SPIEGEL: Herr Roloff, warum sind Sie gerade in Tel Aviv?
Roloff: Ich fliege seit 2011 ein- bis zweimal im Jahr nach Israel, seit einem Gewerkschaftsaustausch. Diesmal bin ich privat hier, obwohl ich auch politische Termine mache. Das war vom Timing dieses Mal nicht die allerbeste Idee, der Verlauf war aber auch nicht absehbar.
SPIEGEL: Wie haben Sie den israelischen Angriff auf Iran erlebt?
Roloff: Am Mittwoch und Donnerstag war noch alles super: gutes Wetter, spannende Termine. Ich hatte auch schöne Pläne für Freitag, wollte etwa zur Pride Parade. Doch als ich dann morgens aufs Handy geguckt habe, war klar: Okay, das ist jetzt Krisenmodus. Das öffentliche Leben in der Stadt wurde komplett heruntergefahren.
SPIEGEL: Weil klar war, dass iranische Vergeltungsschläge kommen. Wie haben Sie das Wochenende erlebt?
Roloff: Es gibt vier Alarmstufen. Die zweithöchste bedeutet, dass man sich nicht weit von einem Schutzraum entfernen soll. Allenfalls wenige Minuten. Die gilt im Moment einen Großteil des Tages. Jetzt habe ich Glück, dass bei mir im Hotel ein Schutzraum ist. Ich halte mich also im Wesentlichen in meinem Hotelzimmer auf. Es gibt eine Vorstufe, da klingelt die Warn-App auf dem Handy mit dem Signal: In ein paar Minuten kommt wahrscheinlich der Raketenalarm. Dann halte ich mich bereit und muss, wenn der Alarm kommt, innerhalb von 90 Sekunden in den Schutzraum eilen. Da bleibe ich, bis es Entwarnung gibt. Und das mehrmals am Tag und gerade nachts.
SPIEGEL: Wie lange dauert das normalerweise?
Roloff: Das ist unterschiedlich. In der Nacht auf Samstag war ich zweieinhalb Stunden im Schutzraum. Das war ziemlich verstörend. Ich habe Explosionen gehört und mit dem Handy versucht herauszufinden, was passiert. Es klang, als ob die Stadt über mir abbrennt. Das israelische Verteidigungssystem Iron Dome sorgt aber natürlich auch für Explosionen. Als es dann Entwarnung gab und ich rausgucken konnte, habe ich gesehen: Die meisten Raketen wurden abgefangen. Drei sind in der Stadt explodiert, aber nicht in meiner unmittelbaren Nachbarschaft.
SPIEGEL: Wie erleben Sie die Stimmung der Menschen in Israel?
Roloff: Die Israelis haben eine große Resilienz. Sie sind es schlicht gewohnt, so blöd sich das anhört. Aber ob die Raketen aus Iran, dem Jemen oder aus Gaza kommen, macht ja erst mal keinen Unterschied, wenn man im Wohngebiet von Tel Aviv in den Bunker muss.
SPIEGEL: Wie steht es um Ihre Ausreise?
Roloff: Ich habe regelmäßigen Kontakt zur Botschaft. Die betreuen uns gut und müssen jetzt gucken, wann der Luftraum wieder geöffnet wird.
SPIEGEL: Deutschland und Europa wirken in diesem Konflikt machtlos. Was kann die Bundesregierung jetzt tun?
Roloff: Deutschland muss weiter die Freiheitsbewegung in Iran unterstützen. Ich habe großes Verständnis für Waffenlieferungen an Israel, das sich permanent verteidigen muss, und bin dankbar dafür, dass Jordanien iranische Drohnen abschießt. Man wird mit den Mullahs leider nicht groß verhandeln können. Obwohl Deutschland da noch relativ wohlgelitten ist.
SPIEGEL: Die Iraner haben ein Gesprächsangebot von Deutschland, Frankreich und Großbritannien bereits zurückgewiesen.
Roloff: Die Regierung in Teheran muss jetzt natürlich auf stark machen. Aber im Verlauf der Auseinandersetzung könnte es sein, dass sich da doch noch eine Verhandlungsbereitschaft ergibt. Wobei ich nicht glaube, dass es Benjamin Netanyahu um Verhandlungen geht. Ich vermute, er will einen Regimewechsel in Iran.