In besonders stark beleuchteten Regionen singen Vögel durchschnittlich 50 Minuten länger pro Tag als in sehr dunklen. Das ist das Resultat einer wissenschaftlichen Analyse von 583 tagaktiven Arten. Hinweise darauf gab es über Arten, Regionen und Jahreszeiten hinweg: Je stärker die Lichtverschmutzung war, desto früher begannen Vögel morgens mit dem Gesang. Gemäß den Ergebnissen der im Fachjournal »Science« veröffentlichten Studie ist Lichtverschmutzung also auch eine Form von Umweltverschmutzung.
Lichtverschmutzung beeinflusse die Aktivitäten von Tierarten, deren Verhalten vom natürlichen Wechsel zwischen Hell und Dunkel geprägt wird, erläutern die beiden Autoren. So könnten nachtaktive Zugvögel desorientiert sein, der Hormonhaushalt von Tieren leiden und Insekten sterben, schreiben Brent Pease von der Southern Illinois University in Carbondale und Neil Gilbert von der Oklahoma State University in Stillwater in ihrer Studie.
Ihren Angaben zufolge haben sie das erstmals bei Vögeln verschiedener Arten in diversen Gebieten und während unterschiedlicher Jahreszeiten festgestellt. Grundlage war eine weltweite Datensammlung aus den Jahren 2023 und 2024.
In den hellsten Landschaften begannen demnach Gesang und Gezwitscher im Schnitt 18 Minuten früher als in den dunkelsten. Sie endeten zudem 32 Minuten später. Bei Arten mit großen Augen, offen gebauten Nestern, der Gewohnheit zum Vogelzug und großen Verbreitungsgebieten war der Effekt am stärksten. Auch während der Brutzeit waren die Tiere verstärkt betroffen.
Folgen für die Vögel unklar
Ob diese Auswirkungen gut, schlecht oder egal für die Tiere sind, ist bisher nicht gesichert. »Einerseits können 50 Minuten anhaltender Aktivität einen erheblichen Verlust an Ruhezeit bedeuten, insbesondere während der Brutzeit, die für Vögel ohnehin schon anstrengend ist«, schreiben Brent Pease und Neil Gilbert. Andererseits hätten Vögel auch tagsüber Möglichkeiten, sich zu erholen. Und die zusätzliche aktive Zeit könnte positive Effekte haben, »wenn sie eine längere Nahrungssuche oder eine höhere Reproduktionsleistung ermögliche«. Daher sei es nötig, weitere Studien durchzuführen.
»Diese Änderungen wirken vielleicht klein, aber haben echte Konsequenzen«, warnt hingegen Bridgette Farnworth von der neuseeländischen Victoria University of Wellington. Sie ergänzt lokale Beobachtungen: So würden Kiwis beleuchtete Bereiche meiden und Doppelband-Regenpfeifer von Tieren gefressen, die das zusätzliche Licht zur Jagd nutzen.
Auch Natalie Forsdick, Präsidentin des gemeinnützigen Ornithologie-Verbands »Birds New Zealand«, zeigt sich besorgt. Besonders in Neuseeland als »Welthauptstadt der Meeresvögel« sei Lichtverschmutzung ein großes Thema. Auch, weil Vögel durch die Lichter desorientiert werden und dann mit Gebäuden kollidieren könnten – und dadurch schlimmstenfalls sterben. Sie sagt: »Wenn man unnötige künstliche Belichtung begrenzt, kann das die Auswirkungen auf diese Meeresvögel verringern.«