Warum die Erinnerung niemals verblassen darf
»Es ist geschehen, folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.«
Mit diesen Worten warnte der italienische Schriftsteller und Auschwitz-Überlebende Primo Levi einst davor, im Gedenken an den Holocaust und den Zivilisationsbruch der Nazis nachzulassen. Lapidare Sätze, die auf den Punkt bringen, worum es gerade heute geht.
Am 8. Mai erinnern Deutschland und die Welt an das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung vom nationalsozialistischen Terror vor 80 Jahren, auf zahllosen Gedenkveranstaltungen, Demonstrationen, bei Kranzniederlegungen, auf Paraden und Kundgebungen. Weil es ein runder Jahrestag ist, fällt das Programm besonders üppig aus.
Doch ganz gleich, ob 77, 80 oder 83 Jahre, vor allem die Gegenwart sollte uns bewusst machen, dass die Erinnerung an die Jahre vor 1945 niemals verblassen darf. Die AfD, vom Verfassungsschutz nunmehr als rechtsextrem eingestuft, wird immer stärker (lesen Sie mehr dazu hier ), rechte Kräfte sind in ganz Europa auf dem Vormarsch, die USA scheinen unter einem Präsidenten mit Faible fürs Autoritäre auf dem besten Weg in ein faschistisches System (mehr dazu hier ).
In dieser Zeit »wäre es zentral, sich auf die Geschichte zu besinnen«, schreibt meine Kollegin Eva-Maria Schnurr, die beim SPIEGEL das Geschichtsressort leitet, in ihrem Essay zum Weltkriegsgedenken. »Nicht (nur), weil es moralisch geboten ist, die eigenen Untaten nicht zu vergessen. Sondern weil die Vergangenheit mahnt, was passieren kann, wenn Demokratien zerbrechen und autoritäre, imperialistische Regime an ihre Stelle treten.«
Es ist geschehen, folglich kann es wieder geschehen.
Der ganze Essay hier: Deutschland muss endlich Konsequenzen aus der Vergangenheit ziehen
Lesen Sie zum Thema auch den aktuellen SPIEGEL-Leitartikel
Entschuldigungsrituale reichen nicht aus: Immer wieder gibt es Milliardenforderungen gegen die Bundesrepublik wegen Kriegsverbrechen zur Nazizeit. 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs sollte sich Deutschland seiner historischen Schuld auch finanziell stellen.
Steigt heute weißer Rauch auf?
Bis zum ersten Rauchzeichen über dem Vatikan dauerte es am Mittwoch länger als erwartet. So lange, dass in diversen Medien schon wild über »wilde Spekulationen« spekuliert wurde: Gibt es ein technisches Problem? Einen medizinischen Notfall? Wurde der Wahlgang abgesagt? Oder gar schon ein neuer Papst gewählt, der sich nun für die Verkündung vorbereiten müsse?
Um etwa 21 Uhr quoll dann schwarzer Rauch aus dem Schornstein über der Sixtinischen Kapelle: kein Franziskus-Nachfolger im ersten Wahlgang. Womit zu rechnen war.
Damit geht das Konklave heute in den zweiten Tag. Für den Vormittag sind zwei Wahlgänge angesetzt, für den Nachmittag ebenfalls zwei. Haben sich zwei Drittel der 133 Kardinäle für einen Kandidaten ausgesprochen, wird weißer Rauch aufsteigen (wie die Wahl abläuft, lesen Sie hier ).
Weil alles hinter verriegelten Türen und ohne Wasserstandsmeldungen abläuft, darf bis dahin wild weiterspekuliert werden. Was sagt uns die Möwe, die am Dienstag lange neben dem Schornstein hockte? Welchen Namen wird sich der neue Papst geben (mehr dazu hier)? Hat sich der erzkonservative deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller wirklich abfällig über einen »Kardinal mit 25 Katholiken auf einer Südseeinsel« geäußert, wie die »New York Times« berichtet?
Wenn Sie bis zu einer Entscheidung lieber Ihr Faktenwissen testen wollen, empfehle ich Ihnen unser Quiz:
Haben Sie das Zeug zum Papst?
Dobrindts Trump-Moment
Alexander Dobrindt hat etwas übrig für den Regierungsstil von Donald Trump. Noch vor der Bundestagswahl hatte der CSU-Politiker den US-Präsidenten dafür gelobt, wie dieser per Dekret und Unterschrift jeden Tag politische Veränderungen herbeiführte.
Nun ist Alexander Dobrindt Alexander Dobrindt, und vielleicht verzichtete der neue Innenminister gestern auch deshalb auf die ganz große Inszenierung. Dennoch wehte ein Hauch von Trump durch die Behörde: Nur Stunden nach Übernahme des Amtes ordnete Dobrindt schriftlich an, von heute an die Kontrollen an den deutschen Landgrenzen Schritt für Schritt zu verstärken und künftig mehr Asylbewerber zurückzuweisen (wie die Polizei das umsetzen soll, lesen Sie hier ). Es gehe um ein »Signal in die Welt und nach Europa«, dass sich »die Politik in Deutschland geändert hat«.
Welche Wirkung dieses Signal hat, zeigte sich schnell. Aus der Schweiz wandte der Justizminister ein, dass Zurückweisungen gegen geltendes Recht verstoßen und beklagte, Deutschland handele »ohne Absprache«. Und Polens Regierungschef Donald Tusk ließ den frisch ins Amt gestolperten Kanzler Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch in Warschau wissen, dass er von Grenzkontrollen und Zurückweisungen nichts halte.
Merz bekomme nun zu spüren, »wie komplex die europäische Wirklichkeit ist«, schreibt mein Kollege Christoph Hickmann, der den Kanzler nach Polen begleitet hat. Oder mit anderen Worten: Wahlkampf ist das eine, Regieren ist etwas anderes.
Mehr Hintergründe hier: Donald Tusk sagt Friedrich Merz, was er von Grenzkontrollen hält: nichts
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Verlierer des Tages…
...ist Sven Krüger. Der parteilose Landrat Mittelsachsens ließ sich am 30. April, seinem letzten Tag als Oberbürgermeister von Freiberg, auf einem Volksfest lächelnd mit einem bekannten Neonazi fotografieren. Als das Bild publik wurde, fand Krüger, früher Mitglied der SPD, zunächst nichts dabei – schließlich lasse man sich als Lokalpolitiker nun mal mit etlichen Leuten knipsen, ohne deren Gesinnung zu kennen.
Nur war der Mann nicht gerade inkognito unterwegs, sondern trug, wie man so schön sagt, szenetypische Kleidung und präsentierte auf dem Foto einschlägige Tattoos. Inzwischen spricht Krüger von einem Fehler und bedauert »ausdrücklich, dass diese Bilder entstanden sind«.
Sächsischer Landrat bedauert gemeinsames Foto mit mutmaßlichem Rechtsextremisten
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
Hilfsorganisation World Central Kitchen kann in Gaza nicht mehr kochen: Für viele Zivilisten im Gazastreifen sind Suppenküchen wie etwa von World Central Kitchen lebensrettend. Nun beklagt die NGO leere Lager. Und Israel blockiert den Nachschub.
Pakistan kündigt Reaktion auf indische Angriffe an: Die pakistanische Armee spricht nach den Angriffen Indiens von 31 Toten und Dutzenden Verletzten. Premier Sharif nutzt ein Treffen seines Sicherheitskabinetts für eine weitere Drohbotschaft an den verfeindeten Nachbarn.
Popstar Liam Payne hinterlässt seinem Sohn Millionenvermögen: Im Oktober 2024 war Liam Payne in Argentinien in den Tod gestürzt. Jetzt wird der Nachlass des One-Direction-Sängers geregelt. Dabei geht es um eine gewaltige Geldsumme.
Heute bei SPIEGEL Extra: Wie gesund sind Kirschen?
Superfood im Check: Kirschen sind ein Symbol für Sommer, Lebensfreude und Lust. Und sie können bei vielen gesundheitlichen Problemen helfen .
Kommen Sie gut in den Tag.
Herzlich
Ihr Philipp Wittrock, Chef vom Dienst in Los Angeles
Weltkriegsgedenken am Brandenburger Tor in Berlin
Foto: Andreas Friedrichs / A. Friedrichs / IMAGOMenschen, die auf einen Schornstein starren (auf dem Petersplatz in Rom)
Foto: Antonio Masiello / Getty ImagesBundesinnenminister Alexander Dobrindt
Foto: Bernd von Jutrczenka / dpaSven Krüger (im Jahr 2023)
Foto: Robert Michael / dpa[M] Linna Grage / DER SPIEGEL; Foto: MarcoFood / Getty Images