Eine rechtsextreme AfD-Regierung wäre für Juden das Signal zur Auswanderung

Der Verfassungsschutz sieht die Alternative für Deutschland (AfD) als gesichert rechtsextrem , zuletzt bekam die Partei in Umfragen weiter hohe Zustimmungswerte. Eine Regierungsbeteiligung der AfD würde nach Ansicht des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, die Zukunft des deutschen Judentums ernstlich bedrohen.

»Dann müssten der Zentralrat und ich als sein Präsident uns die Frage stellen, ob wir nicht jüdische Menschen in Deutschland zur Auswanderung auffordern müssen«, sagte Schuster der »Süddeutschen Zeitung«.  »Klar, ich hoffe, dass das nicht eintritt, aber wenn, welches glaubhafte Signal sollte es dann noch geben, dass jüdisches Leben in Deutschland weiter als gesichert angesehen werden kann?«, so Schuster weiter. In den Dreißigerjahren hätten sich Juden in Deutschland sicher und integriert gefühlt. »Und wir wissen, wohin es geführt hat.« Es dürfe nicht dazu kommen, dass Juden aus falschem Vertrauen wieder in eine unvorhersehbare Situation gerieten.

Kein Verständnis für »Schlussstrich-Mentalität«

Gegen »Schlussstrich-Mentalität« in Deutschland gebe es eine lebendige Erinnerungskultur, auch wenn nicht überall einheitlich gut verankert. »Für die Schlussstrich-Mentalität habe ich kein Verständnis«, betonte Schuster auch mit Blick auf zunehmende Wissenslücken über die Schoa. Wenn 15 Prozent der jungen Menschen in Deutschland heute glaubten, im Holocaust seien nicht sechs, sondern zwei Millionen Jüdinnen und Juden ermordet worden, seien die Schulen gefordert. »Aber auch die Gesellschaft insgesamt.«

Beim Antisemitismus habe sich in Deutschland nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem folgenden Gazakrieg eine Querfront gebildet, beklagte Schuster. »Linksextremer, muslimisch-islamistischer und rechtsextremer Judenhass, und das Ganze geht bis in die Mitte der Gesellschaft.« Hier habe eine Entwicklung, die offensichtlich unterschiedlich verlaufen sei, jetzt ein Ventil gefunden.

Einem Bericht der sogenannten J7-Gruppe der weltweit sieben größten jüdischen Gemeinschaften zufolge hat Judenhass weltweit drastisch zugenommen. Die absolute Zahl der registrierten antisemitischen Vorfälle lag in Deutschland 2023 demzufolge mit 4782 in einer Größenordnung mit der Zahl in Großbritannien, wo 4103 Fälle verzeichnet wurden. Gemessen an der jüdischen Bevölkerung war die Quote in Deutschland allerdings viel höher: Hier wurden 38 Vorfälle je 1000 jüdischer Bewohner festgestellt, im Vereinigten Königreich waren es 13 Fälle je 1000 Personen. Die höchste absolute Zahl wurde 2023 in den USA gemeldet, nämlich 8873 Vorfälle. In allen sieben Ländern zusammen waren es 21.427, im Vergleich zu 9726 im Jahr 2021.

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