Das Bundesinnenministerium mag sich über einen Rückgang der Asylanträge freuen – die Gerichte indes stöhnen. Deutschlands Verwaltungsgerichte verzeichnen einen deutlichen Anstieg von Asylklagen. Das geht aus einer Auswertung der Deutschen Richterzeitung auf Grundlage von Daten der zuständigen Landesministerien hervor, wie die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland am Montag berichteten.
Demnach gingen bis Ende Juni 2025 bereits 76.646 neue Hauptsacheverfahren bei den Gerichten ein. Damit übertrifft die Zahl der Verfahren schon jetzt die Gesamtbilanz des Jahres 2023 (71.885) und erreicht bereits drei Viertel des Niveaus von 2024 (100.494).
Die höchsten Klagezahlen wurden in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen registriert. In NRW meldeten die Gerichte im ersten Halbjahr 13.304 Klagen, in Bayern 11.412. Niedersachsen meldete 11.000 neue Verfahren – mehr als im gesamten Jahr 2024. Das Bundesland verzeichnete damit vor Baden-Württemberg den größten Anstieg.
Rückläufige Zahlen, langläufige Verfahren
Die Entwicklung hat auch Folgen für die Dauer der Verfahren. »Die rückläufige Zahl der Asylanträge in Deutschland schlägt bei der Justiz noch nicht durch. Im Gegenteil ist die Zahl der Asylklagen im ersten Halbjahr 2025 deutlich gestiegen, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Asylverfahren inzwischen schneller abarbeitet«, sagte Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes. Die Gerichte hätten dadurch mehr Fälle zu bewältigen, was die Verfahrensdauer vielerorts wieder verlängere.
In Rheinland-Pfalz etwa dauerte ein Asylverfahren 2023 durchschnittlich 3,9 Monate. 2024 waren es 5,4 Monate, in der ersten Hälfte dieses Jahres bereits sechs Monate. Auch Bayern (7,1 Monate), Baden-Württemberg (7,6 Monate), Sachsen-Anhalt (8,4 Monate) und das Saarland (9 Monate) liegen im einstelligen Bereich. In elf anderen Bundesländern dauern Asylverfahren inzwischen zwischen zehn und 19 Monaten. Schlusslicht ist Hessen.
Zugleich kommen dennoch weniger Hilfesuchende. Zuletzt war die Zahl der neu ins Land gekommenen Geflüchteten im August abermals deutlich gesunken – um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) wertete den Rückgang als Erfolg seiner restriktiveren Migrationspolitik. Der Minister hatte am 7. Mai die verstärkten Kontrollen und Zurückweisungen an allen neun deutschen Landgrenzen zu Nachbarstaaten angeordnet. Ausgenommen sind sogenannte vulnerable Gruppen wie Kinder und Schwangere.
Vom 8. Mai bis Ende Juli registrierte die Bundespolizei 9506 Zurückweisungen an den Grenzen. Für seinen Vorstoß wurde Dobrindt von Nachbarstaaten, aber auch von Migrationsexperten und NGOs kritisiert. Die Zurückweisungen gelten als rechtlich umstritten .