In einem Lostopf mit dem Weltmeister – oder mit Usbekistan

Es wird ein echtes Traditionsduell am Abend, die Partie gegen Luxemburg (20.45 Uhr, TV: RTL, Liveticker: SPIEGEL.de). Das allererste WM-Qualifikationsspiel einer deutschen Fußballnationalmannschaft fand am 11. März 1934 statt, der Gegner war: Luxemburg. Das Resultat von damals lässt sich vermutlich heutzutage nicht mehr wiederholen, das Spiel endete 9:1, Deutschland war für die WM in Italien qualifiziert.

Seit dieser Partie sind 108 weitere WM-Qualifikationsspiele der DFB-Elf gefolgt. Nur vier davon hat sie verloren. Eine dieser vier Spiele war das Duell in der Slowakei im September. Jenes 0:2 von Bratislava hat die Mannschaft von Bundestrainer Julian Nagelsmann in die Verlegenheit gebracht, auch vor den abschließenden Spielen in Luxemburg und am Montag in Leipzig gegen die Slowaken noch immer um die Qualifikation bangen zu müssen.

Punktgleich mit der Slowakei

Die Ausgangssituation hat sich zwar durch die drei Siege – 3:1 und 1:0 über Nordirland, 4:0 über Luxemburg – deutlich verbessert, »aber es ist eben immer noch nur eine Ausgangssituation«, wie Nagelsmann berechtigterweise festgestellt hat. Deutschland führt die Gruppen mit neun Punkten an, die Slowaken liegen punktgleich dahinter, haben aber eine um zwei Treffer schlechtere Tordifferenz.

Noch sind alle Szenarien denkbar: der Gruppensieg, die damit verbundene direkte Qualifikation, aber auch der mühsame und gefährliche Umweg über die europäischen Playoffs.

Ein Blick auf die Szenarien:

Fall 1: Deutschland gewinnt beide Spiele, ist damit in jedem Fall Gruppensieger und hätte sich damit auch einen Platz im Lostopf der gesetzten Teams bei der Auslosung für das Endturnier am 5. Dezember in Washington gesichert. Das wäre enorm wichtig. Verantwortlich für die Einteilung ist die komplizierte Arithmetik der Fifa-Weltrangliste.

Die DFB-Elf muss den zehnten Platz in der Weltrangliste gegen die knapp hinter ihnen postierten Kroaten verteidigen. Wenn man beide Partien für sich entscheidet, kann Kroatien nicht mehr an Deutschland im Ranking vorbeiziehen. Die Nagelsmann-Elf hätte mit letzter Kraft den Sprung in den begehrten Lostopf eins geschafft.

Zwar liegen die Italiener in der Rangliste noch vor der DFB-Auswahl, aber die Azzurri haben kaum noch Chancen, in ihrer Qualifikationsgruppe den Gruppensieg gegen die dominierenden Norweger zu erreichen. Die Mannschaft um Erling Haaland hat derzeit drei Punkte Vorsprung und eine deutlich bessere Tordifferenz aufzuweisen. Das dürfte für den Gruppensieg reichen – Italien müsste über die Playoffs im März versuchen, sich noch für die WM zu qualifizieren. Aber: Nur die Gruppensieger kommen in den ersten Lostopf.

Warum ist das so wichtig, zu den Gesetzten zu gehören? Man würde den Topteams wie Spanien, Argentinien, Frankreich zunächst aus dem Weg gehen und hätte dadurch bessere Chancen, die Gruppenphase zu überstehen. Angesichts der Erfahrungen der Nationalmannschaft bei den vorigen zwei Weltturnieren muss das erst mal das vorrangige Ziel der Nagelsmann-Elf sein. In Katar 2022 und Russland 2018 kam die DFB-Elf nicht über die Vorrunde hinaus.

Fall 2: Deutschland gewinnt eine Partie und spielt die andere unentschieden. Dann wäre man immer noch Gruppensieger (außer Fall 6 tritt ein!), würde aber das Risiko eingehen, dass Kroatien mit zwei Erfolgen die DFB-Elf im Fifa-Ranking überholt. Damit wäre man nicht mehr gesetzt, und die Auslosung wird schon zur ersten Zitterpartie.

Fall 3: Die DFB-Elf landet den Pflichtsieg in Luxemburg und verliert daheim gegen die Slowakei. Dann, vorausgesetzt, die Slowaken haben zuvor in ihrem ersten Spiel die Nordiren besiegt, ist Deutschland nur Gruppenzweiter. Die Teilnahme an den Playoffs im März wird dann darüber entscheiden, ob ein DFB-Team erstmals seit 1950 eine WM verpasst.

Fall 4: Die DFB-Elf verliert in Luxemburg und gewinnt gegen die Slowaken. Sie muss dann im Torverhältnis vor den Slowaken bleiben. Ansonsten gilt dann auch hier: Man muss den Umweg über die Playoffs gehen. Den hat man ohnehin schon sicher, weil die Elf ihre Nations-League-Gruppe im zurückliegenden März für sich entschied und die Uefa festgelegt hat: Nations-League-Gruppensieger, die sich nicht direkt für die WM qualifizieren konnten, bekommen in jedem Fall noch einmal eine Playoff-Chance.

Was dazu führt, dass selbst ein Team wie San Marino noch die Möglichkeit eröffnet bekommt, via Playoffs zur WM zu fahren. Weil San Marino sich in seiner Nations-League-Gruppe gegen Liechtenstein und Gibraltar durchgesetzt hat, erhält das Team wohl noch die Möglichkeit einer zweiten Chance im kommenden Frühjahr. Das ist bisher nicht ganz sicher; die abschließenden Platzierungen in der Quali-Gruppe, in der San Marino sich derzeit als hoffnungsloser Tabellenletzter befindet, spielen auch noch eine Rolle.

Absurderweise könnte dem Team aus San Marino aufgrund der komplizierten Uefa-Arithmetik sogar helfen, in der abschließenden Partie gegen Rumänien möglichst hoch zu verlieren. Die Sportschau hat die Details dieser bizarren Volte hier aufgeschrieben .

Fall 5: Deutschland gewinnt keines der beiden Partien, und die Slowakei gewinnt mindestens eine ihrer beiden Spiele. Darüber muss man nicht lange reden. Dann würde die Elf dennoch in die Playoffs ziehen, aber vermutlich würde man dann feststellen müssen: Wem es nicht gelingt, Luxemburg und die Slowakei zu schlagen, sollte eventuell auch gar nicht erst zur WM anreisen.

Es gibt auch noch den Fall 6: Deutschland gewinnt gegen Luxemburg und spielt gegen die Slowakei remis – die Slowaken haben zuvor jedoch die Nordiren so deutlich besiegt, dass sie in der Tordifferenz die Deutschen überholt haben. Dann würde die Tordifferenz über den Gruppensieg für die Slowakei entscheiden. Ist das alles schwierig.

Die Playoffs sollten Nagelsmann und sein Team zwingend meiden. Dort geht es im Halbfinale und Finale gegen zwei Teams aus Europa, das könnten Österreich, Italien und Belgien sein. Und selbst wenn man sich dort durchsetzt und die Qualifikation doch noch schafft: Man wird dann in jedem Fall im Lostopf vier, dem Topf der Außenseiter landen – Deutschland wäre dann in einer Lostrommel mit den Fußballnationen Usbekistan, Kap Verde und Jordanien.

Schützenhilfe für den DFB: Norwegens Erling Haaland trifft in der WM-Qualifikation gegen Italien

Foto: Pasquale Golia / IPA Sport / ipa-agency.net / IMAGO

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