1. Europas Wirtschaft braucht dringend die Hilfe der Politik
Von wem stammt eigentlich der schlichte, aber vermutlich wahre Satz »It’s the economy, stupid!«, der besagt, dass es auch in der Politik vor allem auf die Wirtschaft ankommt? Angeblich war es James Carville, ein Wahlkampfberater des späteren US-Präsidenten Bill Clinton, der sich den Spruch im Jahr 1992 ausgedacht hat. Heute hat das EU-Statistikamt Eurostat mitgeteilt, dass die Wirtschaft in der Eurozone im Frühjahr massiv an Schwung verloren hat und kaum noch gewachsen ist. Das Bruttoinlandsprodukt im Währungsraum stieg von April bis Juni nur noch um 0,1 Prozent zum Vorquartal.
Vor allem aus dem Industriesektor kommen unerwartet schlechte Nachrichten. Im Juni sank die Produktion der Unternehmen im Euroraum um 1,3 Prozent im Vergleich zum Vormonat. »Nach dem Horror-Handelsdeal der EU mit US-Präsident Donald Trump nun die Nachricht, dass die Wirtschaft in Europa auf der Stelle tritt«, sagt mein Kollege Gerald Traufetter. Die Nachricht sei deprimierend, wenngleich nicht ganz unerwartet.
Der miese Befund habe kurzfristige Gründe, etwa die Unruhe durch den globalen Handelskrieg, den Trump entfacht hat. Aber es gebe auch strukturelle Probleme. »Europa muss dringend aufholen bei den Technologien der Zukunft, sei es künstliche Intelligenz oder Elektromobilität«, so mein Kollege. Belebung sei erst mal nicht zu erwarten, denn im nächsten Quartal würden die neuen 15-Prozent-Zölle auf Exporte in die USA voll durchschlagen. Das schwächt auch die politische Rolle der Europäer, siehe Alaskagipfel zwischen Trump und Putin.
»Also muss Europa jetzt Handelsdeals mit anderen Wirtschaftsregionen schließen, in Asien, Lateinamerika und Afrika«, sagt Gerald. Und es gelte, den technologischen Rückstand aufzuholen, mithilfe der Politik. Denn in der neuen geoökonomischen Welt laute die maßgebliche Losung: »It’s the politics, stupid!«
Lesen Sie hier mehr: Wirtschaft in der Eurozone wächst kaum noch
2. Durch Solidarität und Nachbarschaftshilfe wären manche Hitzetote zu verhindern
»Von der Stirne heiß / Rinnen muß der Schweiß«, heißt es in Friedrich Schillers »Lied von der Glocke«, mit dem sich deutsche Schülerinnen und Schüler über viele Generationen hin beschäftigten mussten, weshalb der Reim am heutigen Hitzetag nicht bloß mir durch den Kopf gedampft sein dürfte. Wie genau die Temperaturen heute in Deutschland aktuell sind, sehen Sie hier .
Meine Kollegin Katja Iken hat mit dem Soziologen Eric Klinenberg ein Interview über Hitzewellen und Extremwetterlagen geführt . Der US-Gelehrte Klinenberg hat vor einiger Zeit mit dem Vorschlag Aufsehen erregt, Hitzewellen mit Namen zu versehen, wie das etwa bei Wirbelstürmen der Fall ist. So will er mehr öffentliche Aufmerksamkeit für die Gefahr dieser Extremwetterereignisse schaffen. Bislang würde gefährliche oder tödliche Hitze von vielen Menschen kaum wahrgenommen, wenn sie selbst die Möglichkeit haben, sich in Kühle zu flüchten, ihre Klimaanlage einzuschalten oder an Seen oder ans Meer zu fahren.
Klinenberg hat sich mit einer besonders tödlichen Hitzewelle im Juli 1995 in Chicago beschäftigt, bei der mehr als 700 Menschen starben – und dabei Fakten herausgefunden, die auch in der heißen europäischen Gegenwart des Jahres 2025 gelten dürften. »Es ist weniger die Armut, die tötet«, sagt der Soziologe, »es ist die Einsamkeit«. In der Regel könne der Hitzetod durch ein einfaches Klopfen an der Tür verhindert werden. Klinenberg wünscht sich »Investitionen in Schwimmbäder, Sportplätze und Gemeinschaftsgärten, um soziale Verbindungen und Solidarität zu fördern, und sagt: »Die Welt wird heißer, die Gesellschaft kälter. Keine guten Aussichten.« (Lesen Sie hier das ganze Interview .)
3. Mähroboter sind für Igel eine tödliche Gefahr
Der Igel ist ein besonders herzerwärmend verklärtes Objekt deutscher Tierliebe und ein in vielen Kinderbüchern porträtiertes Lebewesen. Nun hat die im schönen Osten Deutschlands gelegene Stadt Halle ein Verbot erlassen, um Igel vor Verletzungen und Tod zu schützen. In Halle dürfen künftig nachts keine Mähroboter mehr unterwegs sein. Ihre scharfen Klingen können Igel und andere kleinere Tiere schwer verletzen. Andere Kommunen planen offenbar ähnliche Verbote.
»Mähroboter sind praktisch, aber gefährlich für Igel«, sagt meine Kollegin Julia Koch. »Das Berliner Institut für Zoo- und Wildtierforschung hat die Schnittverletzungen analysiert, die die Geräte Igeln zufügen können.« Knapp die Hälfte der Stacheltiere überlebe die Mähunfälle nicht . Auch wenn Hersteller daran arbeiten, dass die autonomen Rasenmäher Igel und andere Tiere erkennen – aktuellen Studien zufolge klappt das noch nicht. Immerhin: Nicht alle Modelle, haben die Forscher herausgefunden, verletzen die Tiere im Fall einer Kollision.
»Igel sind nachtaktiv, niemand muss unbedingt nachts seinen Rasen mähen. Ich finde das Verbot richtig«, sagt Julia. »Es sollte bundesweit gelten und wird viele Igel retten. Jedenfalls so lange, bis es nur noch tierfreundliche Mähroboter auf dem Markt gibt.« Über den Igel im Garten ihrer Familie berichtet meine Kollegin: »Wenn wir ›unseren‹ Igel im Garten sehen, freuen wir uns. Igel sind natürliche Schädlingsbekämpfer, sie fressen zum Beispiel Nacktschnecken und die dann ihrerseits nicht unseren Salat. Neulich fanden wir den Igel spätabends nah am Gartentor und trugen ihn auf einer Schaufel möglichst weit weg von der Straße. Ihm soll nichts passieren.«
Lesen Sie hier mehr: Halle erlässt nächtliches Fahrverbot für Mähroboter
Was heute sonst noch wichtig ist
Bahnchef Richard Lutz muss gehen: Die Tage von Richard Lutz als Chef der Deutschen Bahn sind gezählt. Nach SPIEGEL-Informationen soll noch heute die Ablösung des Managers verkündet werden.
Ampel genehmigte wohl noch kurz vor Koalitionsbruch Panzerabwehrwaffen für Israel: In Deutschland brodelt die Debatte über Merz’ Waffenlieferungsstopp an Israel. Laut einem Bericht soll die Vorgängerregierung bis in das zweite Halbjahr 2024 die Lieferung eines brisanten Waffentyps ermöglicht haben.
Last-minute-Entwurf zu Plastikmüll sorgt für Bestürzung: Milliarden Tonnen Plastik verschmutzen unseren Planeten. Mit einem Abkommen wollen die Vereinten Nationen die Lage verbessern. Doch kurz vor Ende der Verhandlungen drohen angestrebte Ziele gestrichen zu werden.
Erzeugerpreise für Dienstleistungen steigen so stark wie seit drei Jahren nicht mehr: Die US-Erzeugerpreise stiegen im Juli überraschend stark. Höhere Kosten bei Dienstleistungen und Handel schüren Inflationssorgen und könnten die Zinspolitik der Federal Reserve beeinflussen.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
So wird das E-Auto zur Geldmaschine: Ein britischer Energieversorger gibt Strom kostenlos an Elektroautofahrer ab, im Gegenzug bekommt er Zugriff auf die Akkus. Das Prinzip könnte helfen, eines der größten Probleme der Energiewende zu lösen .
Was heute weniger wichtig ist
Bikerspaß ade: Billy Joel, 76, US-Popstar, will wegen seiner jüngst publik gewordenen Hirnerkrankung seine Motorradsammlung loswerden. Die Sammlung umfasst mehr als 75 Maschinen und ist derzeit noch in einem Laden auf Long Island zu besichtigen, doch nicht mehr lang. Joels Pressesprecher teilte zum Bedauern vieler Musikfans und womöglich zur Begeisterung einiger Bikeliebhaber mit: »Aufgrund einer kürzlich erfolgten medizinischen Diagnose wird Billy seine Motorradsammlung noch in diesem Jahr versteigern.«
Mini-Hohl
Hier finden Sie den ganzen Hohl.
Cartoon des Tages
Und heute Abend?
Könnten Sie sich die Serie »Alien: Earth« auf Disney+ angucken. Sie sollten dafür aber in mehrfacher Hinsicht hartgesotten sein. Erstens sollten Sie sich für gruselige Bilder voller Blut und ekliger Flüssigkeiten begeistern und zweitens nicht von dem einleuchtenden Verriss der Serie durch meinen Kollegen Oliver Kaever vom Zuschauvergnügen abhalten lassen. »Fast möchte man Mitleid bekommen mit dem armen Alien, auf das mittlerweile in sieben Spielfilmen Kameras gerichtet wurden«, schreibt Oliver. Es habe etwas Verzweifeltes, wie Filmemacher versuchen, einem der einflussreichsten Science-Fiction-Filme der Geschichte neue Aspekte abzugewinnen. Immerhin: »Schleim tropft, Zähne werden gebleckt, riesiges Maul öffnet sich, kleineres schießt daraus hervor. Das ›Alien‹-Design des Schweizer Künstlers H. R. Giger ist immer noch beeindruckend, aber die Möglichkeiten, es zu variieren, sind gering.«
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Wolfgang Höbel, Autor im Kulturressort
Niemandem verpflichtet außer Ihnen
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Touristen in Paris: Frankreich gehört zu den Wachstumstreibern in der Eurozone
Foto:Bloomberg / Getty Images
Mähroboter im Garten (Symbolbild)
Foto: Sascha Thelen / dpaElektroauto an der heimischen Wallbox: Autofahrer mischen mit Akkus ihrer Fahrzeuge am Strommarkt mit
Foto:Mitchbergs.com
Billy Joel auf einem seiner Motorräder (2015)
Foto: Bryan R. Smith / APAushang in einem Eiscafé in Husum
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Klaus Stuttmann
Schauspielerin Sydney Chandler in »Alien: Earth«
Foto:Disney+