Der Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, hat vor einer »gesteigerten Aggressivität« russischer Einheiten und deren möglichen Folgen gewarnt. Es gebe »Überflüge von Drohnen, wir haben Eindringversuche, Sabotageversuche«, sagte Kaack im am Freitag aufgezeichneten »Interview der Woche« des Deutschlandfunks. Bundeswehrsoldaten würden außerhalb der Dienstzeiten gezielt kontaktiert. Hinzu kämen Bedrohungen für die maritime Infrastruktur.
All dies berge auch die Gefahr, dass es »zu einer Eskalation aus Zufall« komme, warnte Kaack. Präzise Einsatzregeln sollten dem entgegenwirken, zudem habe die Marine ihre Sicherheitsmaßnahmen deutlich verstärkt. »Wir sind dabei, diese Stützpunkte in der Luft unter Wasser und über Wasser besser zu schützen, auch mit eigenen Drohnenanlagen«, sagte der Inspekteur. Berichte wie die über vermehrte Flüge russischer Spionage-Drohnen wirkten wie ein »kleiner Wake-up-Call, dass wir mehr machen müssen«.
Die »New York Times« hatte unter Berufung auf Quellen aus US-Behörden und anderen westlichen Staaten berichtet , Russland oder russische Unterstützer ließen Routen im Osten Deutschlands mit Drohnen überwachen, die für die Lieferung von Militärgütern an die Ukraine genutzt würden.
Die generelle Sicherheitslage beurteilte Kaack als kritisch: »Die Dienste gehen davon aus, dass spätestens 2029 ein möglicher Gegner bereit wäre, Unfug zu machen«, verwies der Vizeadmiral auf entsprechende Erkenntnisse. »Und das wollen wir gerne verhindern, indem wir verteidigungsbereit und abschreckungsfähig sind.« Dies gelte auch für den Ostseeraum.
Kaack lobte das geplante Wehrdienstmodell, das am Mittwoch vom Kabinett beschlossen worden war. Er sei überzeugt, dass die geplante freiwillige Wehrdienstlösung der Marine massiv helfen werde, ihre Nachwuchsprobleme in den Griff zu bekommen. »Der neue Wehrdienst wird der Game-Changer«, sagte Kaack.
Er räumte ein, dass er »immer ein Freund der Wehrpflicht« gewesen sei, allerdings lasse sich die Zeit seit Aussetzen der Wehrpflicht im Jahr 2011 nicht ungeschehen machen. Entsprechend werde die Bundeswehr Zeit brauchen, die damals aufgegebenen Fähigkeiten wiederherzustellen. Man müsse sich zu einer Ausbildungsmarine hinentwickeln, die massiv und regelmäßig eine große Zahl von jungen Menschen dafür begeistere, sich länger zu verpflichten. »Und das braucht auch seine Zeit.«
Die Deutsche Marine setzt für mehr Sicherheit auch auf neue Ausrüstung: Im September solle das erste Aufklärungsflugzeug des Typs Boeing Poseidon P-8 ausgeliefert werden, sagte Kaack. Bislang sind acht Maschinen dieses Typs bestellt, vier weitere Bestellungen seien im Gespräch. Zudem werde die Marine in Kürze über eine Unterwasserdrohne verfügen. Einen hundertprozentigen Schutz werde es jedoch nie geben, warnte der Inspekteur.
Darstellungen, wonach es sich bei Beschädigungen etwa von Datenkabeln in der Ostsee um Versehen oder Unfälle handle, nannte Kaack Erzählungen aus dem »Fabelreich«. »Man kann nicht nicht bemerken, dass man einen Anker verliert«, stellte er klar. Das sei so, »als wenn Sie mit einem Panzer über den Marktplatz von Osnabrück rauschen. Das schüttelt das Schiff. Und wenn der Anker dann unten auf dem Boden aufkommt, dann wird es auch aus dem Kurs gerissen«.
In den vergangenen Monaten waren wiederholt im Meer verlegte Leitungen dadurch beschädigt worden, dass Schiffe Anker über den Meeresgrund schleiften. Für solche Vorfälle werden vor allem offiziell zivile Schiffe der sogenannten russischen Schattenflotte verantwortlich gemacht, es gibt aber auch Vorwürfe gegen chinesische Schiffe.