Die öffentlichen Äußerungen der Verfassungsrichterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf stoßen bei den Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD auf unterschiedliche Reaktionen. Die SPD lobt den Auftritt in der ZDF-Sendung »Markus Lanz« . Brosius-Gersdorf habe »ihre Positionen sachlich, eindrucksvoll und überzeugend dargelegt«, sagte die SPD-Vizefraktionschefin Wiebke Esdar dem SPIEGEL. »Ihre wissenschaftliche Expertise ist unbestritten.«
Sie erwarte, dass die Debatte nun von den Abgeordneten der Union »auf einem sachlicheren Niveau« geführt werde, so Esdar. »Wer dem Ansehen des Bundesverfassungsgerichts nicht weiter schaden will, darf nicht weiter unsachlichen Diffamierungen und Unwahrheiten Widerhall geben.«
Brosius-Gersdorf wurde von der SPD für das Verfassungsgericht nominiert, ihre in der Koalition abgestimmte Wahl scheiterte am Freitag am Widerstand aus der Unionsfraktion . Die Professorin aus Potsdam machte am Dienstagabend deutlich, dass sie trotz der Kritik an ihrer Kandidatur festhalte. Sollte aber eine Regierungskrise oder Schaden für das Gericht drohen, würde sie verzichten.
Lob für den Auftritt kommt auch von SPD-Linken. Es spreche für Brosius-Gersdorf, dass sie sich der öffentlichen Debatte stelle, sagte der Abgeordnete Sebastian Roloff dem SPIEGEL. »Der Auftritt war sehr souverän und die oft in böser Absicht aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate konnten noch mal eingeordnet werden«, so Roloff. »Die Union täte gut daran, sich mehr mit den tatsächlichen Aussagen zu befassen, als der bisherige Verlauf vermuten lässt.«
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann zeigte sich in der RTL-Sendung »Frühstart« dagegen unbeeindruckt von Brosius-Gersdorfs Äußerungen. Über die Richterwahl werde »weder in Talkshows noch in den Medien entschieden«, sagte Connemann. Das müsse vielmehr in vertraulichen Gesprächen zwischen den Koalitionsfraktionen geschehen.
SPD wirft Bär mangelnde Solidarität vor
Für Unmut in der SPD sorgt auch Wissenschaftsministerin Dorothee Bär (CSU). Diese hatte in der ARD-Talkshow »Maischberger« gesagt, sie erwarte von Brosius-Gersdorf, »dass sie mal für sich selbst überlegt, ob sie die Richtige ist«. Bär erklärte außerdem, sie erwarte, »dass man auch kritikfähig sein muss«, wenn man »sich ins höchste deutsche Gericht wählen lassen möchte«.
Die Sozialdemokratin Esdar sagte, sie erwarte von Bär eine wissenschaftspolitische Führung des Diskurses. »Es ist traurig und erschütternd, dass Frau Brosius-Gersdorf ihren Mitarbeitenden aufgrund von Drohungen raten muss, nicht mehr ins Büro zu kommen. Das ist inakzeptabel und eine spürbare Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit in Deutschland.«
Es sei darum »mehr als erstaunlich, dass die zuständige Ministerin der Betroffenen in dieser Situation lediglich Selbstkritik nahelegt«, so Esdar. »In einer Lage, in der die Wissenschaft bedroht ist, wäre mindestens Solidarität die angemessene Reaktion gewesen.«
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels wurde Frauke Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin bezeichnet. Sie ist aber Richterkandidatin. Wir haben den Fehler korrigiert.