Deutschland schafft das Klimaziel 2030 – aber nur dank schlechter Konjunktur

Deutschland schafft seine Klimaziele bis 2030, trotz großer Verfehlungen in einzelnen Sektoren. Zu dem Ergebnis kommt der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung. Im vergangenen Jahr konnten die Emissionsbudgets im Verkehr sowie im Gebäudesektor wiederholt nicht eingehalten werden. Werden alle Klimamaßnahmen weiterhin fortgesetzt, kann das Ziel für die deutschen Gesamtemissionen im Jahrzehnt von 2021 bis 2030 aus heutiger Sicht wohl eingehalten werden. Die im Klimaschutzgesetz vorgeschriebene Menge würde weder unter noch überschritten, heißt es im am Donnerstag vorgestellten Bericht.

  • Lesen Sie hier das Interview mit dem Vorsitzenden des Expertenrats: Sind wir beim Klimaschutz plötzlich wieder auf Kurs, Herr Henning? 

Als Grund nennt der Rat die schlechte Konjunktur der vergangenen Jahre. »Zwar stellen wir im Ergebnis unserer Prüfung keine Überschreitung des Emissionsbudgets bis 2030 fest«, so der Ratsvorsitzende Hans-Martin Henning. »Aber ohne den Puffer, der sich in den Jahren 2021 bis 2024 unter anderem durch Corona und die schwache Wirtschaft aufgebaut hat, wäre bis Ende 2030 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine deutliche Budgetüberschreitung zu erwarten gewesen.«

Überschreitungen im Verkehrssektor

Die fünf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler prüfen und bewerten die vom Umweltbundesamt ermittelten Berechnungen der Vorjahresemissionen und schauen sich Entwicklungen in ausgewählten Sektoren an.

Der Expertenrat habe die Berechnungen der Emissionsdaten nachvollziehen und die Ergebnisse des Umweltbundesamts bestätigen können, heißt es in dem Bericht. Die Wissenschaftler warnen, »dass der Gebäudesektor sowie der Verkehrssektor im Jahr 2024 zum wiederholten Male die vorgegebenen Jahresemissionsmengen überschreiten.« Und nicht nur das: »In beiden Sektoren ist die Überschreitung höher als im Vorjahr.«

Auch wenn das für die deutschen Klimaziele bis 2030 kaum eine Rolle spielt, hat das Folgen für die europäischen Klimaziele. Dort werden die Sektoren einzeln abgerechnet. »Laut Projektionsdaten werden die nationalen Verpflichtungen unter der europäischen Lastenteilung ab dem Jahr 2024 verfehlt«, so Henning. »Sie weisen eine im Vergleich zum vorigen Jahr gewachsene Ziellücke bis 2030 auf. Auch das übergeordnete 65-Prozent-Ziel für das Jahr 2030 würde nicht erreicht.« Hält sich Deutschland nicht an die EU-Vorgaben, sind Strafzahlungen in Milliardenhöhe fällig.

  • Der Verkehrssektor emittierte dem Bericht zufolge zwar 1,4 Prozent weniger Treibhausgase als im Vorjahr. Die Jahresemissionsmenge von 125,2 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten sei jedoch um 17,8 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente überschritten worden. Der Sektor habe damit zum vierten Mal in Folge den Grenzwert überschritten.

  • Auch im Gebäudesektor sank der Ausstoß von Treibhausgasen im Vergleich zum Vorjahr um 2,3 Prozent. Die Jahresemissionsmenge von 95,6 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente sei jedoch um 4,9 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente überschritten worden. Der Sektor habe damit zum fünften Mal in Folge den Grenzwert überschritten.

Die Projektionsdaten zeigten allerdings, dass die Summe der Treibhausgasemissionen die nach dem Klimaschutz zulässige Menge an Treibhausgasemissionen »weder über- noch unterschreitet«. Deswegen sei keine Nachsteuerung nötig.

»Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 würde sehr deutlich verfehlt«

Das ändert sich aber in den Dreißigerjahren. Ab 2030 zeigten die Projektionsdaten, dass die Emissionsziele deutlich überschritten würden. »Das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 würde damit sehr deutlich verfehlt«, heißt es in dem Bericht. Lücken gebe es etwa bei den sogenannten Restemissionen, für die es keine Ziele gebe, sowie für den Landsektor, also Wälder und Feuchtgebiete, bei denen die Ziele laut den Daten des Uba ebenfalls verfehlt würden. »Damit ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar, wie die Bundesregierung das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 erreichen will«, so Ratsmitglied Marc Oliver Bettzüge. Der Expertenrat fordert deshalb von der neuen Regierung einen »klimaschutzpolitischen Rahmen«.

Der Expertenrat verweist darauf, dass die neue schwarz-rote Koalition unter Bundeskanzler Friedrich Merz bis Ende März 2026 ein neues Klimaschutzprogramm beschließen muss. Darin müssten die festgestellten Zielverfehlungen deutlich adressiert werden, heißt es. Der Rat übt zudem Kritik an der neuen Regierung. »Vom Koalitionsvertrag geht kein nennenswerter Impuls für die Zielerreichung im Jahr 2030 aus«, sagte die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf: »Zudem adressiert der Koalitionsvertrag die maßgeblichen Problemfelder nicht explizit und bleibt an vielen Stellen vage.« Das neue Klimaschutzprogramm müsse sich an der langfristigen Erreichbarkeit der Klimaneutralität ausrichten.

Wie ernst nimmt Friedrich Merz die Klimapolitik? Mehr dazu lesen Sie hier. 

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version hieß es, das Klimaziel von minus 65 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 werde erreicht. Richtig ist, dass nur im Klimaschutzgesetz festgesetzten Gesamtemissionen zwischen 2021 und 2030 wahrscheinlich eingehalten werden. Wir haben die Stelle korrigiert.

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Foto: Rene Traut / IMAGO

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