauch in Rom

Das Konklave hat einen neuen Papst gewählt – alle Entwicklungen hier live.

1. Geballte Menschenfeindlichkeit

Der Philosoph Theodor W. Adorno fand, dass man nach Auschwitz keine Gedichte mehr schreiben könne, das sei »barbarisch«; gedichtet wurde trotzdem weiter, ob man die Ergebnisse nun gut findet oder nicht. Am Tag, an dem der Zweite Weltkrieg und die mörderische Herrschaft der Nazis endeten, ist in vielen Ansprachen vom »Nie wieder« die Rede gewesen (hier mehr zum Gedenktag).

Barbarisch gehetzt aber wird auch heute wieder, und das auch in der deutschen Politik. Meine Kollegin Ann-Katrin Müller und meine Kollegen Maik Baumgärtner, Ansgar Siemens und Wolf Wiedmann-Schmidt haben das 1108 Seiten lange Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfW) zur Partei AfD gelesen und ausgewertet. »In dem Gutachten zeichnet der Verfassungsschutz das Bild einer Organisation, die sich auf einen eindeutigen Kurs nach rechts außen begeben hat«, schreiben sie. Auf vielen Ebenen der Partei gebe es völkische, rassistische, minderheitenfeindliche und antimuslimische Äußerungen von Funktionären, die das Gutachten belegt. (Lesen Sie hier mehr dazu ).

»Das Papier birgt Sprengstoff. Das BfV erklärt darin die größte Oppositionspartei, die bei der Bundestagswahl mit 20,8 Prozent zweitstärkste Kraft wurde, offiziell für verfassungsfeindlich«, so meine Kollegen. Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla reagierten empört, die AfD hat Klage gegen ihre Einstufung als »gesichert rechtsextremistisch« eingereicht.

Heute hat das BfV bekannt gegeben, dass es die AfD bis zu einer Gerichtsentscheidung über ein Eilverfahren nicht mehr öffentlich als gesichert rechtsextreme Bestrebung bezeichnen wird. Der Inlandsgeheimdienst gab im Rechtsstreit mit der AfD eine sogenannte Stillhaltezusage ab, man wolle sich »mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht« in der Angelegenheit nicht öffentlich äußern. Der Schritt soll das Verfahren beschleunigen. (Hier mehr dazu).

»Wenige Stellen im Gutachten sind wirklich überraschend, wenn man sich schon länger mit der AfD beschäftigt«, sagt meine Kollegin Ann-Katrin Müller, die sich seit sechs Jahren mit der AfD beschäftigt. »In der Geballtheit ist es aber doch sehr aufschlussreich, eben auch weil der Verfassungsschutz Menschenfeindliches von allen Ebenen der Partei zusammengetragen hat.«

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Das steht im AfD-Gutachten 

2. Der britische Premier schmeichelt Trump – und wird dafür belohnt

Angeblich hat Donald Trump heute mal wieder einen tollen Deal zustande gebracht, diesmal einen zwischen den USA und Großbritannien. Der US-Präsident hat eine »volle und umfassende« Handelsvereinbarung zwischen den Ländern verkündet, laut britischen und US-Medien dürfte es lediglich ein Rahmenabkommen und ein Versuch der Schadensbegrenzung im von Trump selbst losgetretenen Zollstreit sein. (Lesen Sie hier mehr).

Für die Vereinigten Staaten ist es die erste größere Handelsvereinbarung nach Trumps weitreichender Verhängung von Strafzöllen.

Trump und Starmer hatten schon zuvor eine diplomatische und wirtschaftliche »besondere Beziehung« zwischen den USA und Großbritannien betont. Die »special relationship« beider Länder ist ein fester Begriff im Englischen. Der Handel zwischen beiden Volkswirtschaften ist aktuell relativ ausgeglichen – laut Statistik exportierte Großbritannien 2024 Waren im Wert von 59,3 Milliarden Pfund (69,7 Milliarden Euro) in die USA und importierte von dort Waren im Wert von 57,1 Milliarden Euro.

»Der ökonomische Effekt des Deals mag sich darauf beschränken, den Schaden zu minimieren, den Donald Trump mit seinen Zöllen anrichtet«, sagt mein Kollege Steffen Lüdke, der aus London berichtet. »Politisch ist der Deal aber ein echter Coup für Starmer. Er hat von Anfang an darauf gesetzt, Trumps Ego zu schmeicheln, ihm so gut wie nie zu widersprechen. Das wirkt unterwürfig, manchmal geradezu grotesk. Aber bisher gibt ihm der Erfolg recht.«

  • Lesen Sie hier mehr: Schleimer-in-Chief 

3. Putin hat Xi schon mal eine große Portion Speiseeis geschenkt

Chinas Präsident Xi Jinping hat heute einen Staatsbesuch in Moskau begonnen und sich mit Russlands Präsident Wladimir Putin getroffen. Anlass von Xis Aufenthalt in Russland sind die für Freitag geplanten Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Kapitulation Nazideutschlands im Zweiten Weltkrieg. Xi hat Russland Unterstützung gegen angebliche »Schikanen« zugesichert und gesagt, China wolle seine strategische Zusammenarbeit mit dem Land intensivieren. (Lesen Sie hier mehr.)

Ob Xi, der Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht verurteilt und sich offiziell neutral gibt, in Moskau ein Begrüßungsgeschenk erhalten hat? Vor ein paar Jahren hat Putin dem Chinesen zu dessen Geburtstag jedenfalls eine größere Ladung Speiseeis geschenkt.

Mein Kollege Sven Scharf erinnert an andere kuriose Geschenke von Politikern an Politiker, oft fällt ihnen irgendwas mit Tieren ein:

  • US-Präsident Barack Obama bekam im Jahr 2011 bei einem Besuch in Australien eine Versicherung gegen einen Krokodilangriff übereignet.

  • Bundespräsident Johannes Rau erhielt 2002 bei einem Besuch in Mali ein Zebu-Rind, nahm das Präsent allerdings nicht mit nach Hause.

  • Angela Merkel wurden mehrfach Kamele zum Präsent gemacht. In Saudi-Arabien überreichte ihr König Abdullah 2007 zwölf Kamele aus Gold. Als ihr der turkmenische Präsident wenig später zwei lebende Exemplare schenken wollte, lehnte sie aber dankend ab. Der offizielle Grund: logistische Probleme.

»Wladimir Putin inszeniert sich gern als Tierfreund«, schreibt Sven. Vom Staatschef Bulgariens erhielt Putin 2010 einen Karakatschan-Welpen, in Japan zwei Jahre später eine Akita-Hündin. Dass Putin selbst aber wohl eher keine Hunde verschenkt, könnte auch daran liegen, dass die mal als mehr und mal als weniger wertvoll gelten, zitiert mein Kollege eine Historikerin: »Als diplomatisches Geschenk kann ein Hund durchaus auch einen Affront darstellen.«

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Lego-Raumschiffe, Rollerblades und Krokodil-Versicherungen

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Schusswechsel an der Grenze zwischen Indien und Pakistan: Der Kaschmirkonflikt zwischen Indien und Pakistan schwelt weiter. Islamabad hat den Abschuss indischer Drohnen gemeldet, indische Medien Schusswechsel in der umkämpften Region.

  • Neue Regierung startet unbeliebter ins Amt als die Ampel: Laut »Deutschlandtrend« ist die neue Koalition zu Amtsbeginn deutlich unbeliebter als die vorherige Regierung. Nur ein Drittel der Deutschen hält danach den neuen Bundeskanzler Friedrich Merz für eine gute Besetzung.

  • Die reichsten zehn Prozent sind für zwei Drittel der Erderwärmung verantwortlich: Reiche konsumieren mehr als andere, was Ressourcen verbraucht und dem Klima schadet. Erstmals haben Forscher diesen Einfluss nun berechnet.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

Die Sozialistin, die ihre Partei zu einer Marke machen möchte: Mit Ines Schwerdtner als Parteichefin gelang der Linken ein rasanter Aufstieg. Den Ruhm aber ernten andere in der Partei. Das will sie ändern, mit einfacher Sprache und dem »ABC des Marxismus« .

Was heute weniger wichtig ist

Optimierter Return: Boris Becker, 57, ehemaliger Tennisstar, wünscht sich mehr Achtung für seine historischen sportlichen Leistungen von seinen Landsleuten. In einem Magazininterview sagt der derzeit in Mailand lebende Ex-Champion: »Ich hoffe, für den Rest meines Lebens respektvoller behandelt zu werden, dass man meine Lebensleistung als bester deutscher Tennisspieler der Geschichte mehr würdigt als bisher.«

Mini-Hohl

Der Präsident des Hessischen Städtetags, Gert-Uwe Mende, auf wiesbadener-kurier.de über den Personalbedarf der Stadtverwaltung Wiesbaden: »Mit 2.278 Beschäftigten pro 100 Einwohnern liege man in etwa gleichauf mit Mainz, aber weit hinter München.«

Hier finden Sie den ganzen Hohl.

Cartoon des Tages

Und heute Abend?

Könnten Sie sich mit Andreas Banaski beschäftigen, der ein außergewöhnlicher und ungeheuer frech und polemisch schreibender Musikjournalist war und dessen Arbeit nun in einem Sammelband gewürdigt wird.

Mein Kollege Sebastian Hammelehle rühmt die Arbeit des 2021 gestorbenen Autors Banaski, der unter dem Pseudonym Kid P. für die Hamburger Musikzeitschrift »Sounds« schrieb: Er habe Anfang der Achtziger einen frischen Ton in den deutschsprachigen Journalismus gebracht, »schwungvoll und geistreich, ein Bruch sowohl mit dem Rockjournalismus der Siebzigerjahre als auch mit dem bürgerlichen Feuilleton«. (Lesen Sie hier mehr)

Nachlesen lässt sich das alles in dem von der Münchner Literaturwissenschaftlerin Erika Thomalla herausgegebenen Band mit ausgewählten Texten Banaskis und zahlreichen klugen Begleit-Essays: »Die Wahrheit über Kid P. Wie ein Hamburger Punk den deutschen Popjournalismus erfand«.

Einen schönen Abend. Herzlich

Ihr Wolfgang Höbel, Autor im Kulturressort

AfD-Chefs Chrupalla und Weidel

Foto: Michael Kappeler / picture alliance

Starmer und Trump bei einem Treffen im Februar

Foto: Ron Sachs / ZUMA Press Wire / IMAGO

Xi Jinping und Wladimir Putin Seite an Seite im Kreml

Foto:

Mikhail Metzel / REUTERS

Linkenchefin Schwerdtner

Foto: Jens Gyarmaty / laif
Foto: picture-alliance / dpa

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

Klaus Stuttmann

Autor Banaski

Foto: Henning Schellhorn

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