Was bringt der schwarz-rote »Herbst der Reformen«?

Es wird herbstlich in der Koalition

Es ist ein Alarmzeichen, das nicht unerwartet kommt: Die wirtschaftliche Flaute treibt die Arbeitslosenzahlen nach oben, mehr als drei Millionen Menschen haben in Deutschland keinen Job – diese Marke wurde zuletzt im Februar 2015 geknackt. (Die Analyse dazu lesen Sie hier .)

Kanzler und Koalition versprechen gegenzusteuern, Friedrich Merz kündigt einen »Herbst der Reformen« an, die Fraktionsspitzen geloben neue Einigkeit und wollen das Land wieder »auf Wachstumskurs« bringen. Das klingt entschlossen, aber auch hinreichend vage, um nicht auf irgendetwas festgenagelt zu werden.

Natürlich sollte man nicht voreilig ein Urteil fällen. Union und SPD haben die Chance, ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen und die Stimmung zu drehen. Aber bei herbstlichen Aufbruchsansagen in der Politik zucke ich unweigerlich zusammen.

Nicht mal ein Jahr ist es her, dass ein gewisser Christian Lindner, damals Bundesfinanzminister, den »Herbst der Entscheidungen« in der Ampelkoalition beschwor. Ein paar Wochen später zerbrach die Regierung. 2010 verkündete Angela Merkel nach einjähriger Dauerkrise einen schwarz-gelben »Herbst der Entscheidungen«. Es folgten Wahlniederlagen, Kabinettsumbildungen und politische Kehrtwendungen in Serie. Die Koalition schleppte sich durch die Legislatur, die FDP flog bei der Wahl 2013 aus dem Bundestag.

Merz und seine Regierung täten gut daran, den »Herbst der Reformen« möglichst bald mit Leben und Inhalt zu füllen. Ach ja, und auch im Winter, Frühling und Sommer weiter an der Modernisierung des Landes zu arbeiten.

  • Mehr Hintergründe hier: Beziehungsgespräche bei fränkischem Wein 

Merz besucht einen möglichen Nachfolger

Erinnern Sie sich noch? Hendrik Wüst galt vor der letzten Bundestagswahl als möglicher Kanzlerkandidat der Union.

Echte Chancen hatte er wohl nie, seinerzeit womöglich nicht mal Ambitionen. Aber der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen wusste, politisches Kapital aus den Spekulationen zu schlagen. Erst hielt er sich die Bewerbung demonstrativ offen, dann verzichtete Wüst öffentlichkeitswirksam zugunsten von Friedrich Merz, empfahl sich aber zugleich als potenzieller Kandidat der Zukunft (der Mann ist erst 50).

Heute schaut Merz als Kanzler beim Parteitag der NRW-CDU vorbei, auf dem Wüst als Vorsitzender bestätigt wird. Ehrensache, Merz ist schließlich Sauerländer. Aber das ist nicht alles: Im bevölkerungsreichsten Bundesland stehen Kommunalwahlen an. Da geht es in erster Linie um Lokalpolitik, aber sie sind auch der erste Stimmungstest, seit Merz und seine schwarz-rote Koalition in Berlin regieren.

Wüst muss hoffen, dass die bescheidenen Zustimmungswerte für die Bundesregierung nicht zu sehr auf die Landespartei abfärben. Die Menschen in NRW sind eigentlich ganz zufrieden mit ihrem CDU-Ministerpräsidenten, die Christdemokraten haben die SPD in deren einstigem Stammland demoskopisch weit abgehängt.

Aber wer künftig bei den K-Fragen der Bundespartei wieder mitreden will, der darf sich nicht nur mit guten Umfragewerten schmücken. Der braucht auch gute Wahlergebnisse.

  • Interview mit Hendrik Wüst aus dem SPIEGEL-Archiv: »Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen ist immer ein möglicher Kanzlerkandidat« 

Wie lange fahren wir noch in den Urlaub?

Die Schulferien neigen sich in Deutschland dem Ende zu. Vielleicht genießen Sie gerade Ihre letzten Tage im Urlaub oder denken voller Sehnsucht daran zurück. Tun Sie das unbedingt, denn schon bald könnte es damit vorbei sein. Also nicht nur mit diesem Urlaub. Sondern überhaupt. Das Ende des Reisezeitalters beginnt: jetzt.

Das zumindest sagt Stefan Gössling. Seit fast einem Vierteljahrhundert untersucht der schwedische Tourismusforscher, wie Reisen das Klima beeinflusst – und umgekehrt. Er geht davon aus, dass wir schon in 20 Jahren nicht mehr in den Urlaub fahren werden, weil es sich einfach nicht mehr lohnt.

Die Klimakrise mache das Reisen immer teurer, sagt Gössling. Der Mensch wolle aber nicht immer mehr Geld ausgeben, ohne zu wissen, was er dafür bekomme. Starkregen, Flut, extreme Hitze, Feuer – einst attraktive Orte wirken schon heute oft bedrohlich.

Gössling zieht sich gern zurück auf die schwedische Insel Öland. Dort betreibt er, der nicht mehr ans Reisen glaubt, ausgerechnet einen Ferienhof. Dort fährt er mit einem alten Polo durch die Gegend. Dort kauft er auch mal eine Plastiktüte im Supermarkt. Wie passt das alles zusammen? Meine Kollegin Franziska Bulban hat den Klimaforscher auf Öland besucht und mit ihm auch über seine Angreifbarkeit gesprochen in einer Welt, die Makellosigkeit von ihm erwartet.

  • Die ganze Geschichte hier: Das Ende des Reisens, wie wir es kennen 

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

Noch mehr Rätsel wie Wordle, Wortsuche und Paarsuche finden Sie bei SPIEGEL Games.

Gewinnerin des Tages…

…ist die Fledermaus. Weltweit gibt es laut Naturschutzbund (Nabu) mehr als 1400 Fledermausarten, in Deutschland sind es gerade einmal 25. Natürliche Feinde haben sie kaum, dennoch sind das Braune Langohr, der Große Abendsegler oder die Kleine Hufeisennase bedroht. Die Bestände seien seit den Fünfzigerjahren dramatisch eingebrochen, klagt der Nabu, Gründe seien etwa intensive Landwirtschaft und die Vernichtung natürlicher Lebensräume.

Heute aber ist Batnight – die Internationale Fledermausnacht. In ganz Deutschland (und in vielen anderen Ländern) machen Veranstaltungen auf die Lage der Fledermäuse aufmerksam. Und vor allem: Es gibt die Chance, die kleinen Nachtschwärmer unter Expertenanleitung zu beobachten.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • US-Berufungsgericht erklärt Großteil von Trumps Zöllen für rechtswidrig: Donald Trump hat Handelspartner in der ganzen Welt mit hohen Zöllen überzogen. Jetzt hat der US-Präsident einen erneuten juristischen Dämpfer erlitten – und will sich wehren.

  • USA verhängen Sanktionen gegen Palästinenser-Präsident Abbas: Mehrere Länder wollen bei der kommenden Uno-Vollversammlung einen palästinensischen Staat anerkennen. Washington hat nun Strafmaßnahmen gegen Palästinenser-Präsident Abbas verhängt – damit kann er nicht zu dem Treffen anreisen.

  • Argentiniens Präsident Milei verteidigt Schwester – Polizei durchsucht Büros: Die Schwester von Argentiniens Präsident Milei steht im Verdacht, Gelder veruntreut zu haben – Ermittler durchsuchten deshalb Büros in Buenos Aires. Der Staatschef dementiert die Vorwürfe und attackiert seine Kritiker.

Heute bei SPIEGEL Extra: All inclusive – außer Eltern

Ein Zeltlager in Italien, eine Woche Urlaub ohne Eltern, hier stellen sich Teenager die großen Fragen: Soll man treu bleiben? Trinken, auch wenn man nicht darf? Und wer ist man eigentlich, wenn man alles sein kann? 

Ich wünsche Ihnen ein wunderbares Wochenende.

Herzlich
Ihr Philipp Wittrock, Autor im SPIEGEL-Hauptstadtbüro

Kanzler Merz (im französischen Bormes-Les-Mimosas am 28. August): Alarmzeichen vom Jobmarkt

Foto: Cruz Manon / ABACAPRESS / IMAGO

Wüst und Merz (im Januar 2025): Stimmungstest in NRW

Foto: Henning Kaiser / picture alliance / dpa

Ferienhof auf Öland: Das Ende des Reisezeitalters kommt

Foto: Franziska Bulban / DER SPIEGEL

Bedrohte Art: Eine Kleine Hufeisennase auf der Jagd

Foto: AGAMI / T. Douma / blickwinkel / IMAGO

Jugendliche auf Ferienreise in Italien: Keine Leitplanken aus Erwartungen und elterlichen Regeln

Foto:

Roderick Aichinger / DER SPIEGEL

Verwandte Artikel

Next Post