Wird Deutschland zum Trump-Flüsterer?

1. Wie lange hält Trumps Sinneswandel?

Nachdem Donald Trump dem russischen Machthaber Wladimir Putin eine 50-Tage-Frist gesetzt hat, den Ukrainekrieg zu beenden, zeigte sich der US-Präsident »enttäuscht« vom Kremlchef. Er habe »noch nicht völlig mit ihm abgeschlossen«, so Trump heute in der BBC. Aber er vertraue ihm nicht. Deshalb wolle er weiter Waffen an die Ukraine liefern. Das kann man als Kehrtwende Trumps werten, der bislang Putin eher umschmeichelte. (Hier mehr dazu ).

Bei dem Schwenk dürfte Deutschland eine Rolle gespielt haben. Verteidigungsminister Boris Pistorius verhandelte mit seinem Kollegen Pete Hegseth über solche Waffenlieferungen. Sein Ziel: Die USA liefern dringend benötigte Patriot-Flugabwehrsysteme, die Europäer – insbesondere Deutschland – übernehmen die Kosten. Die Idee brachte Pistorius bereits im April ins Spiel und verfolgte sie bei mehreren Nato-Treffen weiter. Kanzler Merz unterstützte den Plan und sprach mit Trump, der schließlich signalisierte, dass »Ausrüstung der Spitzenklasse« bald in der Ukraine eintreffen werde.

Pistorius strebt auch den Kauf von US-Mittelstreckenraketen des Typhon-Systems an, um Deutschlands Abschreckungsfähigkeit zu stärken. Mein Kollege Paul-Anton Krüger hat Pistorius nach Washington begleitet, er kommt zu dem Urteil, dass der Schock, den US-Vizepräsident JD Vance mit einer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar ausgelöst hatte, fürs Erste verflogen ist. »Von einem guten Verhältnis zwischen Amerikanern und Europäern ist wieder die Rede«, so Paul-Anton. (Lesen Sie hier mehr darüber ).

Doch die Zeit drängt. Kyjiws Bürgermeister Vitali Klitschko will keine 50 Tage abwarten. Er wirft Trump wegen der Fristsetzung gegen Russland Zögerlichkeit vor. In 50 Tagen könnten noch viel mehr Menschen in der Hauptstadt und in der ganzen Ukraine umgebracht werden, es könnten noch viel mehr Gebäude beschädigt werden, sagte Klitschko. (Hier der ganze Artikel). Der Kreml dagegen wertet Trumps Zusage als Signal für eine Fortsetzung des Kriegs.

Täter-Opfer-Umkehr auf einem neuen Höhepunkt.

  • Lesen Sie hier mehr: So nah war die Bundesregierung ihrem Ziel noch nie 

2. Block-Prozess am Tag zwei schon unterbrochen

Eigentlich hätte an diesem zweiten Verhandlungstag im Prozess die Angeklagte selbst aussagen wollen. Die Unternehmerin Christina Block wollte sich zu den Vorwürfen umfassend äußern, die Entführung ihrer Kinder in Auftrag gegeben zu haben.

Stattdessen beendete die Vorsitzende Richterin die Sitzung schon nach einer Stunde und hob auch gleich die nächsten beiden Verhandlungstermine auf. Erst am 25. Juli soll es weitergehen. Hintergrund der überraschenden Entscheidung sind offene Fragen zum Umgang mit den minderjährigen Kindern. Beide sollten auf Anraten des Anwalts des Vaters von eigenen Opferanwälten vertreten werden, um als Nebenkläger am Prozess teilnehmen zu können. Der wandte sich an die Schutzorganisation »Weißer Ring« und ließ den Nachwuchs von unabhängigen Anwälten vertreten. Doch der Verteidigung der Angeklagten ist das offenbar schon zu viel Einfluss des Vaters. (Hier mehr zur Prozessunterbrechung).

Das Hamburger Oberlandesgericht hatte in der vergangenen Woche nach einer Beschwerde der Verteidigung Blocks entschieden, dass der Sohn vorerst nicht als Nebenkläger auftreten könne. In ihrer nun vorliegenden Begründung der Eilentscheidung hätten die Richter tatsächlich die Frage aufgeworfen, ob der Vater das Kind rechtlich vertreten könne – etwa um Anwälte zu bestellen – oder ob ein Interessenkonflikt bestehe.

Mein Kollege Christopher Piltz verfolgt das Familiendrama von Anbeginn. Nun auch den Prozess. Man merke das Ringen um die Deutungshoheit, so Christopher. Das Argument, der Vater würde zu viel Einfluss auf die Kinder ausüben, wertet er allerdings als »Versuch, ein Störfeuer zu legen«.

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Der dunkle Schatten einer Silvesternacht 

3. Wartet auf Benko eine besondere Immobilie?

Kürzlich wurde im Zuge der Pleite des Ex-Immobilienkönigs René Benko kostspieliges Inventar der Luxusvilla Ansaldi am Gardasee versteigert. Mehr als 1800 Exponate gaben einen Einblick in Benkos Privatleben. (Hier mehr dazu.)

Das könnte künftig womöglich hinter Gefängnismauern weitergehen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien hat erstmals Anklage gegen den ehemaligen Immobilienmilliardär erhoben. Die Justizbehörde ist überzeugt, dass der Österreicher bei seiner Insolvenz als Einzelunternehmer Vermögenswerte zuungunsten der Gläubiger beiseitegeschafft hat.

Die Staatsanwaltschaft wirft Benko vor, dass er »unter dem Eindruck zunehmender Zahlungsschwierigkeiten und einer absehbaren Konkurseröffnung« Angehörigen noch 300.000 Euro geschenkt habe. Insgesamt belaufe sich der in diesem Verfahren festgestellte Schaden auf 660.000 Euro. Der Strafrahmen betrage ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe.

Die Anklage ist Teil des Verfahrenskomplexes rund um die gescheiterte Signa-Gruppe. Dort wird gegen rund ein Dutzend Beschuldigte und gegen zwei Verbände ermittelt. Der bisher ermittelte Gesamtschaden beläuft sich auf 300 Millionen Euro, so die Staatsanwaltschaft.

»Der Fall René Benko steckt voller Merkwürdigkeiten, intransparenten Geldtransfers und Schenkungen von Stiftungen an ihn. Wie feist der Immo-Hasardeur lebte, finanziert auch von seinen heutigen Gläubigern, mutet angesichts dessen geradezu grotesk an«, sagt SPIEGEL-Redakteurin Kristina Gnirke, die Benkos Treiben seit Jahren analysiert.

Die Luxusvilla Ansaldi hatte Benko übrigens nur gemietet. Ausgestattet hatte er sie selbst. Bei der Auktion ging ein »stilvoller Armlehner im Barockstil Creazioni« genauso weg wie der venezianische »Salontisch mit Marmorplatte« und das »Design Tiefspül WC AeT Italia«. In den Knast kann er die schwülstigen Möbel ohnehin nicht mitnehmen.

  • Lesen Sie hier mehr: Staatsanwaltschaft klagt Investor René Benko an

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Stützpunkt in Rheinland-Pfalz – US-Drohneneinsätze im Nahen Osten via Ramstein – Beschwerde scheitert vor Bundesverfassungsgericht: Ist Deutschland mitverantwortlich für US-Drohneneinsätze in Nahost, für die der Stützpunkt Ramstein genutzt wird? Zwei Männer aus dem Jemen zogen vor das Bundesverfassungsgericht, nun haben die Richter in Karlsruhe entschieden.

  • Wichtige literarische Auszeichnung – Georg-Büchner-Preis geht an Ursula Krechel: Die Schriftstellerin Ursula Krechel ist die Büchner-Preisträgerin 2025. Ihr Werk rege laut der Jury an, »das Hier und Jetzt der deutschen Gesellschaft nicht hinzunehmen, wie es ist«.

  • DAK-Report – Gen Z fühlt sich von Generationenkonflikten stark belastet: Eine aktuelle Umfrage offenbart eine sinkende Zufriedenheit junger Arbeitnehmer: Sie klagen über Spannungen zwischen den Generationen, Arbeitsklima und psychische Belastungen.

Meine Lieblingsrecherche heute: Alles, was rechts ist

Einen Tag, nachdem bekannt wurde, welche drei Richterinnen und Richter neu ans Bundesverfassungsgericht berufen werden sollten, schrieb Julian Reichelt, der Chefredakteur des rechtspopulistischen Mediums »Nius«, auf der Plattform X, die Kandidatin Brosius-Gersdorf müsse »verhindert werden!«.

Er berief sich auf einen Beitrag der AfD-freundlichen Plattform »Apollo News«. AfD-Parteichefin Alice Weidel repostete Reichelts Beitrag – und eine beispiellose Kampagne gegen die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf nahm ihren Lauf. Am Ende scheiterte die Wahl dreier neuer Verfassungsrichter. Die Wahl wurde kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags genommen.

Meine Kollegin Livia Sarai Lergenmüller und meine Kollegen Fabian Hillebrand sowie Severin Weiland rekonstruierten, wie sehr rechtsnationale Medien und das Umfeld der AfD Einfluss auf die Entscheidung des Parlaments hatten. Heute Abend tritt Brosius-Gersdorf übrigens solo in der Talkshow von Markus Lanz auf. Ich bin gespannt, wie sie auf die vergangenen Tage blickt.

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Diese Akteure stehen hinter der Netzkampagne gegen Brosius-Gersdorf 

Was heute weniger wichtig ist

Sex out of pity: Die Schauspielerin Sarah Jessica Parker, 60, war offenbar mal kurzzeitig mit ihrem Kollegen Nicolas Cage, 61, zusammen. Nach einem Abendessen mit Parkers Mutter im Russian Tea Room habe Cage aber nie wieder etwas von ihr gehört, gestand Cage jetzt, nachdem Parker die Liaison in einem Podcast öffentlich gemacht hatte. Letztlich habe er wohl den »Mom-Test« nicht bestanden, so Cage.

Mini-Hohl

Hier finden Sie den ganzen Hohl.

Cartoon des Tages

Und heute Abend?

Könnten Sie die Pause bei der Fußball-EM der Frauen nutzen und die Doku »Mädchen können kein Fußball spielen« im MDR-Fernsehen ansehen, falls Sie es bislang verpasst haben. Der Filmemacher Torsten Körner schaut auf die Anfänge in Deutschland, auf den unbotmäßigen DFB und darauf, wie der Fußball in Deutschland ganz langsam weiblicher wurde. »Was Körners Film hingegen mehrwertig und frisch macht, ist der Blick in die DDR«, findet mein Kollege Peter Ahrens. (Lesen Sie hier seine Rezension ).

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich

Ihr Janko Tietz, Leiter des Nachrichtenressorts

Schattenmänner: Wladimir Putin (l.) und Donald Trump im Jahr 2019

Foto: Susan Walsh / AP / picture alliance

Unternehmerin Block mit ihren Verteidigern: Eine Eskalationsspirale, die in der Silvesternacht 2023 ihren Höhepunkt erreicht hat

Foto: Marcus Brandt / dpa

René Benko bei einem Termin am Landesgericht in Innsbruck (Foto vom April 2024)

Foto:

Groder / Eibner-Pressefoto / EXPA / IMAGO

Frauke Brosius-Gersdorf: Schon für einen früheren Auftritt bei Lanz wurde sie kritisiert

Foto: teutopress / IMAGO

Sarah Jessica Parker und Nicolas Cage im Film »Aber nicht mit meiner Braut« (»Honeymoon in Las Vegas«), USA 1992

Foto:

United Archives / Impress / picture alliance

Aus dem Soester Kultur- und Freizeitmagazin »Soso«

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

Klaus Stuttmann

Doreen Meier (l.) und die DDR-Nationalmannschaft

Foto: privat / rbb

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