Knobloch stellt sich gegen Kritik an Israel

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), Charlotte Knobloch, teilt die lauter werdende Kritik am Vorgehen Israels in Bezug auf die Hilfslieferungen im Gazastreifen nicht. »Sind die Geiseln frei, kann man über alles reden«, sagte Knobloch der Deutschen Presse-Agentur in München.

Ihr liege zunächst das Schicksal der israelischen Geiseln am Herzen. »Aber dieses Thema, das die aktuelle Situation hervorgerufen hat, steht hierzulande leider kaum noch auf der Tagesordnung.«

Knobloch erklärte auf Nachfrage, dass sie es anders sehe als Kanzler Friedrich Merz (CDU). Der hatte kürzlich Zweifel am israelischen Vorgehen geäußert: »Es sind die Terroristen, die das unsägliche Leid ausgelöst haben und bis heute verlängern.«

Charlotte Knobloch steht der Münchner Kultusgemeinde seit 1985 vor, überregional bekannt wurde sie vor allem als Vizepräsidentin (1997 bis 2006) und Präsidentin (2006 bis 2010) des Zentralrats der Juden in Deutschland. Auch mit 92 Jahren gilt die Holocaustüberlebende als Instanz, engagiert sich auf internationaler Ebene unter anderem als Kommissarin für das Holocaustgedenken beim Jüdischen Weltkongress (seit 2013).

Merz hatte unter anderem erklärt, dass es sich auch mit dem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas nicht begründen lasse, wie Israel die palästinensische Zivilbevölkerung immer mehr in Mitleidenschaft genommen habe.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte im Gespräch mit der »Süddeutschen Zeitung«, er wolle deutsche Waffenlieferungen überprüfen und möglicherweise einschränken.

Widerspruch aus der eigenen Partei

Das sorgt bei der Opposition, in der Koalition und auch innerhalb Wadephuls eigener Partei für Diskussionen.

So warnte etwa Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) davor, das deutsche Verhältnis zu Israel infrage zu stellen. »An der Verbundenheit zu Israel darf kein Zweifel bestehen«, sagte Frei der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« vom Samstag. »Das besondere Verhältnis zu Israel steht über allen anderen Erwägungen. Das kann nicht zur Disposition stehen.«

Zwar sei es »legitim«, Zweifel an der israelischen Strategie anzumelden, räumte Frei ein. »Die Bevölkerung im Gazastreifen wird in einer Art und Weise in Mitleidenschaft gezogen, dass man Zweifel haben kann, ob die Regeln des Völkerrechts noch eingehalten werden.«

Im Gazastreifen lasse sich nicht nur der legitime Kampf gegen die Hamas beobachten, sondern auch, »wie die Zivilbevölkerung über die Maßen in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn die Versorgung mit Nahrungsmitteln nicht gewährleistet ist oder Hilfslieferungen blockiert werden«.

Diese »Gesamtsituation« müsse man »auch unter Freunden offen ansprechen können«, sagte der Minister. Es müsse klar sein, »dass in einem Rechtsstaat ebenso wie im Völkerrecht immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit« gelte.

Forderungen, jedwede Waffenlieferungen an Israel einzustellen, wie es andere Länder in Europa derzeit diskutieren, sieht Frei aber »äußerst skeptisch«. Der CDU-Politiker betonte: »Wir stehen zu unserer besonderen Verantwortung für Israel.«

Knobloch: Die Schuld liegt allein bei Hamas

Die Verantwortung für das Leid im Gazastreifen sieht Charlotte Knobloch dagegen klar bei der Hamas: Die habe mit ihrem Angriff auf Israel die Kette der Ereignisse ausgelöst, unter der die Menschen bis heute litten. »Ohne diesen Überfall würde es den aktuellen Krieg nicht geben. Niemandem in Gaza müsste es heute schlechter gehen als am 6. Oktober 2023«, sagte sie. »Für die Hamas aber waren in diesem Krieg nicht nur israelische Menschenleben nichts wert, auch die eigene Bevölkerung in Gaza hat sie von Anfang an ganz bewusst in tödliche Gefahr gebracht und inszeniert zynisch deren Leid.«

Bis heute hielten zudem die Terroristen der Hamas Dutzende Israelis unter entsetzlichen Bedingungen im Gazastreifen gefangen, so Knobloch. »Selbst noch die Rückgabe von sterblichen Überresten ermordeter Geiseln wurde mehrfach in würdelosen Spektakeln inszeniert, die in Abgründe der Unmenschlichkeit blicken lassen.«

Rufe und Forderungen nach einem Ende der israelischen Interventionen lässt Knobloch nicht gelten: »Weder politisch noch moralisch kann von den Israelis verlangt werden, diesen Schmerz einfach zu vergessen. Gegenüber einer mörderischen Bedrohung wie der Hamas darf Israel nicht tatenlos bleiben.« Diese »einfache Tatsache« müsse bei allen Differenzen über Israels Vorgehen Grundlage internationaler Solidarität mit Israel bleiben – gerade auch in Deutschland. »So viel Klarheit darf man verlangen.«

Auslöser des Gazakriegs war der Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023 gewesen, bei dem etwa 1200 Menschen getötet und mehr als 250 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seither kämpft Israels Militär in dem – inzwischen großflächig zerstörten – Küstengebiet gegen die Hamas. Vor knapp zwei Wochen startete es eine neue Großoffensive.

Die Notlage der rund zwei Millionen Menschen in dem dicht besiedelten Küstenstreifen hat sich seitdem drastisch verschärft. An Israels Vorgehen gibt es im In- und Ausland massive Kritik. In einer Lagebeurteilung vom Freitag hieß es seitens der Weltgesundheitsorganisation WHO, die Lage in Gaza sei schlimmer denn je, und die gesamte Bevölkerung dort sei von einer Hungersnot bedroht.

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