Der Sport kann hässlich sein, aber dieser Moment versöhnt

Im Zehnkampf bündelt sich alles, was Sport ausmacht: Laufen, Springen und Werfen, das ist so etwas wie die Urform. Es ist das, was Kinder als Erstes machen: Sie springen über Pfützen, sie laufen zu ihren Eltern, sie werfen irgendetwas in die Luft.

Die Könige der Athleten werden die Zehnkämpfer genannt, weil sie das alles und noch mehr beherrschen. Sie schleudern den Diskus, stemmen sich am Stab in fünf Meter Höhe, wuchten sich über Hürden, fliegen sieben Meter durch die Luft in die Sandgrube. Und am Ende quälen sie sich anderthalb Kilometer über die Laufbahn, obwohl der Körper eigentlich schon nichts mehr hergibt.

Aber es ist nicht die Schinderei, die Vielseitigkeit allein, die ihnen die Krone des Sports einbringt. Es ist das, was man auch bei der Leichtathletik-WM in Tokio und beim Gold-Triumph des Deutschen Leo Neugebauer gerade wieder sehen, nein, bewundern konnte.

Wenn alles vorbei ist, wenn die Zehnkämpfer das Letzte aus sich herausgeholt haben, wenn alle wieder auf den Beinen stehen können (Neugebauer musste zunächst sogar im Rollstuhl auf der Laufbahn Platz nehmen, um sich zu erholen), dann löst sich all die Rivalität in Luft auf. Die Zehnkämpfer liegen sich in den Armen, sie reichen sich die Hände, sie gratulieren einander überschwänglich. Dazu, es wieder mal geschafft, durchgehalten zu haben.

Es ist fast kitschig, aber die Teilnehmer scheinen sich den Erfolg tatsächlich zu gönnen – auch und gerade dann, wenn sie kurz zuvor noch um jede Zehntelsekunde gerungen haben.

Der Sport kann hässlich sein, auch die Leichtathletik. Doping, Verletzungen, Betrug, Geldgier. Aber die Zehnkämpfer zu sehen, wie sie einander umarmen, der Zehnte den Ersten, der Erste den Zehnten, das versöhnt für einen Moment.

Zehnkämpfer Leo Neugebauer (am Boden), Niklas Kaul

Foto: Michael Kappeler / dpa

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