Die Deutschen haben offenbar enorme Furcht vor Stromausfällen – das besagt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey mit 5000 Teilnehmern. Mehr als ein Viertel der Befragten hält demnach einen großflächigen Ausfall der Elektrizität innerhalb der nächsten zwölf Monate für wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich.
Das erscheint deutlich übertrieben im Vergleich mit der Realität. Nach Angaben der Bundesnetzagentur mussten Verbraucher in Deutschland 2023 im Durchschnitt 12,8 Minuten ohne Strom auskommen. Das entspricht einem Anteil von rund 0,0024 Prozent des gesamten Jahres. Weltweit war nur in Südkorea die Stromversorgung noch sicherer.
Ein Grund für die übergroße Angst dürften die tatsächlich schwerwiegenden Folgen von langen Stromausfällen sein, wie sich zuletzt auf der Iberischen Halbinsel gezeigt hat. Dabei fiel der Strom dort nur für wenige Stunden aus. Der US-Bundesstaat Texas musste im Februar 2021 dagegen gleich mehrere Tage ohne Elektrizität auskommen. Mehrere Hunderte Menschen starben, es kam zu wirtschaftlichen Schäden in dreistelliger Milliardenhöhe.
Die Deutschen fürchten sich laut der Umfrage vor allem davor, dass bei einem Stromausfall die Kühlung von Lebensmitteln ausfallen würde, gefolgt von Problemen bei der Wasserversorgung und dem Ausfall von Heizung, Licht, Internetzugang, Geldautomaten.
Stromversorgung in Deutschland deutlich sicherer als in den USA
Wohl auch deshalb halten 81 Prozent der Befragten einen längeren Stromausfall für das potenziell folgenschwerste Infrastrukturrisiko – noch vor der Störung der Wasserversorgung (63 Prozent) und Ausfällen in Krankenhäusern (50 Prozent) oder Datennetzen (39 Prozent). Bemerkenswert: Nur zwölf Prozent gaben an, dass eine längere Störung im Gasnetz die größten Folgen hätte.
Die gute Nachricht für die Bevölkerung in Deutschland: Die Stromversorgung hierzulande ist bei Weitem sicherer als in den USA, wo es zuletzt pro Kunde 92 bis 125 Minuten pro Jahr ohne Elektrizität gab. Auch im europäischen Vergleich steht Deutschland gut da, die Niederlande oder Österreich hatten zuletzt etwa doppelt so hohe Stromausfallzeiten.
Die Civey-Umfrage wurde von der Trench Group in Auftrag gegeben, einem Hersteller von Komponenten für die Hochspannungs-Energieübertragung. Die Fehlermarge gibt das Umfrage-Institut mit 2,6 Prozent an.
Trench-Group-Chef Bahadir Basdere führt die Ergebnisse auf die durch die Energiewende gestiegene Bedeutung von Strom zurück: »Die Gesellschaft versteht mittlerweile, dass Strom eine strategische Ressource ist.« Die Befragten hätten »absolut recht damit, dass ein länger andauernder Stromausfall das folgenschwerste Infrastrukturrisiko ist«, so Basdere. »Ohne Strom ging früher wenig, heute geht fast nichts mehr.«
Zwar werde Deutschland durch den steigenden Anteil von erneuerbarem Strom am Energiemix weniger abhängig von anderen Ländern. »Andererseits wissen die Menschen, dass die Nutzung von mehr Strom auch die Netze stärker belastet«, sagt Basdere, »und dass deren Steuerung immer komplizierter wird, weil es anders als früher eine Vielzahl kleinerer Stromproduzenten gibt.«
Momentan sind die deutschen Stromnetze oft nicht in der Lage, den geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien zu bewältigen. »Die Antwort darauf kann nur sein, die Stromnetze zügig auszubauen«, sagt Basdere, »und nicht, den Ausbau der Erneuerbaren zu bremsen. Das Hü und Hott in der Politik ist nicht gut für die Gesellschaft.«
Strommasten und Windräder (in Sachsen-Anhalt): Netze können Strommengen aus erneuerbaren Quellen oft nicht bewältigen
Foto: Ardan FUESSMANN / IMAGO