Bis Freitagabend sollte der Neonazi Marla-Svenja Liebich in der Justizvollzugsanstalt Chemnitz eine Haft antreten. Das tat er nicht. Polizei und Staatsanwaltschaft suchen nach dem verurteilten Rechtsextremisten.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft führt sie die Fahndung in Absprache mit der Polizeiinspektion Halle durch. Demnach folgt nun eine Ausschreibung in den polizeilichen Suchsystemen. Außerdem werde unter anderem geprüft, wo Liebich zuletzt gewohnt und mit wem er Kontakt hatte. Zu den Einzelheiten gab die Behörde keine weitere Auskunft.
Sollte Liebich gefunden werden, könne er auf Grundlage des Haftbefehls von der Polizei festgenommen und in die JVA gebracht werden, erklärte Oberstaatsanwalt Dennis Cernota auf Anfrage. Dass Liebich die Haft nicht pünktlich angetreten hat, führe in der Regel auch dazu, dass das Absitzen der Freiheitsstrafe nicht erleichtert wird – etwa durch eine Unterbringung im offenen Vollzug.
Volksverhetzung und üble Nachrede
Liebich ist unter anderem wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu 18 Monaten Haft verurteilt. Ende vergangenen Jahres nutzte der Neonazi das Selbstbestimmungsgesetz, um den Geschlechtseintrag zu weiblich und den Vornamen zu ändern. In den vergangenen Wochen hat dies zu einer breiten Debatte über das Selbstbestimmungsgesetz geführt, Kritiker fordern eine Überarbeitung der Regelungen.
Zum Haftantritt wurde Liebich nun gemäß Geschlechtseintrag in die Justizvollzugsanstalt Chemnitz, ein Frauengefängnis, geladen. Es liegt nahe, dass er damit vor allem das neue Gesetz lächerlich machen und Behörden vorführen will.
Viele Medien, auch der SPIEGEL, hatten über seinen früheren Vornamen »Sven« und seine Vergangenheit als männlicher Neonazi berichtet. Liebich forderte unter anderem Schmerzensgeld wegen angeblicher Verletzung der Persönlichkeitsrechte als trans Person, zog seine Forderungen aber schlussendlich wieder zurück.
Auch eine Beschwerde beim Presserat verpuffte und wurde einstimmig als unbegründet abgelehnt: Es sei wahrscheinlich, dass Liebich »die Änderung des Personenstands in missbräuchlicher Art und Weise vorgenommen hat, um zu provozieren und den Staat vorzuführen«. Auch deshalb hat sich der SPIEGEL entschieden, Liebich beim männlichen Pronomen zu nennen.
Liebich hatte über die Plattform X angekündigt, die Haft am Freitagabend antreten zu wollen. Am Abend selbst wurde dann unter dem Namen Liebichs ein Post abgesetzt. Darin hieß es: »Das Kunststück eines Zaubertricks: Alle Augen werden auf die Kulisse gelenkt, während das Objekt im Schatten verschwindet. Niemand wusste von meinem Entschluss – kein Anwalt, keine Familie. Was folgt? Ein internationaler Haftbefehl.« Und weiter: »Die ganze Welt sieht, wie das Regime Deutschland die Hosen runterlässt«. Dazu wurde ein Konterfei Marla-Svenja Liebichs als Comic veröffentlicht, darüber steht »Liebesgrüße aus Moskau«.
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