Ein von der Polizei geräumtes propalästinensisches Protestcamp nahe dem Kanzleramt ist als Versammlung einzustufen. Das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) entschieden und damit der Auffassung der Polizei widersprochen. In dem Camp hatten sich Menschen versammelt, um gegen das israelische Vorgehen im von Palästinensern bewohnten Gazastreifen und gegen die deutsche Israelpolitik zu protestieren.
Offen ist nach der Gerichtsentscheidung vom Freitagabend, ob das Zeltcamp nun wieder im sogenannten Skulpturenpark aufgebaut wird. Nach Angaben eines Polizeisprechers laufen dazu Gespräche zwischen den Organisatoren und der Polizei. Hintergrund ist, dass laut Behörde für Samstag die Errichtung eines neuen Camps im Bereich des Marx-Engels-Forums in der Nähe des Roten Rathauses angemeldet worden ist.
Neues Camp nach Auflösung angemeldet
Am vergangenen Donnerstag war das Protestcamp, das sich rund zwei Monate im Skulpturenpark befand, aufgelöst worden. Zuvor hatte die Polizei mitgeteilt, dass ihm der Versammlungscharakter aberkannt worden sei. Das Bezirksamt Mitte habe daraufhin der weiteren Nutzung der Grünflächen widersprochen und die Bewohner aufgefordert, ihre Zelte und Utensilien abzubauen. Das machten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Der Anmelder zog allerdings vor Gericht – mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht Berlin stufte das Camp weiterhin als Versammlung ein. Eine Beschwerde der Polizei dagegen hatte keinen Erfolg, wie ein Gerichtssprecher mitteilte.
Aus Sicht der Richter erzeugte das Camp nahe dem Kanzleramt »schon aus sich heraus durch seine bloße Anwesenheit an einem politisch besonders bedeutsamen Ort einen gewissen Kundgabeeffekt«. Zudem habe es in den vergangenen Tagen »noch eine ganze Reihe von versammlungstypischen Kundgabeelementen« gegeben.
Polizei scheiterte mit Verlegung vor Gericht
Für die Polizei war es die zweite Niederlage im Streit über das Protestcamp in der Nähe des Kanzleramtes: Die Behörde hatte zwischenzeitlich eine Verlegung an den Hauptbahnhof angeordnet und das mit Lärmbelästigung besonders abends und nachts begründet. Das Verwaltungsgericht entschied jedoch, dass die Zelte wieder am Kanzleramt aufgeschlagen werden dürfen – mit der Auflage an die Aktivisten, leiser zu sein. Auch diese Entscheidung bestätigte das OVG als zweite Instanz.