So will die Politik Einfluss auf Stadionverbote nehmen

Eine Prügelei im Block, eine gezündete Pyrorakete, die gegen das Stadiondach knallt, ein Überfall auf konkurrierende Fußballfans – die Möglichkeiten, sich bei einem Fußballklub ein Stadionverbot einzuhandeln, sind zahlreich.

Bislang entscheiden Stadionverbotskommissionen der jeweiligen Vereine über die Verbote, sie legen auch fest, ob das Einlassverbot nur für das eigene Stadion oder bundesweit gilt. Grundlage des Ganzen sind die »Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten«  des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Die Ausgestaltung der Verbotskommissionen ist von Verein zu Verein leicht unterschiedlich: Die Stadionverbotskommission des Hamburger SV  umfasst fünf Personen, sowohl Angestellte des HSV als auch einen Vertreter des Fanprojekts, der jedoch ausschließlich eine Beratungsfunktion innehat. Beim 1. FC Köln sind es lediglich drei Mitglieder : ein Vertreter des Kölner Fanprojekts, ein Justiziar und der Veranstaltungsleiter. »Ein Stadionverbot untersagt der betreffenden Person den Aufenthalt im Stadion und dessen Umfeld in Zusammenhang mit Fußballspielen, örtlich oder auch bundesweit in den Ligen 1 bis 4«, heißt es bei den Kölnern.

Doch an dieser Struktur gibt es schon länger Kritik: »Stadionverbotsverfahren in der Hoheit der Vereine werden häufig nicht konsequent durchgeführt, werden gar nicht erst erlassen oder eingeleitet. Das liegt auch daran, dass in den Vereinen Fanvertretungen beteiligt sind«, hatte Hamburgs Innensenator Andy Grote dem SPIEGEL einst gesagt. »Es ist ein sehr auf Konsens angelegtes Verfahren. Das kann man den Vereinen gar nicht vorwerfen, aber es führt dazu, dass nicht konsequent mit dem Mittel des Stadionverbots umgegangen wird.«

Vor ziemlich genau einem Jahr beschlossen die Sportminister der Länder deshalb, eine bundesweite zentrale Stadionverbotskommission im deutschen Profifußball einzuführen. Empörte Kritik hatte es sofort von Fanvertretern gegeben: »Die zentrale Kommission zur Verwaltung der Stadionverbote wird zu nichts führen«, hatte der Dachverband der Fanhilfen dem SPIEGEL gesagt. Sie breche mit der »sinnvollen Praxis der Einzelfallbetrachtung durch die Vereine«.

Welche Fälle wird die Kommission bearbeiten?

Seitdem ist es still geworden um den Vorstoß der Sportminister. Der sogenannte Arbeitskreis II – Innere Sicherheit  sollte in Zusammenarbeit mit Vertretern des DFB und der Deutschen Fußball Liga (DFL) Pläne ausarbeiten. Bald werden wohl erste Ideen vorgestellt. »Der AK II ist beauftragt, der IMK (Innenministerkonferenz, Anmerkung der Redaktion) im Rahmen der nächsten Konferenz zum Sachstand zu berichten«, teilt das Innenministerium Bremen dem SPIEGEL auf Anfrage mit. Die nächste Konferenz findet am 16. und 17. Oktober in Heidelberg statt.

Konkret gehe es bei den Plänen um »die organisatorische Anbindung, Verfahrensgestaltung sowie eine unabhängige Besetzung, um ein einheitliches, effizientes Stadionverbotsverfahren im Profifußball sicherzustellen. Zudem sollen die DFB-Richtlinien zu Stadionverboten überarbeitet und verbindlicher gestaltet werden.«

Nach SPIEGEL-Informationen geht es bei der Debatte um die Ausgestaltung und Kompetenz des Gremiums. Demnach gehen die Überlegungen dahin, nicht sämtliche Fälle von den Vereinen an die Kommission zu ziehen – also auch viele Bagatellverfahren. Stattdessen soll die Kommission, so die Idee, eher eine Beratungs- und Überwachungsfunktion innehaben. Allerdings mit der Möglichkeit, besonders heftige Fälle selbst zu verhandeln.

721 aktive bundesweite Stadionverbote

Das Innenministerium betont die »zielorientierte und vertrauensvolle« Zusammenarbeit mit den Fußballvertretern. Die DFL schrieb, dass Ziele des Prozesses sein müssten, »die einzigartige Fankultur in Deutschland zu wahren, Polizei-Einsatzstunden zu reduzieren und dabei zugleich das hohe Sicherheitsniveau rund um Spiele des Profifußballs zu erhalten. DFL und DFB haben dazu Vorschläge ausgearbeitet, die in den kommenden Treffen abgestimmt und in der Sport- und Innenministerkonferenz besprochen werden.«

Doch wie groß ist das Problem eigentlich? Insgesamt 721 bundesweite Stadionverbote waren Ende August dieses Jahres in Kraft, teilte der DFB dem SPIEGEL mit. Hinzu kommen lokal verhängte Stadionverbote, die jedoch keiner Meldepflicht unterliegen. Deshalb könne der Verband hinsichtlich dieser Bestrafungen keine sichere Auskunft erteilen.

Viele Politiker glauben, dass durch eine konsequentere Handhabung in Sachen Stadionverbot die Sicherheit im Stadion erhöht werden kann. Es ist eine schon lange laufende Debatte: Innenminister erklären die deutschen Fußballstadien zum unsicheren Ort und können dabei auf krasse Fälle verweisen, wie zuletzt auf den Fall eines neun Jahre alten Jungen, der nach einer (teilweise genehmigten) Pyroshow bei Hansa Rostock schwer verletzt wurde .

Jubelstürme der Fans sind nicht zu erwarten

Auch Bundeskanzler Friedrich Merz sagte jüngst: »Wir müssen ein gemeinsames gesellschaftspolitisches Interesse daran haben, dass die Stadien sicher sind, dass wir das, was dort von den Fans kommt, einigermaßen unter Kontrolle halten.«

Fanvertreter halten die Darstellung von außer Kontrolle geratener Gewalt für Unfug und führen dafür die polizeiliche Statistik an. Laut der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«  liegt der Anteil an Menschen, die sich bei einem Fußballspiel verletzen, nach Zählung der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) bei rund 0,005 Prozent. Am vergangenen Spieltag besuchten mehr als 435.000 Menschen Spiele der ersten Fußball-Bundesliga .

Es bleibt abzuwarten, wie Fanvertreter auf die Pläne hinsichtlich einer zentralen Stadionverbotskommission reagieren werden. Jubelstürme sind jedoch nicht zu erwarten.

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