Heimat unter Schutt

1. Die Einwohner des verlorenen Dorfes

In der heutigen SPIEGEL-Morgenkonferenz fragte eine Kollegin gleich zu Beginn, wie es den Menschen aus Blatten geht und ob ein Reporter mit ihnen sprechen kann. Blatten, ein kleiner Ort im Schweizer Wallis, gelegen am Fluss Lonza und am Berg Kleines Nesthorn, war bis vor Kurzem die Heimat von 303 Menschen. Dann rutschte ein Gletscher ab und begrub Blatten – und hinter dem Schutt staut sich die Lonza. Sollte der entstandene Damm abrupt brechen, könnte eine Flutwelle das Tal herabfließen.

Mein Kollege Steffen Lüdke ist vor Ort, um mit den Menschen zu sprechen, die ihre Heimat verloren haben . »Viele haben nie vorgehabt, ihren Geburtsort zu verlassen«, sagt Steffen. »Die Familien hatten dort ihre Wurzeln, sie betrieben Hotels, weideten an den Hängen ihre Kühe, oft schon seit Generationen.«

Seit Wochen war den Menschen dort klar, dass Gefahr droht, deswegen konnten die allermeisten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen, ein 64-jähriger Schäfer wird derzeit noch vermisst. In der Schweiz werden besonders gefährdete Abhänge streng überwacht. Die Experten konnten zusehen, wie sich über dem Tal, auf 3000 Meter Höhe, der Berghang des Kleinen Nesthorns Meter für Meter abwärts schob, es folgte eine gewaltige Lawine. Doch auf eine Katastrophe dieser Art kann man sich nicht geistig einstellen, das zeigen Steffens Gespräche mit den Menschen: Bei ihnen herrscht Fassungslosigkeit und Angst vor den kommenden Stunden.

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: 20 Minuten, um ein Leben zusammenzupacken 

2. Aktivisten suchen neue Wege des Protests

Die Leute von der Letzten Generation, das waren die, die sich in den vergangenen Jahren auf Straßen klebten und den Verkehr blockierten, um auf den »Klimakollaps« aufmerksam zu machen, so ihr Tenor. Die Nation hatte gemischte Gefühle zu den Aktionen der Gruppe, viele konnten sich nicht damit identifizieren, Autofahrende waren sauer. Schließlich zog sich die Letzte Generation zurück, nicht ohne anzukündigen, dass man bald wieder von ihr hören werde .

Jetzt gibt es Neues von der Gruppe: Sie nennt sich »Widerstands-Kollektiv« und rückt nachts mit Farbe und Pinsel an, um Fahrradstreifen auf den Asphalt zu malen . Dass es davon in den meisten großen und kleinen Städten zu wenig gibt, darauf können sich diesmal ja wohl die meisten einigen, scheinen die Aktivisten zu hoffen.

Zwei SPIEGEL-Redakteure haben mit einigen der Aktivisten gesprochen; angeblich sollen in den kommenden Wochen bis zu fünf Kilometer Radweg entstehen – angesichts der 200 Meter, die die Aktivisten diese Woche in Bremen schafften, müssten sie dafür rund 25-mal ausrücken.

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Die »Klimakleber« malen jetzt illegale Radwege 

3. US-Schulaustausch in Gefahr

Am 1. August soll es losgehen: »Ein Austauschjahr an einer amerikanischen Highschool, davon habe ich schon lange geträumt.« Das hat die 16 Jahre alte Elena Bausch meinen Kollegen Armin Himmelrath und Miriam Olbrisch erzählt . Ein Satz, der vor dem Hintergrund einer bösen Überraschung schmerzt: In der Nacht zum Mittwoch hat die Trump-Regierung die Visavergabe für Studierende aus dem Ausland vorläufig ausgesetzt. Betroffen sind auch Au-pairs und Austauschschüler.

Die USA standen zuletzt bei Deutschlands Schülerinnen und Schülern hoch im Kurs. Von den rund 13.000 Jugendlichen, die im Schuljahr 2022/23 zu einem mindestens dreimonatigen Auslandsaufenthalt aufbrachen, reisten knapp 4800 in die USA.

Wie stehen nun die Chancen, dass der ersehnte US-Aufenthalt für Elena Bausch klappt? Und wie gehen die Anbieter der Austauschprogramme mit der Lage um? Meine Kollegen haben die Informationen zusammengetragen.

  • Lesen Sie hier mehr: Was die US-Visasperre für deutsche Austauschschüler und Studierende bedeutet 

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Kennedy-Behörde nutzte für Bericht zu Kindesgesundheit offenbar Fantasiestudien: Mit einem Report wollte die US-Regierung Ursachen für die schlechte Gesundheitssituation von Kindern darlegen. Allein: Der Bericht ist offenbar stellenweise zweifelhaft, einige angeführte Studien existieren gar nicht.

  • Putin muss den Kartoffelnotstand ausrufen: Die Krise der russischen Wirtschaft kommt allmählich bei den Verbrauchern an. Jetzt musste der russische Machthaber Wladimir Putin im Staatsfernsehen eingestehen: Russlands Kartoffelvorräte sind aufgebraucht.

  • US-Präsident trifft Notenbankchef und wirft ihm »Fehler« vor: Donald Trump arbeitet sich seit Monaten an Jerome Powell ab. Er will den Chef der US-Notenbank zur Zinssenkung drängen. Nun gab es ein Treffen. Allzu harmonisch ging es dabei offenbar nicht zu.

  • Seltsamer Stern gibt Forschern Rätsel auf: Astronomen haben zufällig einen einzigartigen Stern in der Milchstraße entdeckt. Anders als ähnliche Himmelskörper sendet er Radiowellen und Röntgenstrahlen aus. Nun rätseln Forscher, worum genau es sich bei dem Objekt handelt.

Meine Lieblingsglosse heute:

Freitags finden Sie hier immer die Kolumne »So gesehen« meines Kollegen Stefan Kuzmany als Teil der Lage am Abend. Heute schreibt Stefan über den neuen Unmut der Grünenspitze über Jette Nietzard, Chefin der Jugendorganisation der Partei:

Der Konflikt zwischen der Spitze von Bündnis 90/Die Grünen und der Sprecherin der Jugendorganisation ihrer Partei hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Nach einem in sozialen Medien geposteten Foto, das Jette Nietzard mit einem Pullover zeigt, auf dem der Schriftzug »ACAB« zu lesen ist, hatte ihr Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, den Parteiaustritt nahegelegt. »ACAB« ist eine Schmähung und steht für »All Cops Are Bastards«, zudem trug Nietzard eine Kappe mit der Aufschrift »Eat the Rich«. Später erklärte sie, das Posting als Privatperson abgesetzt zu haben.

In der Grünenspitze wird befürchtet, Nietzard könne mit ihren Aktivitäten den Wahlkampf in dem südlichen Bundesland erschweren, wo der Ex-Bundesminister Cem Özdemir die Nachfolge Kretschmanns antreten will. Auch vor der Bundestagswahl war Nietzard bereits mit umstrittenen Äußerungen aufgefallen.

Nun legte Nietzard nach. »Gerade rausgefunden, dass Cem ein Mann ist – unwählbar!«, postete die 26-Jährige in der Nacht zum Donnerstag auf ihrem Instagram-Account, um dann allerdings im Deutschlandfunk zurückzurudern: Gemeint gewesen sei nicht Özdemir, sondern ein »Bekannter aus ihrem privaten Umfeld mit demselben Vornamen«. Am Nachmittag veröffentlichte Nietzard dann ein Foto des 77-jährigen Kretschmann und kommentierte: »Wenn grüne Blätter welken, werden sie braun.« Auf Nachfrage der dpa erklärte Nietzard, der Satz beziehe sich auf im Hintergrund zu sehendes Blattwerk und sei eine »private Kritik am menschengemachten Klimawandel«.

Für Montag wurde Nietzard nun zu einem Krisengespräch in die Parteizentrale einbestellt. Nietzard zeigt sich in einer ersten Reaktion auf Instagram skeptisch: »Dürfen die das? Dachte immer, die Grüne Jugend wäre meine Privatorganisation.«

  • Alle Folgen »So gesehen« finden Sie hier

Was heute weniger wichtig ist

Großer Deal für kleine Tuben: Model und Unternehmerin Hailey Bieber zeigt der Influencerwelt gerade, wie man ein Geschäft abwickelt. Sie hat ihre Kosmetikmarke Rhode, die unter anderem Lipgloss im Programm hat, für eine Milliarde US-Dollar an e.l.f. Beauty verkauft.

Mini-Hohl

Hier finden Sie den ganzen Hohl.

Cartoon des Tages

Und am Wochenende?

Eine gute Sache hat die dritte Staffel des »Sex and The City«-Reboots  ja: Sie spielt in einer vortrumpschen Zeit. Zugegeben, ansonsten war »And Just Like That…« inhaltlich bisher sinnbefreit bis oberflächlich, aber ist es nicht genau das Bisschen, das nach der harten Arbeitswoche noch reinpasst ins Gehirn? Die Frage, ob Carrie endlich erkennen wird, dass sie auch allein vollständig sein kann, oder ob Samantha vielleicht doch noch mal zurückkommt: Viel mehr möchte ich Ihnen in Ihrem wohlverdienten Feierabend gar nicht zumuten.

Ihre Nike Laurenz, stellvertretende Ressortleiterin Leben

Blatten nach dem Bergsturz

Foto:

Sam Buchli / DER SPIEGEL

Von der Gruppe aufgemalter Radstreifen in Berlin

Foto: snapshot-photography / T.Seeliger / ullstein bild

Amerikanische Highschool

Foto: spirope / Depositphotos / IMAGO

Jette Nietzard

Foto:

ESDES.Pictures; Bernd Elmenthaler / Bernd Elmenthaler / IMAGO

Geschäftsfrau Hailey Bieber

Foto: Karwai Tang / WireImage / Getty Images

Aus der »Kölnischen Rundschau«

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

Chappatte

Carrie (Sarah Jessica Parker)

Foto: HBO / Warner / Sky

Verwandte Artikel

Next Post