Im Libanon verschärft sich die Debatte über eine Entwaffnung der proiranischen Hisbollah. Die libanesische Regierung hat per Kabinettsbeschluss einem US-Plan zugestimmt, der vorsieht, dass bis zum Jahresende alle Waffen im Land unter staatliche Kontrolle fallen sollen. Auch Israel drängt auf eine Entwaffnung der Hisbollah, die seit Jahrzehnten als mächtigster nicht staatlicher Akteur im Libanon agiert.
Die Hisbollah lehnt ihre Entwaffnung ab. Sie argumentiert, dass die israelischen Angriffe auf Ziele im Libanon trotz einer Waffenruhe anhalten und Israel weiterhin fünf Posten im Südlibanon besetzt.
Noch vor der Entscheidung verließen Minister der Hisbollah und der mit ihr verbündeten Amal-Bewegung aus Protest die Kabinettssitzung.
Die Hisbollah hatte zuvor mehrfach erklärt, keiner Entwaffnung zuzustimmen, solange Israel seine nahezu täglichen Angriffe nicht einstelle und israelische Truppen weiter an Posten im Südlibanon stationiert seien.
Hisbollah-Mitglieder könnten aus Protest die Regierung verlassen
Informationsminister Paul Morcos sagte nach dem Treffen, das Kabinett habe »die in dem amerikanischen Dokument dargelegten Ziele« genehmigt, der US-Gesandte Tom Barrack hatte das Dokument vorgelegt. Der US-Plan sieht eine vollständige Entwaffnung der Hisbollah-Miliz bis Ende 2025 vor. Das Kabinett billigte den Zeitrahmen, übertrug die Ausarbeitung eines Plans jedoch der libanesischen Armee.
Der US-Gesandt Barrack gratulierte Ministerpräsident Nawaf Salam, Präsident Joseph Aoun und dem Ministerrat zu der »historischen, mutigen und richtigen Entscheidung«. Die Beschlüsse des Kabinetts seien ein erster konkreter Schritt zur Umsetzung des Prinzips »Ein Land, eine Armee«.
Die Forderung nach einer Entwaffnung der Hisbollah ist für die libanesische Regierung politisch riskant. Es wird befürchtet, dass das Land in eine weitere politische Krise schlittern könnte, wenn Hisbollah-Mitglieder aus Protest aus der Regierung austreten.
Experten halten eine vollständige Entwaffnung der Hisbollah für extrem schwierig, da die Organisation über ein umfangreiches Waffenarsenal verfügt und tief in Teilen der libanesischen Gesellschaft verwurzelt ist.
Hisbollah militärisch überlegen
Die Hisbollah verfügt über eine eigene militärische Struktur mit bewaffneten Einheiten. Sie agiert unabhängig von der staatlichen Armee. Die Miliz besitzt ein eigenes Arsenal an Raketen und Artillerie. Seit ihrer Gründung 1982 belieferte Iran sie mit Waffen. Gemeinsamer Erzfeind ist Israel.
Dank der iranischen Unterstützung ist die Ausrüstung der Hisbollah moderner als die der libanesischen Streitkräfte, die durch eine andauernde Wirtschaftskrise und politische Krisen geschwächt sind. Besonders im Süden des Landes galt die Hisbollah lange Zeit als militärisch überlegen.
Unterschätzen sollte man sie nicht, sagt Michael Young vom Carnegie Middle East Center der Deutschen Presse-Agentur. Sollte es zu einer militärischen Konfrontation mit der Armee kommen, hätte die Hisbollah die Mittel, um sich zu verteidigen und um eine Pattsituation herbeizuführen.
Noch gibt es keinen Plan, wie die Entwaffnung vonstattengehen soll. Die Armee soll einen bis Ende des Monats ausarbeiten. Sollte die Regierung dann konkrete Schritte einleiten, könnte eine innenpolitische Krise drohen.
Die Hisbollah könnte Entscheidungen der Regierung mithilfe ihrer Verbündeten blockieren. Schon zuvor hatte das oft als »schiitisches Duo« bezeichnete Bündnis aus Hisbollah und Amal-Bewegung erklärt, sich gegen jegliche Entwaffnung zu stellen. Die Hisbollah könnte ihre Hunderttausenden Anhänger mobilisieren und ihre Mitglieder aus der Regierung abziehen, was das fragile politische Gleichgewicht im Land gefährden würde.
Gleichzeitig könnte Israel seinen Druck erhöhen, um die Entwaffnung militärisch durchzusetzen. Die Situation bleibt in jedem Fall angespannt.