Kommt es zur offenen Feldschlacht zwischen Union und SPD?

Für den Streit braucht die Koalition keine Opposition

Wenn du denkst, schlimmer (als bei der verpatzten Richterwahl) geht nicht mehr, dann… Sie wissen schon. Die Stimmung in der Koalition ist mal wieder im Keller. Da hatten Union und SPD gedacht, den Streit über den neuen Wehrdienst nach wochenlangem Ringen endlich beigelegt zu haben (lesen Sie hier  mehr über die Pläne). Aber nichts da, Einigung in letzter Minute abgeblasen, Schwarz-Rot geht heute im Clinch in die erste Bundestagsberatung des Gesetzes.

Verteidigungsminister Boris Pistorius will seinen Entwurf persönlich im Parlament rechtfertigen. Auch SPD-Fraktionsvize Siemtje Möller soll sprechen. Sie hat die vermeintliche Einigung, die ihr Parteifreund Pistorius als »faulen Kompromiss« ablehnt, mit der Union ausgehandelt, unter anderem mit CDU-Mann Norbert Röttgen, der Pistorius nun schwere Vorwürfe macht (hier mehr dazu). Das könnte hässlich werden im Plenarsaal, eine offene Feldschlacht. Und die Opposition muss dafür nicht mal selbst schwere Geschütze auffahren.

Übrigens ist der Wehrdienst nicht die einzige schwarz-rote Baustelle heute im Bundestag. Auf der Tagesordnung steht auch das erste Rentenpaket, gegen das junge Abgeordnete aus der Union den Aufstand proben (dazu hier mehr). Was sagt eigentlich der Kanzler zu dem ganzen Theater? Friedrich Merz tritt gleich am Morgen ans Rednerpult, er hält eine Regierungserklärung zum EU-Gipfel nächste Woche. Wird schwierig, da einen Schlenker mit mahnenden Worten zur Koalitionsdisziplin einzubauen.

  • Mehr Hintergründe hier: Union und SPD auf dem Kriegspfad 

Wird der Führerschein wieder erschwinglich?

Bleiben wir kurz bei der Truppe: Um junge Menschen zur Bundeswehr zu locken, will Verteidigungsminister Pistorius Wehrdienstleistenden künftig auch kräftige Zuschüsse zum Führerschein zahlen. Der ist in den vergangenen Jahren nämlich immer teurer geworden, bis zu 4500 Euro kostet der Lappen (der schon lange kein Lappen mehr ist) inzwischen, sagt der ADAC.

Dass sich das viele nicht mehr leisten können, hat auch die Regierung erkannt. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD versprochen, die Fahrausbildung zu reformieren und vor allem billiger zu machen – »unter Wahrung hoher Standards«. Wie das gehen soll, dazu will der wieder genesene Verkehrsminister Patrick Schnieder heute die in der Politik so beliebten Eckpunkte vorstellen.

Seit Amtsantritt hat der CDU-Politiker immer mal wieder laut über mögliche Maßnahmen dafür nachgedacht. Der Ruf nach mehr Transparenz bei der Preisgestaltung der Fahrschulen war dabei, Training am Simulator statt im Auto oder Intensivkurse mit weniger Fahrstunden. Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass da ein echter Kostensenker dabei ist.

Dann vielleicht doch einfach für ein paar Monate zum Bund und sich den Führerschein spendieren lassen? Für die meisten jungen Menschen dürfte das kein stichhaltiges Argument sein. Dem Verteidigungsminister allerdings wäre damit sehr geholfen.

  • Mehr Hintergründe hier: Die Reifenprüfung 

Messerattacke von Aschaffenburg vor Gericht

Am Landgericht Aschaffenburg wird von heute an eine Tat verhandelt, die die Republik erschütterte und die deutsche Politik in Aufruhr versetzte. Im Januar griff ein 28-Jähriger in einem Park der bayerischen Stadt mit einem Messer eine Gruppe Kitakinder an. Er erstach einen zweijährigen Jungen und einen Mann, verletzte ein kleines Mädchen, eine Erzieherin und einen weiteren Mann.

Der mutmaßliche Täter stammt aus Afghanistan, er war Ende 2022 nach Deutschland gekommen, hatte ein Asylgesuch gestellt, war polizeibekannt und sollte eigentlich 2023 abgeschoben werden – was an einer abgelaufenen Frist scheiterte.

Mitten in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes befeuerten diese Umstände die Migrationsdebatte. Friedrich Merz ließ sich zu einem Tabubruch hinreißen: Im Bundestag beschloss die Union gemeinsam mit der AfD einen Antrag für eine schärfere Asylpolitik. Der Kanzlerkandidat rüttelte an der Brandmauer (mehr zum Tabubruch hier ).

Unbeeindruckt von den politischen Schockwellen muss das Gericht nun klären, was mit dem Angeklagten passiert. Ein erstes Gutachten kommt zum Schluss, dass er wegen einer psychiatrischen Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit schuldunfähig sei und weiterhin große Gefahr von ihm ausgehe. Die Staatsanwaltschaft hat daher ein sogenanntes Sicherungsverfahren beantragt. Es geht darum, ob der Mann zeitlich unbegrenzt in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht wird.

  • Mehr Hintergründe zur Zivilcourage bei der Messerattacke in Aschaffenburg: »Ich bin kein Held, ich habe gemacht, was selbstverständlich ist« 

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  • Wagenknecht hat recht: BSW-Chefin Sahra Wagenknecht wirft Friedrich Merz vor, eine Neuauszählung der Bundestagswahl zu blockieren, aus Sorge, seine Kanzlerschaft zu verlieren. So haltlos das klingt: Die Stimmen sollten überprüft werden. 

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Verlierer des Tages…

... sind die Grundschülerinnen und Grundschüler. Der Auto Club Europa (ACE) hat untersucht, wie sicher der tägliche Schulweg für unsere Kinder ist. Das Ergebnis ist alarmierend: Nur fünf Prozent der getesteten Routen zu bundesweit 167 Grundschulen stuft der ACE als »sicher« ein, mehr als ein Drittel dagegen als »mangelhaft« oder gar »gefährlich«.

In vielen Fällen bemängeln die Prüfer eine schlechte Verkehrsinfrastruktur wie fehlende Ampeln oder Zebrastreifen. Ein noch größeres Problem scheinen aber die Elterntaxis zu sein: Beim Bringen der Kinder mit dem Auto halten sich viele Mütter und Väter demnach nicht an die Regeln.

  • Schulweg-Index: So gefährlich sind die Elterntaxis

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Trump erlaubt CIA verdeckte Einsätze in Venezuela: Die US-Regierung will ihre Aktionen gegen mutmaßliche Drogenkartelle in Südamerika ausweiten. Zuletzt versenkte das Militär mehrere Boote vor der Küste Venezuelas. Jetzt habe man das Land selbst »im Blick«, sagte der Präsident.

  • Israel und Trump drohen Hamas mit Wiederaufnahme der Kämpfe: Ein Wort von ihm würde reichen – schon wären israelische Soldaten wieder gegen die Hamas im Einsatz, tönt US-Präsident Trump. Israels Verteidigungsminister beauftragt derweil das Militär, sich auf den Fall der Fälle vorzubereiten.

  • Wie Julia Klöckner Abgeordneten mit Kindern helfen will: Als Eltern von kleinen Kindern im Bundestag arbeiten? Das gestaltet sich nicht immer ganz einfach. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner macht nun Vorschläge, was verbessert werden könnte.

Heute bei SPIEGEL Extra: »Ein Patient ist schlafwandelnd im Lkw über die Autobahn gefahren«

Bei manchen schläft nachts ein Teil des Gehirns, der andere ist wach – und dann geht’s los. Schlafexperte Hans-Günter Weeß erklärt, wann schlafwandeln harmlos ist und wem er Vorhängeschlösser empfiehlt .

Kommen Sie gut in den Tag.

Herzlich
Ihr Philipp Wittrock, Autor im SPIEGEL-Hauptstadtbüro

Verteidigungsminister Pistorius (am 9. Oktober auf der Regierungsbank im Bundestag): »Fauler Kompromiss«

Foto: dts Nachrichtenagentur / ddp

Fahrschülerin mit Fahrlehrer: Viele können sich den Führerschein nicht mehr leisten

Foto: Lars Penning / picture alliance / dpa

Gedenken an die Opfer des Messrangriffs: Kerzen und Blumen im Park Schöntal in Aschaffenburg (Ende Januar 2025)

Foto: Daniel Karmann / dpa

Kinder auf dem Weg zur Schule (im April 2025 in Hamburg): Gefahr durch Elterntaxis

Foto: BREUEL-BILD / IMAGO

Schlafwandler: »Es ist möglich, dass manche Menschen Auto fahren können, Essen kochen, den Tisch decken, baden, frühstücken« (Symbolbild)

Jean Marmeisse / plainpicture

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