Die SPD setzt endlich auf Bas-da-Politik

1. Was sagt Außenminister Wadephul in Kyjiw?

Wohin soll man in diesen Tagen zuerst schauen, welcher Nachricht aus welchem Krieg zuerst nachgehen? Der deutsche Außenminister Johann Wadephul muss diese Entscheidung täglich fällen. Heute hat er ein Zeichen gesetzt: Er ist überraschend in Kyjiw eingetroffen. Die Reise wurde aus Sicherheitsgründen nicht angekündigt, auch die Route wird vertraulich behandelt. Mein Kollege Paul-Anton Krüger begleitet den CDU-Politiker und berichtet von den schlimmsten Luftangriffen seit Kriegsbeginn auf die ukrainische Hauptstadt (lesen Sie hier mehr ).

Halten wir kurz inne: Putin ließ erneut jene Stadt angreifen, deren erste Bombardierungen mehr als drei Jahre zurückliegen. Die rauchenden Wohnblocks gehören mittlerweile genauso zur Alltagsikonografie dieses Krieges, wie das Bitten von Wolodymyr Selenskyj um mehr Hilfe und die Zählung der Toten. Die Bedrohung wird in Zahlen kommuniziert: fünf Prozent fürs Militär.

Wadephuls Besuch kann deswegen als Versuch gesehen werden, diese Routine zu durchbrechen. Er spricht vom »Bombenterror«, mit dem Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine überziehe. Und er besucht den zerbombten Wohnblock von Natalija, 53, die für die deutsche Botschaft arbeitet. 23 Menschen starben dort. Sein Auftritt aber kann nicht mehr sein als eine Solidaritätsbekundung, seine Worte beweisen Mitgefühl, aber auch Hilflosigkeit: »Vor dem Wohnblock sei ihm noch einmal klar geworden, was die russischen Angriffe für die Menschen bedeuten«, sagte er seinem ukrainischen Kollegen Andrij Sybiha. Der Krieg tobt nun seit 1222 Tagen.

  • Lesen Sie hier mehr: Putin schickt 477 Drohnen und 60 ballistische Raketen. Der deutsche Außenminister spricht in Kyjiw von Bombenterror 

2. Wie nutzt Bärbel Bas ihre neue Rolle?

Das Wahldebakel von SPD-Parteichef Lars Klingbeil beim Parteitag am Wochenende hat den politischen Wochenstart maßgeblich geprägt – und die Folgen sind noch längst nicht absehbar.

Nur eines ist klar: Die neue starke Frau der SPD in dieser Legislaturperiode wird Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas. Die Fronten sind abgesteckt. »Es wird ruppiger werden in der Koalition«, prognostiziert auch mein Kollege Christian Teevs. Bas hat sich bereits jetzt als weitaus durchsetzungsfähiger erwiesen als ihre Vorgängerin Saskia Esken, die unsanft zum Rückzug gedrängt wurde (hier mehr dazu ).

Für Klingbeil bedeutet das Debakel einen deutlichen Dämpfer. Seine Position als starker Mann der SPD ist spürbar geschwächt, und es dürfte künftig schwieriger für ihn werden als bisher, unpopuläre Regierungsentscheidungen in der Partei durchzusetzen. Doch auch Bas steht unter Druck. Die Partei erwartet, dass Bas zentrale SPD-Themen wie Rente und Bürgergeld entschlossen vorantreibt. Bereits heute konnte sie sich warmlaufen, als sie dem Koalitionspartner CDU/CSU in der Diskussion um die Senkung der Stromsteuer ein Foul vorwarf.

Am Mittwoch wird Bas erstmals am Koalitionsausschuss teilnehmen – als einzige Frau. Die Rollen in der politischen Arena werden neu verteilt. Wie beim Schach verändert der Verlust einer Figur das gesamte Spielbrett. Klingbeil steht schlecht, Bas wurde vom Bauern zur Dame – und nun wird spannend zu beobachten sein, wie der König der Union, Friedrich Merz, auf diese neue Konstellation reagiert.

  • Lesen Sie hier mehr: Das bedeutet Klingbeils Klatsche für die Koalition 

3. Welche Krankheiten bringt die neue Monster-Zecke mit?

Der Klimawandel ist kein Thema mehr, das die Menschen aus der Hängematte kippen lässt. Nicht einmal die zu erwartenden Rekordtemperaturen scheinen als mentaler Hebel zu wirken, um an die Bedrohung zu erinnern. Viele beschäftigen sich eher damit, wie sie bei der Hitze ihr Mobiltelefon schützen können (mehr dazu hier ).

Der Mensch reagiert oft erst, wenn er sich unmittelbar bedroht fühlt. Ein kleines, unangenehmes Tier könnte aus der satten Zufriedenheit reißen: die Zecke. Die Krabbler werden immer mehr, größer und gefährlicher. Sich in eine Wiese zu legen und den Blick in den Himmel zu genießen, ist heute kaum noch möglich, ohne hinterher die Zeckenkarte zu zücken und einige Tage zu bangen, ob nicht doch eine Borreliose droht. Aus eigener Erfahrung: Sie beißen sich sogar in den Wimpern fest.

Meine Kollegin Susanne Götze hat sich mit der zunehmenden Verbreitung der Hyalomma-Zecken, auch bekannt als »Riesenzecken«, in Deutschland und Europa beschäftigt – eine Entwicklung, die, wie sie sagt, durch den Klimawandel begünstigt wird und das Krim-Kongo-Fieber nach Europa bringt. Ihre Empfehlungen lohnen einen Blick (hier mehr ). Und den Kauf einer Hängematte allemal.

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Mit den höheren Temperaturen steigt das Zeckenrisiko 

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Sachsen-Anhalts ehemaliger Ministerpräsident Böhmer ist tot: Der CDU-Politiker Wolfgang Böhmer war von 2002 bis 2011 Ministerpräsident Sachsen-Anhalts. Nun ist er im Alter von 89 Jahren gestorben.

  • Iranische Ajatollahs drohen Trump indirekt mit dem Tod: Nach dem US-Militärschlag bezeichnete Donald Trump Irans Herrscher Khamenei als »leichtes Ziel«. Nun n Kleriker aus dem Land diese Drohung zurück. Allerdings, ohne den Namen des US-Präsidenten zu nennen.

  • Inflationsrate im Juni überraschend gesunken: Die Verbraucherpreise in Deutschland sind im Juni etwas weniger stark gestiegen als im Mai. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 2,0 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Energie wurde günstiger, Lebensmittel dagegen teurer.

Mein Lieblingspodcast heute: »Der Möchtegern-König« von Deutschland

Vor wenigen Wochen zog das Bundesinnenministerium einen Schlussstrich unter das Kapitel »Königreich Deutschland«: Die Organisation wurde verboten, bundesweit fanden Razzien statt und mehrere führende Mitglieder wurden festgenommen – darunter der Gründer Peter Fitzek. Der selbst ernannte »König von Deutschland« hatte über Jahre hinweg versucht, mit einem Fantasiestaat die staatliche Ordnung der Bundesrepublik herauszufordern. Wer die Berichte verfolgt hat, konnte sich der Frage nicht erwehren: Wer ist Peter Fitzek wirklich? Ein exzentrischer Spinner, der sich selbst zum Monarchen kürte, oder ein gefährlicher Ideologe, der gezielt den Rechtsstaat untergräbt?

SPIEGEL TV hat jetzt zehn Jahre Recherche in den Podcast »Im Verhör« einfließen lassen und zeichnet ein. Porträt eines Mannes, der mit alternativen Währungen, eigenen Gesetzen und einem prall gefüllten Tresor in seinem Büro durchkam. Wie konnte Fitzek mit seinen Ideen Menschen begeistern? Was trieb seine Anhänger an, sich einem Parallelstaat anzuschließen? Und welche Folgen hat sein Scheitern für jene, die ihm folgten? Der Podcast öffnet die Tür zu einer Welt, die nur schwer zu begreifen ist.

  • Hören Sie hier den Podcast: »Der Möchtegern-König« von Deutschland

Was heute weniger wichtig ist

Gut gekleidet, schlecht getextet: Beyoncé, 43, hat auf ihrer Europa-Tour ein T-Shirt getragen, das die Buffalo Soldiers, eine Einheit Schwarzer in der US-Armee, zeigt und auf der Rückseite eine umstrittene Beschreibung ihrer Gegner, darunter »kriegführende Indianer«. Der Vorwurf: ureinwohnerfeindliche Sprache. Manche Geschichten sollte man lieber gleich diskutieren, statt sie auf dem Rücken zu tragen.

Mini-Hohl

Hier finden Sie den ganzen Hohl.

Das Wabenrätsel

Heute haben wir wieder unser Wabenrätsel für Sie. Als Leser und Leserin unserer Lage am Abend erfahren Sie wieder einen Buchstaben vorab. Gesucht ist unter anderem ein Herrschertitel mit K. Hier können Sie spielen!

Cartoon des Tages

Und heute Abend?

Noch zwei Tage, dann beginnt die Europameisterschaft der Frauen im Fußball in der Schweiz mit dem Gastgeber gegen Norwegen. Bis dahin müssen wir uns noch mit der Klub-WM der Männer in den USA rumschlagen. Dann führt Giulia Gwinn die deutsche Mannschaft in die ausverkauften Stadien.

Die beste Einstimmung ist ein Kinobesuch: »Copa 71«. Man findet den Film in den kleineren Kinos in 44 Städten in Deutschland, wie im »Mal seh’n« Kino in Frankfurt am Main oder im »Sweet sixteen« in Dortmund, in meinem Fall das fsk Kino am Oranienplatz in Berlin.

»Copa 71«, noch nie davon gehört? Kein Wunder, die Funktionäre des Fußball-Weltverbands Fifa haben auch alles getan, damit sich niemand an diese inoffizielle Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Mexiko 1971 erinnert. Sie wird auch die »vergessene Weltmeisterschaft« genannt. Dabei löste das Turnier wahre Euphorie aus. Es kamen 1971 mehr als 100.000 Zuschauer ins Aztekenstadion in Mexiko Stadt! Das war elf Jahre vor dem ersten offiziellen Länderspiel der DFB-Frauen 1982 gegen die Schweiz! (Hier mehr dazu .) Und es war die Zeit, in der sich fast alle einig waren: Mädchen gehören nicht auf den Fußballplatz.
Die brutalen Folgen für die teilnehmenden Spielerinnen in ihren Heimatländern erscheinen unfassbar aus heutiger deutscher Sicht – sind es aber gar nicht. Fußball war Frauen zwar auch in Deutschland ab 1970 erlaubt. Wann aber wurde die Bundesliga für Frauen gegründet? 1990. Die Freiheit der Frauen ist jung und durchaus fragil. Auch wenn eine der Frauen von 1971 im Film richtig sagt: »Wir sind nicht mehr aufzuhalten.«

Einen schönen Abend. Herzlich

Ihre Swantje Karich, Redakteurin im Ressort Meinung und Debatte

Bei russischen Drohnenangriffen getroffenes Wohnhaus in Odessa

Foto:

Nina Liashonok / REUTERS

SPD-Vorsitzende Klingbeil, Bas

Foto:

Jens Gyarmaty / DER SPIEGEL

Smartphone am Strand: Viele Hersteller warnen davor, ihre Geräte zu großer Hitze auszusetzen

Foto: FreshSplash / iStockphoto / Getty Images

Zecke sucht sich einen Ort zum Saugen: Der Gemeine Holzbock kann Krankheitserreger übertragen, die Borreliose und FSME verursachen

Foto: R. Rebmann / blickwinkel / IMAGO

»Königreich von Deutschland«: Der Aufstieg und Fall von Peter Fitzek – SPIEGEL TV

Foto:

SPIEGEL TV

Hinweis in einem Baumarkt in Unterhaching (Bayern)

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

Thomas Plaßmann

Englands Spielerinnen im Training zur Copa 71

Foto: Grandfilm / Dogwoof Filmvertrieb

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