Gefährlicher Wachmacher

1. Der Wahlausgang in Moldau ist eine Niederlage für Putin

Die Furcht vor einer erfolgreichen Manipulation der Wahl in der kleinen Republik Moldau durch Russland war groß, die prowestliche Regierung von Präsidentin Maia Sandu erhob vorab schwere Vorwürfe gegen russische Einmischungsversuche. Heute wurde das Ergebnis der Parlamentswahl am Sonntag bekannt – und das prowestliche Lager hat, in Form der regierenden Partei für Aktion und Solidarität (PAS), einen unerwartet deutlichen Sieg errungen. Sie bekam voraussichtlich etwas mehr als 50 Prozent der Stimmen. Mein Kollege Christian Esch hat die Lehren der Wahl in Moldau zusammengefasst. (Mehr dazu hier. )

Das Hauptversprechen der PAS im Wahlkampf sei ein zügiger Beitritt zur EU gewesen, mit dem Abschluss eines Beitrittsvertrags bereits im Jahr 2028. Dieser Kurs werde sich nicht ändern. »Stärkste Bastion der prowestlichen Kräfte sind, wie bei vergangenen Wahlen, die in die EU ausgewanderten Moldauerinnen und Moldauer«, schreibt mein Kollege. »Das Land ist bitterarm, entsprechend viele haben ein besseres Leben im Ausland gesucht.«

Das unerwartet eindeutige Wahlergebnis wecke die Hoffnung, dass es von allen Kräften anerkannt wird und Straßenproteste ausbleiben. Allerdings bleibe das Hauptproblem der moldauischen Politik bestehen, sagt Christian: »Der Krieg im Nachbarland Ukraine und die russische Truppenpräsenz in der abtrünnigen Region Transnistrien machen Moldau zu einer Art Frontstaat.«

  • Lesen Sie hier die ganze Analyse: Sieg für die EU, Niederlage für Putin 

2. Energydrinks können bei Jugendlichen hohen Blutdruck verursachen und Übergewicht begünstigen

Am klügsten sei der Mensch »unmittelbar nach dem Aufwachen«, hat der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer behauptet. Das ist eine wissenschaftlich eher zweifelhafte Aussage, jedenfalls aber lebte Adenauer in einer Zeit, in der es noch keine modernen Energydrinks gab. Sie gelten als Wachmacher und Wachhalter und werben mit Sprüchen wie »Red Bull verleiht Flügel«. 2024 wurden in Deutschland 6,19 Milliarden Euro mit Energydrinks umgesetzt, mehr als doppelt so viel wie 2018. Über die gesundheitliche Wirkung des Konsums vor allem auf junge Menschen wird gestritten, in mehreren europäischen Ländern gibt es bereits ein Verkaufsverbot von Energydrinks an Minderjährige. In Deutschland nicht.

Der Kinderkardiologe Nikolaus Haas hat nun in einem Interview mit meiner Kollegin Antje Windmann die sogenannte EDKAR-Studie scharf kritisiert, der zufolge der hohe Konsum der Getränke keine negativen Auswirkungen auf das Herz von Jugendlichen hat. Haas nennt die Untersuchung »völlig falsch konzipiert«. (Hier mehr dazu. )

Dass in Deutschland schon jeder vierte Sieben- und Achtjährige regelmäßig zu Energydrinks greife, mache ihm Sorgen, sagt Haas. Schon ein einzelner Drink am Vormittag erhöhe den Blutdruck und die Herzfrequenz von Kindern und Jugendlichen deutlich. »Ein hoher Blutdruck schädigt das Herz. Außerdem ist der Zuckergehalt in den Getränken sehr hoch, er begünstigt insbesondere Übergewicht, was wiederum den Blutdruck steigen lässt.«

Es fehle auf vielen Ebenen am nötigen Problembewusstsein für diese Getränke, sagt meine Kollegin Antje Windmann. »In der Politik, bei Eltern und zu guter Letzt bei den Kindern und Jugendlichen selbst. Dass Grundschüler Energydrinks hierzulande wie Wasser kaufen können, ist für mich nicht nachvollziehbar.«

  • Lesen Sie hier das ganze Interview: »Sie machen nicht nur dick, sondern können auch das Herz schädigen« 

3. Ein notwendiger Rückzieher Böhmermanns

Kürzlich führten meine Kollegen Tobias Rapp und Ulrike Knöfel ein SPIEGEL-Gespräch mit dem Entertainer Jan Böhmermann, in dem es unter anderem um dessen aktuelle Ausstellung »Die Möglichkeit der Unvernunft« im Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) ging. (Lesen Sie hier das Gespräch. )

Ich fand, dass Böhmermann, immer wenn er vom Sinn der Ausstellung redete, stark wie der Altrocker Udo Lindenberg klang, der für sein Gaga-Gerede verehrt wird. Heute hat Böhmermann den im Rahmen der Ausstellung geplanten Auftritt des umstrittenen Musikers Chefket abgesagt. Man sehe und höre den Einspruch »insbesondere auch von jüdischer Seite« gegen den Konzertabend, hieß es in einer Pressemitteilung.

Am zweiten Jahrestag des Terrorangriffs vom 7. Oktober 2023 sollte der Rapper Chefket, der auf einem Foto ein T-Shirt mit einem Palästinenserstaat ohne Israel trägt, im HKW auftreten. Kritisiert worden war die geplante Veranstaltung in der Bundeseinrichtung HKW unter anderem von Medien- und Kulturstaatsminister Wolfram Weimer. Weimer hatte den HKW-Intendanten in einem Brief aufgefordert, »Sorge dafür zu tragen, dass es nicht zu antisemitischen Äußerungen in jedweder Form kommt«.

»Die Absage ist ein angemessener Umgang mit einer heiklen Ausgangslage«, sagt meine Kollegin Ulrike Knöfel. Die Erklärung, man könne die Integrität einer Veranstaltung nicht mehr gewährleisten, sei ein Eingeständnis Böhmermanns und des HKW, dass man in eine verfahrene Situation geraten sei. Vor allem sei es richtig zu betonen, dass man auf den Einspruch von jüdischer Seite höre. »Ob sich Weimer, der wegen der Sache selbst in der Kritik stand, nun als Sieger fühlen darf? Will er vielleicht. Aber um solche Kategorien sollte es gerade nicht gehen«, findet Ulrike. »Die Frage lautet doch seit geraumer Zeit: Will die Gesellschaft lernen, wie man miteinander umgeht, oder will sie doch nur weiter gegeneinander umgehen? Wie gut, dass Weimer und Böhmermann im HKW demnächst öffentlich miteinander reden.«

  • Lesen Sie hier mehr: Jan Böhmermann sagt nach Antisemitismusvorwürfen Konzertabend ab

Was heute sonst noch wichtig ist

  • SPD setzt eigene Sozialstaatskommission ein: Eigentlich hat schon die Regierung eine Kommission für Sozialreformen eingesetzt. Nun macht die SPD dem Gremium Konkurrenz. Immerhin: Beim Bürgergeld verspricht Ministerin Bas eine Lösung »in den nächsten 14 Tagen«.

  • Lufthansa will 4000 Stellen streichen: Der Lufthansa-Konzern hat harte Einschnitte angekündigt. In den kommenden Jahren sollen Tausende Jobs in der Verwaltung wegfallen. Die Tochtergesellschaften verlieren an Eigenständigkeit.

  • Zirkusartistin stürzte vom Trapez fünf Meter in die Tiefe: Knapp 100 Menschen befanden sich bei einer Zirkusvorführung in Bautzen, als eine Artistin wohl kopfüber in den Tod fiel. Hinweise auf ein Fremdverschulden gibt es laut Polizei nicht.

Meine Lieblingsmeldung heute: Wallaby entwischt Berliner Polizei

Im Sommer 2023 suchten viele Menschen in Berlin nach einer vermeintlichen Löwin, am Ende hieß es von der Polizei, man gehe davon aus, dass es sich bei dem auf einem Video gesichteten Tier um ein Wildschwein handle. (Lesen Sie hier die Meldung von 2023.)

Diesmal gilt eine Verwechslung als ausgeschlossen: In Berlin-Spandau ist ein Wallaby aus einem Privatgehege entlaufen. Zeugen sahen das kleine Känguru am Sonntagvormittag im Ortsteil Kladow und riefen die Polizei. Den Ermittlern zufolge flüchtete das Tier in einen Wald. Suchmaßnahmen werde es aber nicht geben, sagte ein Polizeisprecher, dafür ist das pflanzenfressende Tier, dessen Art eigentlich in Australien beheimatet ist, offenkundig nicht gefährlich genug. Wallabys werden demnach bis zu 80 Zentimeter groß. Wie schwer es ist, dem Tier beizukommen, legt ein Video in den sozialen Netzwerken nahe. Zu sehen ist, wie zwei Polizisten und Passanten versuchen, an der Sakrower Landstraße in Kladow das Wallaby mit bloßen Händen einzufangen, es schlägt jedoch Haken und schlüpft an den Menschen vorbei in die Freiheit.

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Wallaby entwischt Berliner Polizei

Was heute weniger wichtig ist

Ein bisschen für Deutschland siegen. Ralph Siegel, 79, Schlagerkomponist und verantwortlich für Lieder wie »Fiesta mexicana« und »Ein bisschen Frieden«, möchte ein weiteres Mal beim Eurovision Song Contest antreten. »Es reizt mich einfach, nochmals mit Deutschland zu starten«, sagte der Mann, der sich als »alten ESC-Hasen« bezeichnet, in einem Interview. »Ich bin mehr als 60 Jahre lang in diesem Beruf aktiv, da habe ich natürlich auch ein bisschen Raubbau getrieben.«

Mini-Hohl

Hier finden Sie den ganzen Hohl.

Cartoon des Tages

Und heute Abend?

Könnten Sie den Roman »Ginsterburg« meines Kollegen Arno Frank lesen. Das Buch handelt von gewöhnlichen Menschen, die nach 1933 der Barbarei verfielen, spielt in einer fiktiven Stadt in Deutschland und ist im Frühjahr erschienen. Nun hat Arno einen Text über die Aktualität des Buchs in einer Gegenwart geschrieben, in der ein »allgemeiner Drift ins Autoritäre« zu beobachten ist, wie er es ausdrückt. Er wisse, dass Bezüge zwischen dem Heraufdämmern des Faschismus in den Dreißigerjahren und der Gegenwart immer für Skepsis sorgten. »Man würde doch übertreiben, heißt es dann und dass sich Geschichte nie wiederhole, höchstens reime. So schlimm wird’s schon nicht werden, wurde es seit Menschengedenken nicht mehr. Aber ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin, dem die Verhältnisse zusehends unheimlich werden.«

Lesen Sie hier mehr: Als der Faschismus plötzlich an meine Tür klopfte 


Einen schönen Abend. Herzlich

Ihr Wolfgang Höbel, Autor im Kulturressort

Moldaus Präsidentin Sandu nach der Stimmabgabe: Zügiger EU-Beitritt

Foto: Vadim Ghirda / AP / dpa

Energydrinks im Supermarkt: 6,19 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr in Deutschland

Foto: Matthew Horwood / Alamy / mauritius images

Moderator Böhmermann: Klare Haltung

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Gene Glover / DER SPIEGEL

Ein Flinkwallaby in einem Tierpark in Berlin (Symbolbild)

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